Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Gold Band 3 – Kapitel 6.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 3
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 6.2

Wilder Lärm dicht vor dem Zelt störte sie empor. Als sich alle erschreckt dorthin wendeten, warf Hale plötzlich und ohne weitere Umstände die Leinwand zurück.

»Tut mir leid, wenn ich störe, Ladies«, sagte er dabei, »aber die Sache lässt sich nun einmal nicht ändern. Squire, wir bringen einen Burschen, den wir in dringendem Verdacht haben, dass er den armen Teufel Johns erschlagen und beraubt hat. Hier Sir, tretet einmal vor, und wenn …«

»Charles!«, stieß da die Frau in fast gellendem Schrei hervor und musste sich an der Lehne des nächsten Stuhles halten, um nicht in die Knie zu sinken.

Hetson zuckte bei dem Namen zusammen, als ob ihn eine Kugel getroffen hätte, aber in den nun fast marmorbleichen Zügen zeigte sich nicht die geringste Veränderung. Nur sein kalter dunkler Blick glitt forschend von der Frau hinüber auf den Angeklagten und haftete auf diesem, als ob er das Bild desselben auf ewig in seine Seele saugen wolle.

Auch der Gefangene war bleich, aber er begegnete fest und ernst, ja fast traurig, dem Blick des Richters. Beide Männer standen sich so eine Zeit lang gegenüber.

Eine Anzahl Miner hatte in das Zelt mit ihrer gewöhnlichen Nonchalance nachdringen wollen. Hale wies sie allerdings zurück, konnte aber doch nicht verhindern, dass der eine oder andere den Zelteingang emporhob und einen, wenn auch nur flüchtigen Blick in das Innere zu gewinnen.

Da endlich wandte sich Hetson zu seiner Frau und sagte ernst, aber nicht unfreundlich: »Mein Kind, du wirst einsehen, dass hier in diesem Augenblick kein Platz für Frauen ist. Sei so gut, und ziehe dich mit Manuela zurück.«

»Und hältst du Charles Golway für einen Mörder, Frank? Kannst du nur glauben, dass er dessen fähig wäre?«, fragte aber die Frau, wenn auch mit unterdrückter, jedoch dringend mahnender Stimme.

»Ihm soll Gerechtigkeit widerfahren werden«, sagte aber der Richter kalt. »Ist er wirklich schuldlos, so hat er so wenig von uns zu fürchten, als ob er vor einem Gericht seines eigenen Landes stände. Wäre er aber schuldig, so müsste er Strafe leiden, und hätte ich in ihm meinen eigenen Bruder wiedergefunden.«

Die Frau zögerte noch. Es war, als ob sie sich von der Stelle, auf der sie stand, nicht losreißen könne. Aber sie fühlte auch selbst, dass ihre Gegenwart nicht allein überflüssig sei, ja wohl gar störend wirken könne. Manuelas Hand ergreifend, ohne den Blick noch einmal zurückzuwenden, verließen die beiden Frauen rasch die vordere Zeltabteilung.

»Mr. Hetson«, sagte nun der Gefangene, der ihnen mit dem Blick folgte, bis die Leinwand hinter ihnen niederfiel, »ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, dass unsere Begegnung eine unfreiwillige ist. Ihr eigener Sheriff wäre mein bester Zeuge dafür. Seien Sie aber versichert, dass es mir unendlich leidtut, Ihren Frieden hier, wenn auch nur ganz zufällig, gestört zu haben. Ohne diesen unglückseligen Zufall, ein Zusammentreffen von Umständen, trüge mich jetzt mein Pferd in rascher Flucht dem nächsten Hafen zu.

»Das ist wenigstens verdammt aufrichtig gesprochen«, sagte der mit hereingetretene Cook, »und wird die ganze Geschichte nur vereinfachen. Dass er gern ausgekniffen wäre, kann ich beschwören.«

»Mr. Golway, denn ich glaube dies ist Ihr Name?«, sagte ruhig der Richter, dessen ganzes Wesen eine eiserne Ruhe zeigte. Der Engländer verneigte sich leicht.

»Charles Golway«, sagte er fest.

