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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 8

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Achtes Kapitel

Die Bisamratte

Unsere nächste Tagesreise wurde durch keinen besonderen Vorfall unterbrochen. Wir hatten den dichten Wald hinter uns gelassen und zogen wieder durch lichteres Eichenholz. Den ganzen Tag lang wurde kein Tier aufgescheucht. Das Einzige, was wir erblickten, war eine Bisamratte, welche in das Wasser eines kleinen Baches ging und entschlüpfte. Dies trug sich an der Stelle zu, wo wir zum Nachtlager haltgemacht hatten. Nachdem die Zelte aufgeschlagen waren, gingen mehrere von der Gesellschaft auf die Rattenjagd. Sie entdeckten den Bau einer Familie dieser merkwürdigen kleinen Tiere in der Uferwand. Es wurde der Versuch gemacht, sie auszugraben, jedoch ohne Erfolg. Es zeigte sich, dass die Familie nicht zu Hause war.

Der Vorfall machte indessen die Bisamratte zum Gegenstand unseres Gespräches. Die Pelzhändler nennen sie Musquat; Bisamratte wird sie genannt wegen ihrer Ähnlichkeit mit der gewöhnlichen Ratte, in Verbindung mit dem Moschus- oder Bisamgeruch, welchen sie aus ein paar Drüsen zwischen den Hinterbeinen von sich gibt. Einige Naturforscher haben wegen der großen Ähnlichkeit, welches dieses Tier mit dem echten Biber hat, den Namen Bisambiber gebraucht. Sie scheinen allerdings zu demselben Geschlecht zu gehören und gleichen einander im Allgemeinen so sehr, dass die Indianer sie Cousins nennen. In der Gestalt weicht die Bisamratte nur wenig vom Biber ab. Sie ist ein dickes, rundliches und breitgedrückt aussehendes Tier mit stumpfer Schnauze und kurzen, fast von den Haaren verdeckten Ohren, steifem Bart wie eine Katze, kurzen Beinen und Hals, kleinen, dunklen Augen und scharfen Krallen an den Füßen. Die Hinterbeine sind länger als die vorderen und mit halben Schwimmhäuten versehen. Die des Bibers haben ganze Schwimmhäute.

In Bezug auf die Schwänze dieser beiden Tiere hat man eine merkwürdige Wahrnehmung gemacht. Dieselben sind bei beiden fast haarlos, mit Schuppen bedeckt und platt. Der Schwanz des Bibers und der Gebrauch, welchen er davon macht, sind Dinge, die jedermann kennt. Wohl ein jeder hat schon von seiner Form, die einer Mauerkelle ähnelt und auch so benutzt wird, von seiner Dicke und Schwere und von seiner Ähnlichkeit mit einer Ballpritsche gelesen. Der Schwanz der Bisamratte ist gleichfalls nackt, mit Schuppen bedeckt und zusammengedrückt oder abgeplattet; aber es ist dies nicht wie bei dem Biber, in der Richtung nach der Breite der Fall, sondern die schmalen Ränder des Bisamrattenschwanzes stehen vertikal oder aufrecht. Außerdem ist er auch nicht kellenförmig, sondern läuft spitz zu wie bei der gewöhnlichen Ratte, wie denn ihre Ähnlichkeit mit der Hausratte so groß ist, dass sie dadurch für das Auge etwas unangenehm und widerlich wird.

Die Bisamratte ist mit Einschluss des Schwanzes ungefähr zwanzig Zoll lang und ihr Körper ungefähr halb so groß wie der des Bibers. Sie besitzt eine merkwürdige Fähigkeit, denselben zusammenzupressen, sodass er nur die Hälfte seines natürlichen Umfanges einnimmt, was sie befähigt, durch Spalten zu schlüpfen, durch welche ein Tier von viel geringerem Umfang nicht kriechen könnte. Die Farbe der Bisamratte ist oben rötlichbraun und unten hellaschfarbig. Es gibt jedoch Ausnahmen. Man hat ganz schwarze, als auch gesprenkelte und rein weiße gefunden. Der Pelz ist weicher dichter Flaum und dem des Bibers ähnlich, aber nicht ganz so fein. Es finden sich darin lange steife, rote Haare, welche über den Pelz hervorragen, und diese sind auch einzeln über den Schwanz verstreut.

