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Anne Boleyn Band 2 – Kapitel 11 Teil 1

Gräfin Luisa Mary von Robiano
Anne Boleyn
Historischer Roman, Constenoble, Jena 1867
Zweiter Band

11.

Es war Elisabeths erster Namenstag. Die kleine Thronprinzessin war bald nach ihrer Taufe auf das schöne Gut Huntington gesandt worden, wo eine sehr gesunde, reine Luft wehte und ihr dort ein förmlicher Hofstaat beigegeben worden.

Anne hatte sich anfangs zwar schwer dem Willen des Königs in eine Trennung von ihrem Kind gefügt. Die innere Leere ihrer Seele, die geheimen Vorwürfe ihres Gewissens waren wohl teilweise durch die Sorge um das kleine Wesen gemildert worden. In Ermangelung derselben suchte Anne durch Zerstreuung und Putzsucht, noch mehr aber durch ihre unbegrenzte Gefallsucht sich die Mußestunden zu verkürzen. Leidenschaftlich betrieb sie auch das Studium der Musik. Der König hatte ihr einen der ersten Künstler seiner Zeit zum Lehrer gegeben. Anne spielte auf dem Vinzinal, einem Instrument, halb Orgel, halb Klavier, mit meisterhafter Fertigkeit. Ebenso schön blies sie eine kleine Flöte und verstand sie, ungeachtet der Gefahren für ein schönes Gesicht, mit großer Anmut zu behandeln.

Ihr Lehrer war Smeaton, ein, abgesehen von seinen musikalischen Kenntnissen, höchst gewöhnlicher Mensch. Da er indessen eine so große Rolle in dem späteren tragischen Ende dieser unglücklichen Frau spielte, müssen wir seiner schon jetzt erwähnen, wo er mit glühendem Blick vor Anne steht, welche ihr kleines Töchterchen liebkost.

Elisabeth nämlich war bereits verlobt; eine jugendliche Braut zwar, da sie kaum lallen konnte, allein Annes rastloser Ehrgeiz hatte zwischen dieser und dem dritten Sohne ihres warmen Verehrers, Franz I. von Frankreich, eine Verlobung herbeigeführt, worüber niemand erstaunte, da Franz Elisabeths Pate war. Dieses doppelte Ehrenfest sollte heute aufs Feierlichste allen kundgetan werden, und zwar durch ein großes Fest indem schönen Schloss Wolseys, Hamptoncourt, wozu der große, an die Anlagen grenzende Park mit bunten Lampen beleuchtet werden und die Hofleute im Kostüm von Waldgöttern und Göttinnen, jedoch mit Masken, erscheinen sollten. Um Mitternacht sollte ein Tanz das Fest beschließen und die junge Heldin des Tages wenigstens teilweise demselben beiwohnen.

Mit großer Stattlichkeit und vielen Zeremonien hatte man die Thronerbin, wie sie jetzt überall am Hof genannt wurde, nach London gebracht und den Hofleuten vorgestellt.

Gern hätte die arme Prinzessin Mary sich von diesem Fest zurückgezogen. Sie wagte es auch, ihren Vater darum zu bitten; allein Anne wusste wiederum Heinrichs Sinn gegen die Tochter zu verhärten. Dieser bestand auf ihr Erscheinen, indem er ihr die schärfsten Vorwürfe wegen ihres Stolzes und ihres Mangels an Liebe für die kleine Schwester machte.

Mary schwieg. Mit freundlicher Miene in Gottes Willen ergeben, brachte sie am Morgen dem Festkind ein goldenes Riechfläschchen in der damaligen Form eines Apfels, den die vornehmen Frauen am Gürtel trugen.

Das junge Mädchen hätte ein so wertvolles Geschenk nicht kaufen können, denn sie besaß kaum Geld zu den allernotwendigsten Kleidungsstücken. Der Apfel war ein Geschenk des Kaisers.

Unter den vielen Versammelten befand sich auch Wyatt, den Heinrich hatte einladen lassen. In seiner Eigenschaft als Hofpoet und Freund seiner Gemahlin sollte er die festlichen Aufzüge leiten und anordnen.

Es ist stets ein Rätsel geblieben, dass Wyatt, der als ein Verehrer Annes bekannt war und daraus nie ein Geheimnis machte, selbst dem König gegenüber nicht, niemals den Argwohn des Letzteren gegen sich erweckte.