»Charles«, flüsterte Hetson leise vor sich hin. Aber nur für einen Moment war der Name imstande gewesen, ihn von seinem Ziel abzubringen. Mit vollkommen fester, ruhiger Stimme setzte er gleich darauf hinzu: »Mr. Golway, ich brauche Ihnen nicht zu verhehlen, dass mir nach all dem, ohne unsere Schuld Vorgegangenen, ein solches Zusammentreffen mit Ihnen schmerzhaft ist. Nichtsdestoweniger bin ich als Alkalde dieses Distrikts gezwungen, meine Pflicht zu tun. Sie werden erlauben, dass ich darin dem Geschäftsgang folge.«

Der Gefangene verbeugte sich ruhig und der Alkalde fuhr, gegen Hale gewandt, fort: »Was veranlasste Sie, einen so schweren Verdacht gegen diesen Fremden zu schöpfen, Sheriff, und wer ist sein Ankläger?«

Hale hatte indessen mit einiger Verwunderung die zwischen den beiden gewechselten Worte mit angehört, wenn er auch natürlich ihren Sinn nicht begriff. Jedenfalls mussten sie aber einander von früher schon kennen. Es konnte ihm nicht entgehen, dass sich keiner von ihnen besonders freute, den andern hier zu sehen. Was aber ging das ihn an. Die Frage des Alkalden dagegen war deutlich genug, und der antwortete er denn auch nun ebenso bündig: »Sein Ankläger ist hier James Cook, ein braver und rechtschaffender Farmer aus den Staaten, für dessen Achtbarkeit ich selbst Bürgschaft leiste.«

»Und was haben Sie gegen den Mann zu sagen, Mr. Cook?«

»Einfach das, Squire«, antwortete der Gefragte, »dass ich in seinem Besitz dieses Stück Gold gefunden habe, das ich mit dem kürzlich hier in der Nähe ermordet aufgefundenen Johns in Carltons Flat zusammen ausgegraben und von dem ich weiß, dass es Johns, der arme Teufel, nie im Leben aus seinen Händen gegeben hätte, selbst nicht um den doppelten oder dreifachen Wert, denn er wollte es für seine Mutter aufheben oder ihr schicken.«

»Und wie sind Sie in den Besitz dieses Goldes gekommen, Mr. Golway?«

»Die Frage scheint außerordentlich einfach«, antwortete der Gefangene, »und möchte mir doch schwer werden, zu beantworten. Gehen Sie hier in das Zelt eines Händlers, nehmen Sie seinen Geldbeutel, aus diesem irgendein beliebiges Stück herauszuwählen und fragen den Mann dann um Rechenschaft, von wem er gerade dieses Stück bekommen habe. Mit vollem Recht wird er sagen: Das weiß ich nicht; ich kann nicht jedes einzelne Stück betrachten, das ich auf die Waage lege.«

»Sie sind kein Händler.«

»Nein, aber ich habe in den letzten Tagen, ehe ich meinen früheren Arbeitsplatz verließ, an verschiedene Leute meine Maschine, mein Handwerkszeug, mein Zelt und Bett, ja selbst verschiedene andere Kleinigkeiten verkauft und das verschiedenartigste Geld dafür bekommen. Der Tod jenes Unglücklichen tut mir herzlich leid, ich selbst aber bin unschuldig an seinem Blut, und nur ein Missverständnis konnte diesen Verdacht gegen mich erregen. Allerdings verdenke ich den Leuten nicht, mich deshalb zu Rede gestellt zu haben, aber lassen Sie die Sache jetzt auch damit abgetan sein. Ich bin weder Räuber noch Mörder und wünsche keine Vergünstigung weiter, als eben nur so rasch wie möglich meinen Weg zur nächsten Hafenstadt, nach San Francisco, fortsetzen zu können, mich dort unverzüglich wieder einzuschiffen.«

»Daran zweifle ich gar nicht im Geringsten«, nahm Hale hier das Wort auf, »damit das aber eben nicht geschieht, haben wir Euch einstweilen festgehalten, guter Freund. Cook ist jeden Augenblick bereit zu beschwören, dass dieses Stück Gold dem Ermordeten gehörte und noch vor wenigen Tagen in seinem Besitz war. Bis Ihr uns nicht den Mann gestellt habt, von dem Ihr es bekommen habt, müssen wir Euch eben für den halten, der es ihm abgenommen hat.«