Die Gewohnheiten der Bisamratte sind nicht minder merkwürdig wie die ihres Vetters, des Bibers, wenn man von der Geschichte so manche Übertreibung abzieht. Erstere zeigt sogar im gezähmten Zustand viel mehr Verstand als Letzterer.

Sie ist, wie der Biber, ein Wassertier und findet sich also nur, wo es Wasser gibt, niemals in trockenen Gegenden. Ihr Vorkommen erstreckt sich über den ganzen nordamerikanischen Kontinent, wo nur irgend Gras wächst und Wasser rinnt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie auch den südlichen Kontinent bewohnt, aber die Naturgeschichte jener Gegenden ist nur erst halb bekannt.

Im Gegensatz zum Biber wird das Geschlecht der Bisamratte nicht sobald vertilgt werden. Der Biber findet sich jetzt in Amerika nur noch in den abgelegensten Gegenden der unbewohnten Wildnis; die Bisamratte dagegen wird noch in den Ansiedlungen angetroffen. Es gibt kaum einen Bach, Teich oder Fluss, an deren Ufern nicht eine oder mehrere Familien ihren Aufenthalt hätten. Das Männchen unterscheidet sich nur wenig von dem Weibchen, obgleich es etwas größer und besser behaart ist.

Zum Frühlingsanfang beginnt für dasselbe die Zeit der Paarung. Das Männchen wählt sich eine Gattin, und es wird ein Bau in das Ufer eines Flusses oder Teiches, gewöhnlich an einer einsamen und sicheren Stelle unter den Wurzeln eines Baumes und stets in einer solchen Lage gemacht, dass das steigende Wasser das darin angelegte Lager nicht erreichen kann. Der Eingang zu diesem Bau befindet sich häufig unter dem Wasser, sodass es schwer ist, ihn zu entdecken. Das Nest darin ist ein Lager aus Moos oder weichem Gras. Hier bringt das Weibchen fünf bis sechs Junge zur Welt, welche es mit großer Sorgfalt nährt und zu seinen eigenen Gewohnheiten erzieht. Das Männchen beteiligt sich nicht an ihrer Erziehung, sondern entfernt sich während dieser Zeit und wandert allein umher. Im Herbst sind die Jungen beinahe vollkommen ausgewachsen und imstande, für sich selbst zu sorgen. Nun vereinigt sich das Männchen wieder mit der Familie, und alle zusammen machen sich an die Einrichtung der Winterquartiere. Sie verlassen ihren Geburtsort und bauen sich eine andere Art Wohnung. Am liebsten wählen sie zu ihrem neuen Haus einen Sumpf, der nicht so leicht ausfriert, und wenn ein Bach durch denselben läuft, so ist es umso besser. An diesem Bach oder oft auf einem Inselchen in der Mitte errichten sie ein kuppelartiges Gebäude, das innen hohl und dem Haus des Bibers sehr ähnlich ist. Sie benutzen hierzu Gras und Schlamm, welcher Letztere vom Grund des Sumpfes oder Baches heraufgeholt wird. Der Eingang zu dieser Wohnung ist unterirdisch und besteht aus einem oder mehreren unter dem Wasser einmündenden Gängen. An Tagen, wo Gefahr der Überschwemmung vorhanden ist, wird der Fußboden des Innern erhöht, und sie bauen häufig Terrassen, um sich einen trockenen Platz zu sichern, im Fall der eigentliche Fußboden überschwemmt werden sollte. Der Ein- und Ausgang bleibt natürlich zu allen Zeiten frei, um das Tier in den Stand zu setzen, seiner Nahrung nachzugehen, welche aus Pflanzen besteht, die ganz in der Nähe im Wasser wachsen.