Auch heute stand er nicht weit von dem hohen Thronsessel, in dem Anne mit dem Kind auf den Knien saß, und neben ihm ein junger Mann in eleganter Kleidung und mit weiblich zarten Zügen, dessen gelbe Gesichtsfarbe und schwarzes, lockiges Haar ihn als einen Südländer von Geburt bezeichneten. Seine Hände waren ausgezeichnet fein und blendend weiß, eine Schönheit, welche er ebenso gut wie Napoleon I. durch eine männliche Koketterie zur Schau zu tragen verstand.

In der Rechten hielt er eine Rolle Papier, mit der er im Sprechen lebhaft gestikulierte, während sein träumerisches, weiches Auge auf einer der Damen zu ruhen schien.

»Also jene große, volle Gestalt, mit den reichen blonden Flechten, das wäre sie?«, fragte Wyatt den neben ihm Stehenden nach einer Weile.

»Das ist Jane Seymour«, antwortete Smeaton, »wie man behaupten will, der neue Liebesstern Seiner Majestät. Wie gefällt sie Euch?«

»Nicht übel«, war die Antwort, »obwohl das Gesicht ohne Geist ist und ihr Körper massiv und schwerfällig.«

»Ha! Und eine solche Person sollte die Königin ausstechen«, sagte Smeaton verächtlich, »eine solche göttliche Erscheinung wie Lady Anne!«

»Aber Lady Anne hat sich sehr verändert, seitdem ich sie ein halbes Jahr lang nicht gesehen habe.

Sie ist um vieles gealtert, und ohne die geistvollen herrlichen Augen kaum mehr schön zu nennen.«

»Nein, nein, sagt das nicht, Sir«, sagte Smeaton, und seine Augen leuchteten. »Lady Anne bleibt, was sie gewesen ist, das holdseligste, reizendste Geschöpf auf Erden, meine Göttin, meine Muse. Um einen Blick aus jenen dunkeln Sternen ließe ich mich auf die Folter spannen, um das Glück, ihre zarte Hand berühren zu dürfen, möchte ich …«

»Still, Mann«, sagte Wyatt ängstlich, »bewacht Eure Reden; sie schaden der Königin und werden von ihren Feinden missdeutet. Wenn Ihr den Zorn des Königs reizt …«

»Ich trotze ihm, und gehe mit Jubel in den Tower«, sagte Smeaton begeistert, »denn ich trage bei mir auf der Brust ein Kleinod, ein Juwel von unschätzbarem Wert, das ich von meiner Königin empfangen habe.«

»Von ihr? Anne gäbe Euch Geschenke?«

»Als eine Ausnahme, Sir«, erwiderte Smeaton mit sichtbarer Eitelkeit, »meine heiße Liebe musste endlich das kälteste Herz erweichen. Ich lag zu ihren Füßen, ich meinte zu sterben, da gab sie mir eine Bandschleife von ihrem Busen zum Pfand ihrer Freundschaft.«

Wyatts Augenbrauen zogen sich finster zusammen, ein scharfes Wort schien ihm auf den Lippen zu schweben, da rief ihn Anne zu sich heran.

»Wir wollen einen Gang auf die Terrasse tun«, sagte sie, indem sie ihr Töchterchen einer Dame übergab. »Es ist so heiß im Zimmer. Ah! Da kommt Seine Majestät, und wie ich sehe, bringt er uns heitere Botschaft.«

»So ist es!«, rief Heinrich vergnügt aus und küsste seine Gattin zärtlich. »Wir haben eine Überraschung für Euch im Hintergrund. Es wird eine herrliche milde Nacht geben, trefflich zu einem ländlichen Fest geeignet. Eure Anordnungen, Sir Wyatt, sind vortrefflich gelungen und machen Euch Ehre. Wir werden selbst unsere Waldkönigin in ihre Zauberhütte führen.«

Hier drückte Anne beide Hände plötzlich an ihre Brust und taumelte einige Schritte zurück.

Heinrich schlang besorgt seine Arme um sie und rief laut nach frischem Wasser und starken Essenzen.