»Es ist auch gerade genug amerikanisches Blut in Kalifornien vergossen worden«, fiel da Cook ein, »Euch Ihr Herren Fremden etwas schärfer auf die Finger zu sehen, als das bis jetzt geschehen ist. Selbst die ehrlichen Leute unter Euch dürfen uns das nicht verdenken. Wo England und ganz Europa seine Zuchthäuser nach Amerika ausleert, haben wir Amerikaner, sollte ich meinen, das Recht, in jedem, der von dort kommt, etwas Ähnliches zu vermuten. An der Nase kann man es niemandem ansehen, wie es mit seinem Herzen steht. Finden sich dann gar noch solche Beweise, dann dächte ich wenigstens, bedürfte es eines anderen Zeugnisses als des bloßen Wortes, einen solchen Vogel wieder fliegen zu lassen.«

»Halten Sie mich einer solchen Tat für fähig, Mr. Hetson?«, fragte da der Gefangene, sich fast unwillig an den Alkalden wendend.

»Meine eigene Meinung, Sir«, erwiderte aber dieser, »kommt hier nicht infrage, ob sie zu Ihren Gunsten oder zum Gegenteil ausfiele. Wir stehen hier auf kalifornischem Boden und unter kalifornischen Gesetzen. Denen müssen wir uns beide fügen. Alles aber, was in meinen Kräften steht, Sie in den zu führenden Beweisen für Ihre Unschuld zu unterstützen, will ich tun, wie das ja auch schon meine Pflicht erheischt. Sagen Sie mir also aufrichtig, was Sie von jenem Stück Gold wissen, und wen Sie zu Ihren Gunsten als Zeugen nennen können.«

»Alle, die für mich zeugen könnten«, antwortete Golway, »sind am Macalome. Sie aber zu nennen, wäre ich nicht imstande, denn von den wenigsten kenne ich selbst nur den Vornamen. Einen, allerdings, traf ich heute Morgen in der Nähe des Paradieses oben in den Hügeln, aber er wollte sich hier nur ganz kurze Zeit aufhalten und ist jedenfalls zu seinem alten Minenplatz zurückgekehrt.«

»Und wie hieß der?«

»Seinen Namen habe ich nie gehört. Ich weiß nur, dass er ein geborener Amerikaner ist.«

»Und Sie sind auch nicht imstande, die Leute genauer zu bezeichnen, von denen Sie Gold für Werkzeug oder andere Sachen bekommen?«

»Wenn ich sie sähe – ja. Einer davon befindet sich sogar hier im Ort, und ich habe mein lahmgewordenes Pferd an ihn verkauft. Von diesem glaube ich auch fest, dass ich das Stück erhalten habe. Ich weiß wenigstens, dass er mir grobkörniges Gold gab, wenn ich auch gerade nicht in der Stimmung war, besonders darauf zu achten. Ich konnte nicht denken, dass es solche Folgen haben würde?«

»Und wissen Sie auch dessen Namen nicht?«

»Nein – wer fragt hier einen anderen nach dem Namen, wenn man einen Handel abschließt? Hätte der Bursche überdies das Gold auf unredliche Weise gewonnen, so würde er jedenfalls leugnen, und ich selbst wäre nicht imstande, meine Aussage zu beschwören.«

»Aber Ihr wisst doch ungefähr, wie er aussieht und wo er arbeitet?«, fragte Hale, der nach diesen so unbestimmt gehaltenen Antworten gar nicht mehr daran zweifelte, den wirklichen Mörder vor sich haben. Nur die Leute wünschte er jetzt aufzufinden, die jener angab, um mit deren Aussagen ihn dann desto sicherer zu überführen.