Wenn das Haus fertig und kaltes Wetter eingetreten ist, so zieht die ganze Familie, Eltern und alle, ein und bleibt dort den Winter hindurch. Im Frühjahr verlässt sie die Wohnung und kehrt nie wieder zu derselben zurück. Während die Tierchen so untergebracht sind, fehlt es ihnen im Winter, selbst beim kältesten Wetter, nie an Wärme. Ihre eigene Körperwärme würde, wie sie daliegen, nämlich zusammengedrängt und oftmals übereinander, dazu schon ausreichen, außerdem sind aber auch die Schlammmauern ihrer Wohnung einen Fuß und noch darüber dick, sodass weder Frost noch Regen hindurchdringen kann.

Nun ist in Bezug auf die Wohnungen dieser Tiere ein merkwürdiger Umstand bemerkt worden:

In südlichen Ländern, zum Beispiel in Louisiana, frieren nämlich die Sümpfe und Flüsse im Winter nicht zu. Dort baut die Bisamratte keine Häuser wie die beschriebenen, sondern begnügt sich das ganze Jahr hindurch mit ihrem Bau im Ufer. Sie kann unbehindert hinausgehen und ihre Nahrung in jeder Jahreszeit suchen.

Im Norden ist es anders. Dort sind die Flüsse monatelang mit dickem Eis überzogen. Die Bisamratte könnte entweder nur unter dem Eis oder über demselben herauskommen. Im letzteren Fall würde der Eingang ihrer Höhle sie verraten und die Menschen mit ihren Fallen und Hunden, oder andere Feinde könnten ihr leicht beikommen. Selbst wenn sie noch einen Wassereingang hätte, durch welchen sie im Fall eines Eindringens in ihren Bau entfliehen könnte, würde sie doch aus Mangel an Luft ersticken. Obwohl sie wie der Biber und der Otter ein amphibisches Tier ist, so kann sie doch nicht ganz unter dem Wasser leben und muss von Zeit zu Zeit herauskommen, um Luft zu schöpfen. Der laufende Bach gewährt ihr im Winter vielleicht nicht ihr Lieblingsfutter – die Wurzeln und Stängel der Wasserpflanzen. Diese gewährt ihr der Sumpf in befriedigendem Maß und außerdem Sicherheit gegen die Angriffe der Menschen und Raubtiere, wie zum Beispiel der Wölfe und auch der sie jagenden Fischer. Außerdem kann ihre Wohnung von den menschlichen Jägern nicht so leicht erreicht werden, außer wenn das Eis sehr dick und stark wird. Dann kommt allerdings für die Bisamratte die Zeit der Gefahr, aber selbst dann hat sie ihre Schlupflöcher zum Entfliehen.

Wie genau richtet sich dieses Geschöpf also nach seiner geographischen Lage? Im hohen Norden, in den kalten Gegenden der Hudsons-Bay frieren Seen, Flüsse und selbst Quellen im Winter zu. Die seichten Marschen werden zu festem Eis und frieren bis auf den Grund aus. Wie soll die Bisamratte dort unter das Wasser gelangen? Dies stellt sie folgendermaßen an:

Sobald auf tiefen Seen das Eis stark genug wird, um ihre Last zu tragen, macht sie ein Loch in dasselbe und baut über diesem ihre gewölbeartige Wohnung auf, indem sie die Materialien vom Grund des Sees durch das Loch heraufbringt. Das so gebaute Haus sitzt weithin sichtbar auf dem Eis. Der Eingang ist im Boden, durch das Loch, welches schon gemacht worden ist, und wird die ganze Frostzeit über durch die Sorgfalt und Wachsamkeit der Bewohner und dadurch offengehalten, dass sie beständig aus- und eingehen, um ihre Nahrung, die Wasserpflanzen des Sees, zu suchen.