»Es ist schon wieder vorüber, mein teurer Gemahl«, sagte Anne, nach einigen Minuten sich emporrichtend, »es war eine Schwäche, die mich oft anwandelt; aber sie mahnt mich daran, dass ich der Ruhe bedarf, Majestät. Aus weisen Gründen möchte ich Euch bitten, mich diese Nacht den Pflichten der Gastfreundschaft zu überheben. Ich fühle mich zu matt und leidend zu meiner Rolle.«

Ein unbestimmtes Gemurmel erhob sich bei Annes Erklärung im Saal. Ob aus Unzufriedenheit oder herzlichem Bedauern? Wyatt wusste es nicht, aber er sah, wie Jane Seymour die Augen zur Erde schlug und Lady Rochefort spöttisch lächelnd ihren Gatten anblickte, der seine Schwester besorgt beobachtete. Lord Norris, der Lieblingskammerherr des Königs und Rocheforts Freund, berührte leicht des letzteren Arm.

»Da steckt wieder etwas anderes dahinter!«, flüsterte er dem Vicomte ins Ohr. »Lady Anne war bis vor einigen Minuten munter und ausgelassen.«

»Will mir auch nicht gefallen«, meinte Rocheford düster, »überhaupt ist nicht alles so, wie es sein sollte.« Er schwieg, denn König Heinrich sagte nun zu seiner Gemahlin: »Ach, Liebchen, das wäre mir sehr leid, denn ein Waldfest ohne Königin hat keinen Reiz.«

»Die Gesellschaft soll durch mich nichts einbüßen«, entgegnete Anne sanft, »noch weniger mein teurer Herr und Gemahl sich in dem frohen Kreis vereinsamt fühlen. Ich schlage vor, anstatt meiner eine muntere, beliebte Dame zur Königin zu ernennen.«

»Der Gedanke ist nicht übel«, sagte Heinrich, »aber die Wahl ist schwierig.«

»Der Apfel des Paris«, sagte Wyatt schalkhaft. »Daher wollen wir die Freundschaft zu unserer Hilfe herbeirufen«, sagte Anne, »ihr verleihen wir unsere königlichen Rechte auf einige Stunden.«

»Wen meinst du?«, fragte Heinrich unruhig.

»Meine Jugendfreundin, Jane Seymour«, antwortete Anne unbefangen. »Ich darf mir schmeicheln, dass Euch diese Dame genehm sein wird und Ihr vor derselben gern das Knie beugt. Tretet näher, Jane, auf dass wir Euch in Eure neue Würde selbst einweihen!«

Jane gehorchte, doch in sichtlicher Verlegenheit. Waren es die überraschten Blicke der Hofleute oder Heinrichs fröhliche Miene, welche plötzlich die Farbe aus ihrem Gesicht verscheuchte?

Anne machte ihren eigenen schönen Kranz von Efeu und Blumen vom Haupt los und drückte ihn anmutsvoll auf die langen wallenden goldblonden Locken der vor ihr knienden Hofdame.

Schwerlich ahnten die Anwesenden, dass in kurzer Zeit diese Szene sich auf einem mit Blut befleckten Boden wiederholen und Anne in Wahrheit ihre Krone zugunsten Janes ablegen würde.

Wyatt aber rief, in Annes Sinn eingehend, mit poetischer Begeisterung: »Es lebe Titania, die blonde Waldgöttin!«

Heinrich und die Hofleute stimmten in den Ruf ein.

»Ihr wäret somit feierlich anerkannt, Titania«, sagte Anne huldreich. »Geht und erfüllet zur Zufriedenheit Eurer neuen Untertanen die königlichen Pflichten der Gastfreundschaft.«

»Punkt zehn Uhr werde der Park erleuchtet«, fügte Heinrich hinzu. »Es hat sich dann alles einzufinden. Damit eine größere Heiterkeit herrschen kann, befehlen wir Masken zu tragen. Um Mitternacht, beim Trompetenschall, findet man sich zum Ball wieder ein.«

Er winkte mit der Hand, worauf sich alle, mit Ausnahme von Wyatt, entfernten.

»Seid Ihr heute einmal wieder mit uns zufrieden, mein teurer Gemahl«, sagte Anne mit liebevollem Blick.