»Er sah aus wie alle derartige Leute, die hier in den Minen herumhacken«, sagte Golway finster, »und arbeitete drüben gleich an dem Berghang, wo die Büsche noch eine Strecke in das Tal hinablaufen. Ein schmaler Reitpfad führt von dort in dieses Camp, und ganz in der Nähe arbeiten auch mehrere Neger.«

»Oh ich weiß jetzt schon – und Euer Pferd war lahm, sagt Ihr?«

»Ja, es hatte sich an einem trockenen Ast die Haut und das Fleisch des rechten Vorderbeins aufgerissen. Ein braunes Pferd, das linke Hinterbein über den Fesseln weiß und mit einem ebensolchen Stern auf der Stirn.«

»Nun, der ist aufzufinden«, sagte Hale, »So viel lahme Pferde wird es im Paradies nicht geben. Aber wie bekommen wir die Zeugen vom Macalome herüber, wenn Ihr selbst nicht imstande seid, nur die Namen zu nennen?«

»Geben Sie mir jemanden mit hinüber und ich will selbst …«

»Ja, kann ich mir denken«, rief der Sheriff, »jetzt wo der ganze Busch voll von Indianern steckt. Ich weiß nicht einmal, ob wir einen Boten finden würden, der hinüberreiten möchte.«

»Und was könnten die auch helfen«, sagte Cook, »höchstens bezeugen, dass Ihr drüben gearbeitet habt, denn dass Ihr den Platz nicht einmal auf einen halben Tag oder in der Nacht verlassen habt, wird keiner imstande sein, zu beschwören.«

»Und wie bewachen wir den Burschen jetzt?«, fragte Hale. »Lange können wir ihn nicht halten und Gefängnisse haben wir auch nicht.«

»Wir können nichts weiter tun, Mr. Hale«, sagte aber der Alkalde, »als an Ort und Stelle erst den Tatbestand zu konstatieren und die Zeugen zu vernehmen. Halten wir ihn dann für schuldig, so müssen wir ihn an die Distrikts-Court abliefern, die sein Urteil sprechen wird. Mir steht kein Recht zu über Leben oder Tod.«

»Aber der Jury steht es zu«, rief Cook wild dazwischen. »Glaubt Ihr, wir werden den Mörder eines so ehrlichen braven Burschen wie je einer seine Büchse in den amerikanischen Wäldern geführt hatte, den Advokaten nach Golden Gate oder gar nach San Francisco hinüberschicken, dass sie dort nach Gutdünken wieder laufen lassen?«

»Ihr werdet tun, Sir«, sagte der Richter ernst, »was Euch die Gesetze gebieten.«

»Wenn Ihr das glaubt«, gab Cook lachend von sich, »da kennt Ihr die Kalifornier noch nicht. Aber verdammt will ich sein …«

»Ruhig Cook«, unterbrach ihn aber Hale, »die Sache geht jetzt ihren Gang und daran könnt Ihr nichts ändern, ob Ihr den lieben Herrgott oder den Teufel zu Hilfe ruft. Die Hauptsache ist jetzt, den Burschen so zu bewachen, dass er nicht auskneifen kann.«

»Ich werde Euch nicht entfliehen«, sagte der Gefangene ruhig.

»Ja, das ist alles sehr schön«, meinte der Sheriff, »auf die bloße Versicherung hin möchte ich aber gerade nicht bauen. Noch etwas zu sagen, Mr. Hetson?«

»Nein, Ihr sorgt mir dafür, dass dem Gefangenen nichts abgeht …«

»Zu essen und zu trinken soll er haben.«

»Und dass er nicht beleidigt wird …«

»Er ist unter meiner Obhut«, sagte Hale finster, »und bis wir nicht bestimmt wissen, ob er schuldig ist, werde ich ihm die Burschen schon vom Leibe halten.«

»Und wo wollt Ihr ihn bewachen?«

»In meinem eigenen Zelt. Freiwillige Wachen werden sich schon dazu finden.«

»Es ist gut. Noch einmal, Mr. Golway, es tut mir leid, Sie in solcher Lage zu sehen, aber …«

»Tun Sie Ihre Pflicht, Sir«, sagte Golway, »mehr verlange ich von Ihnen nicht.«

»Sonst noch etwas, Squire?«, fragte der Sheriff.

Mr. Hetson schüttelte mit dem Kopf. Die beiden Männer führten den Gefangenen im nächsten Augenblick weg, ihn in des Sheriffs Zelt unter sicherem Gewahrsam zu bringen, bis die Jury zusammengerufen sein würde.