Diese eigentümliche Bauart der Wohnung der Bisamratte mit ihrem Wassereingang bietet alle Mittel zur Flucht vor ihren gewöhnlichen Feinden, den Raubtieren, und vielleicht hat ihr die Natur gelehrt, sich nur gegen diese vorzusehen. Aber trotz aller ihrer Schlauheit wird sie natürlich durch den größeren Scharfsinn ihres größten Feindes, des Menschen, überlistet.

Die Nahrung der Bisamratte ist verschiedenartig. Sie liebt die Wurzeln mehrerer Wasserlilienarten, aber ihre Lieblingsnahrung ist die Kalmuswurzel. Es ist bekannt, dass sie auch Schalentiere verzehren, und man findet oft Haufen von Schalen der Süßwassermuscheln in der Nähe ihres Zufluchtsortes.

Die Bisamratte lässt sich leicht zähmen und wird zutraulich und gelehrig. Sie ist sehr verständig und liebkost die Hand ihres Herrn mit Vergnügen. Die Indianer und die kanadischen Ansiedler haben sie oft als Schoßtiere in ihren Häusern. Aber ihr Aussehen gleicht so sehr dem der Ratten und sie verbreiten im Frühjahr einen so unangenehmen Geruch, dass dies ihr allgemeines Beliebtwerden verhindert. Sie sind schwer einzusperren und nagen sich in einer einzigen Nacht einen Weg aus einer Kiste aus Tannenholz. Ihr Fleisch wird, obwohl es etwas moschusartig schmeckt, von den Indianern und weißen Jägern gegessen, wie denn dieses Völkchen fast alles isst, was lebt, atmet und sich regt. Viele Kanadier genießen das Fleisch jedoch gern.

Die Bisamratte wird nicht ihres Fleisches wegen so eifrig gejagt, sondern mehr ihres Pelzes wegen. Dieser steht fast dem Biberpelz gleich und wird mit einem Preis bezahlt, der die Indianer und weißen Trapper für die Mühseligkeit bei dessen Erlegung entschädigt. Er wird außerdem zu Boas und Mützen verarbeitet, da er dem Fell des Waldmarders oder amerikanischen Zobels einigermaßen ähnlich ist und sogar wegen seiner Billigkeit zuweilen für Letzteren ausgegeben wird. Er ist einer der stehenden Handelsartikel der Hudsons-Bay-Gesellschaft, und es werden jährlich Tausende von Bisamrattenfellen verkauft. Wenn das Tier nicht so fruchtbar und schwer zu fangen wäre, so würde sein Geschlecht tatsächlich bald vertilgt sein.

Die Art ihres Fanges ist von der Biberjagd verschieden. Die Bisamratte wird oft in Fallen gefangen, welche für den Letzteren gestellt sind; aber ein solcher Fang wird als ein Unglück betrachtet, da die Falle zu ihrem eigentlichen Zweck untauglich bleibt, bis sie nicht wieder herausgenommen und gesäubert ist. Manchmal wird sie zur Unterhaltung mit Hunden gejagt, wie die Ottern, und aus ihrer Höhle gegraben; aber die schwere Arbeit bei dem Aufwühlen ihrer tiefen Wohnung wird durch das Vergnügen nicht aufgewogen. Der Jagdliebhaber kommt oft zum Schuss auf die Bisamratte, während er am Ufer in der Nähe ihrer Wohnung vorübergeht, verfehlt aber beinahe ebenso oft sein Ziel. Das Tier ist zu schnell für ihn und taucht augenblicklich unter, sobald es den Pulverblitz sieht. Wenn es einmal in das Wasser gelangt ist, so wird es natürlich nicht wieder gesehen.

Viele Indianerstämme hegen die Bisamratte sowohl ihres Fleisches als auch ihres Felles wegen. Sie haben eigentümliche Arten, sie zu fangen, und der Naturforscher gab einen Bericht davon. Ein Winter, welchen er in einem Fort in der Nachbarschaft einer Niederlassung von Ojibwe zugebracht hatte, gewährte ihm die Gelegenheit, diese Jagd in aller Vollständigkeit mit anzusehen.