»Da du durchaus nicht am Fest erscheinen willst oder kannst«, erwiderte Heinrich, »ist nach dir Jane Seymour die passendste Dame. Lieber wäre es mir freilich gewesen, wenn du selbst die Rolle übernommen hättest.«

»Ich kann nicht, Hoheit! Meine Kräfte sind erschöpft; wenn ich es erzwänge …«

»Behüte der Himmel!«, rief Heinrich erschrocken aus. »Ich billige und lobe deine Vorsicht, holdes Liebchen. Zehntausend Feste wiegen das Leben eines Thronerben nicht auf! Widme dich der Ruhe, süßer Engel. Ich werde dann bald den Wald verlassen und dir in deiner Einsamkeit Gesellschaft leisten. Welche von den Damen bleibt bei dir? «

»Mary Gaynsford, denke ich«, war die Antwort. »Nun erlaubt, dass ich mich zurückziehe, Majestät.«

»Tue das«, erwiderte Heinrich, umfasste sie und küsste sie herzlich. »Auch wir wollen uns zurückziehen, da wir Anordnungen auf die Nacht zu treffen haben. Addio, cara mia.«

Bei diesen Worten verließ er den Saal. Anne aber legte ihre zitternde Hand auf Wyatts Arm und flüsterte diesem zu: »Erwarte mich Schlag elf Uhr im Park unter den drei Eichen an der Mauer der Themse!«

»Anne, was hast du vor?«

»Still!«, sagte sie mit einem wild aufleuchtenden Glanz ihrer dunklen Augen, »ich will mir Gewissheit schaffen, Gewissheit, ob ich geliebt oder verworfen bin.«

Ehe Wyatt antworten konnte, war sie verschwunden.

Mich durchbebt es unheimlich, dachte dieser, wie der Ausbruch des Vulkans bei blauem Himmel! Unglückliche Anne, wenn schon jetzt, nach so kurzem Triumph, die Rachegeister Katharinas im Anzug wären? Was wird dein Schicksal sein, wenn du deinem Gatten keinen Sohn schenkst? Er wäre imstande, so wahr ich lebe, eine dritte Frau zu nehmen. Diese Seymour ist anziehend, eine kräftige, herrliche Gestalt und von einer Ruhe und Willensträgheit, welche unbedingte Ergebung in Heinrichs Launen verspricht. Diese Ruhe ist Annes jetziger gereizter Stimmung und Heftigkeit gegenüber doppelt gefährlich. Ich muss auf beide Acht geben und Anne warnen. Die Geburt eines Sohnes bindet Heinrich zeitlebens an sie. Die Zerstörung dieser Hoffnung könnte das gelockerte Band zwischen beiden vollends zerreißen. Was sie wohl im Park vorhat, da sie doch den Wunsch nach Ruhe vorgegeben? Wahrscheinlich hofft sie, Heinrich der Untreue überführen zu können. In der Tat, es ist nicht unmöglich, dass der König die Gelegenheit benutzt? Nun, umso besser, wenn er siegt, dann ist Anne gerettet, eine Geliebte fesselt Heinrich nicht auf lange Zeit. Aber er wird wütend werden, wenn er sich entdeckt sieht. Kein Mann verzeiht es, wenn seine Gattin ihn im Unrecht ertappt. Ich wollte, ich hätte Anne von dem unseligen Entschluss abbringen können. Mir ahnt nichts Gutes davon. Und dieser Einfall, Jane, ihre Rivalin, zur Königin zu wählen! Welchen Zweck hatte sie dabei vor Augen?

So dachte Wyatt, unruhig im Saal auf und ab schreitend. Lady Rochefort hätte ihm eine genügende Antwort erteilen können, wenn er sich an sie um Auskunft gewendet hätte. Sie würde ihm vielleicht gesagt haben, was wir bereits ahnen, dass sie der unglücklichen Frau verraten hatte, Heinrich habe Jane ein Rendezvous im Park gegeben, indem sie hinzusetzte: »Da könnt Ihr gleich auf der Stelle sehen, ob ich verleumde oder die Wahrheit rede.«

Wohl mahnte in Anne eine innere Stimme, von dem Plan abzustehen, aber die Leidenschaft übertäubte die Vernunft. Sie beschloss, die Liebenden zu überraschen.

Es wird gelingen, dachte Lady Rochefort triumphierend, der Kummer, die Bestürzung sie danieder werfen und des Kindes Leben mit dem ihren vernichten! Dann sind wir beider los und ledig!

Um zehn Uhr erschien Jane Seymour bei der Hofdame. Sie war in einen langen braunen Mantel nach dem Kostüm der Waldgötter gehüllt. Eine Kapuze bedeckte die Fülle der Lockenpracht.

»Ah, willkommen!«, rief Lady Rochefort ihr zu und griff dann selbst nach einem ähnlichen Anzug, de. sie sich umwarf. »Schon fürchtete ich, es habe Euch gereut, Schönste. Der König darf nicht warten, es ist bereits später als bestimmt war.«

»Ich wollte gar nicht kommen «, sagte Jane mürrisch, indem sie mit Lady Rochefort zum Schloss hinausschritt. »Es reut mich, ich schäme mich, Lady Annes Güte und Vertrauen …«

»Seid Ihr närrisch«, sagte Lady Rochefort. »Die Güte war lauter Verstellung, sie wollte das Herz des Königs durch ihren Edelmut gewinnen!«

»Ich mache ihr sein Herz nicht streitig«, entgegnete Jane fest. »Ich liebe den König nicht, auch wenn er nicht bereits zwei Weiber hätte. Ich lasse es mir nicht ausreden, dass Anne durch mich leidet, weil sie ihren Gatten untreu glaubt.«

»Sie hat kein Recht, ihm zu zürnen«, sagte Lady Rochefort, »sie treibt es um kein Haar besser mit ihren Verehrern oder Buhlen. Was gilt es, in diesem Augenblick entschädigt sie sich durch eine süße Gesellschaft für die verlorene Liebe eines ungetreuen Gemahls.«

»Gesellschaft?«, sagte Jane erstaunt. »Nicht doch, Ihr irrt Euch, sie wollte zu Bett gehen!«

Lady Rochefort lachte spöttisch und teuflisch! »Auch möglich, dann wird einer der Erwählten, Lord Norris, Smeaton, Lord Rochefort oder sonst jemand den freiwilligen Kammerdiener dabei machen.«

»Pfui, Lady Rochefort!«, sagte Jane mit Ab scheu, »wie könnt Ihr so schlecht von der tugendsamen Frau reden und noch dazu Euren eigenen Gemahl anklagen, ihren Bruder.«

»Was tut es!«, war die kalte, finstere Antwort, »eine Schwester ist auch ein Weib, in die man sich verlieben kann. Nun, ich kann schweigen zu dem, was mich nichts angeht, aber merkt wohl auf meine Worte, Jane: Gehen erst, und vielleicht bald, dem König die Augen auf und sieht er klar, dann Gnade ihr und ihren Buhlen! Doch wir sind an Ort und Stelle, Der kleine Pfad rechts, längs der Mauer, führt uns zu den sogenannten drei Eichen. Im Pavillon treffen wir den König.«

»Ach! Mir ist bange«, sagte Jane, »ich kehre wieder um.«

»Narrheiten«, sagte Lady Rochefort und packte das Mädchen am Arm. »Warum fürchtet Ihr einen so gütigen, lieben Mann, der Euch gewogen ist. Bedenkt, diese gute Gelegenheit bietet sich Euch so bald nicht wieder. Fasst Mut und tragt Eure Bitte herzhaft vor. Er wird Euch nichts abschlagen.«

»Wenn man uns beisammen träfe?«

»Dafür ist gesorgt. Seine Majestät besitzen einen Schlüssel, ich den anderen, somit kann niemand ohne meine Erlaubnis in den Pavillon eintreten.«

»Aber Ihr bleibt doch bei mir?«, fragte Jane ängstlich, »Ihr habt es mir fest versprochen, ich fürchte mich vor ihm, und vor dem Vater, wenn es bekannt würde.«

»Still! Wir könnten von Lustwandelnden überrascht werden«, flüsterte Lady Rochefort, »nun schnell ins Gebüsch, durch die kleine hintere Pforte treten wir ein.«

»Dort kommen Leute, ein Liebespaar«, sagte Jane erschrocken.

»Hinein mit Euch! Rasch, ich schließe sogleich ab, dann sind wir ganz sicher.«

Jane gehorchte und trat in das Häuschen, das aus zwei Stübchen bestand.