Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 48

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

48. Wie Rübezahl einen lieblosen ungefälligen und zugleich schmutzigen Menschen bestraft.

Die nun folgende sehr schlechte Geschichte hat dem Kräuterklauber nicht der alte Bumban, sondern ein junger Mensch – rückwärts gerechnet – ein gewisser Prätorius schriftlich erzählt, aber nach damaliger alter deutscher Art etwas zu grob. Der Kräuterklauber erzählt sie also selbst nicht gern, so verblümt er es auch gibt, und wollte, er hätte sie schon erzählt. Ungeschehen kann er sie aber einmal nicht machen; also heraus muss sie.

Aber der günstige Leser wird gebeten, damit er sich nicht etwa dabei vor Erstaunen und Ärger überschlage, lieber die ganze Geschichte zu überschlagen, und somit verschweigt sie ihm der Kräuterklauber.

»Nach dem gemeinen Gerücht sollen es größtenteils«, sagte, wie der Kräuterklauber für gewiss gehört hatte, ein alter Skribent, »alle Wurzelmänner, Chymici und Edelsteinsucher des Gebirges notwendig mit dem Rübezahl halten und ihn für einen Präzeptoren erkennen müssen, insofern sie seiner Güte leben, des besessenen Schatzes Nutzen haben und was Tüchtiges und Nützliches davon bringen wollen.«

Das beherzigte auch in alter Zeit ein Mann mit Namen Krebs und versuchte, mit Rübezahl bekannt zu werden. Es gelang ihm, denn er bekam von ihm allerhand Seltenheiten und Mittel gegen mancherlei Übel. Bald sagten die Leute, er könne alle Seuchen kurieren und prophezeien, was jedem Menschen und sogar der ganzen Welt etwa noch bevorstehe. Das war nun ganz gut. Dass er aber dabei ungefällig und grob, und zwar sehr grob und ungezogen war, das war nicht gut.

Gar oftmals trug es sich zu, dass Leute in ihrer Not zu ihm kamen oder schickten und seine Hilfe erbaten. Wenn es ihm aber nicht beliebte, so konnten sie ihm noch so viel Geld bieten oder ihm noch so sehr etwa mit Herr Doktor oder Herr Apotheker oder dergleichen titulieren, er blieb doch unerbittlich und gleich grob und ungezogen.

Kamen eines Tages auch ein paar Herren zu ihm, trugen ihm vor, wie ihr Vater an einer Krankheit leide, die niemand kurieren könne, und wie er nur auf ihn noch seine Hoffnung setze; baten ihn also dringend, sich des Kranken anzunehmen.

Der Mann hörte sie verdrießlich an und sagte ihnen dann sehr barsch, sie sollten nur wieder gehen, er könne nicht allen Leuten gleich aufsitzen.

Die Herren erschraken, wollten aber doch nicht gleich es aufgeben, ihn durch freundliche Worte etwa noch zu gewinnen.

»Herr Apotheker«, der Kräuterklauber schreibt es in seiner Art deutsch nach dem Klang »Abdecker«, und denkt, die Schreibart sei richtig von wegen der 100 bis 1000 p. C. usw., »Herr Aptheker«, sagte der eine, »es wird doch nicht Euer Ernst sein, denn Ihr seid ja ein Mensch und ein Christ, und Gott hat Euch ja einmal die Kenntnisse zum Segen der Menschheit verliehen. Kommt und helft unserem armen Vater. Gott wird es Euch wieder lohnen, und reichlich wird Euch auch von uns vergolten werden, was Ihr tut.«

Da drehte sich der ungeschliffene Mann herum und zeigte mit der Hand auf einen gewissen Teil seines Körpers. Der war gerade nicht faul und äußerte sich da auf eine sehr empfindliche und gemeine Weise.

»Herr Bruder«, sagt der eine der Herren zum anderen mit Würde, indem ihm das Blut ins Gesicht schoss, »du siehst, hier ist für uns nichts zu machen. Komm, lass uns gehen.«

Damit nahmen sie ernst Abschied, wandten sich traurig und unwillig zugleich um und verließen des Wunderdoktors Haus. Draußen vor dem Haus aber brach der eine das Stillschweigen und ließ seinen Unwillen laut werden.

«Sollte man sich solche Gemeinheit denken?«, sprach er, »der Mann hat uns schwer beleidigt, und das werde ich ihm nie vergessen.«

»Ja, das ist wahr«, sagte der andere, »so ungezogen ist mir noch kein Mensch erschienen. Aber er hat Talent und pfeift sehr kunstfertig, und kann es bei etwas mehr Übung noch sehr weit in der Welt bringen.«

Darin gab ihm der Erste recht und meinte nur noch, er habe übrigens, wie es scheine, ein sehr dauerhaftes Instrument, wenn auch ein wenig verstimmt.

Das sei, entgegnete der andere, nicht zu verwundern, da der Stimmhammer wahrscheinlich zur rechten Zeit nicht darauf angewendet worden. Überhaupt gäben die Leute heutzutage auf diesen Teil zu wenig und behandelten ihn mit einer gewissen Geringschätzung, während in älteren Zeiten die Leute immer zu viel darauf gegeben hätten, und das sei auch ein Fehler.

Überdies, setzte der Erste hinzu, komme ihm der Doktor vor wie eine wahre lebendige Polyglotte und könne sich überall verständlich machen, selbst den Tauben, aber nur auf eine verkehrte Art. Wenn er sich jedoch da äußere, so verstünden es alle Menschen, es möge nun sein in Fegebeutel oder in Ägypten, in Fauljupe oder in China, und selbst unter den Rothäuten und Samojeden, sie wüssten gleich, wo er hinauswolle.

So redeten sie denn eins ins andere auf dem Weg und bemerken den Wanderer gar nicht, der ihnen zur Seite ging, bis er sie ansprach. Ein Wort gab nun das andere, und bald erfuhr der Wanderer des Wunderdoktors Benehmen.

»Das sollst du mir büßen«, sagte er bloß und bat die Herren, mit ihm umzukehren. »Denn«, sagt er, »auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Und was euren Vater anlangt, so wird ihm geholfen werden, verlasst euch auf mich.«

Sie kehrten also auf dem nämlichen Weg wieder zurück bis zum Wunderdoktor.

Wie sie nun vor ihn hintraten, Rübezahl an der Spitze und wieder mit Federhut und Schwert und im spanischen Mantel, so veränderte sich der Doktor auf der Stelle. Seine Nase wurde immer länger, bis sie endlich einen förmlichen Rüssel bildete. Rübezahl aber trat finster auf ihn zu und sagte: »Nehmt vor der Hand vorlieb mit dieser Lehre und merkt: Wem Gaben verliehen sind, der hat sie nur zum Glück seiner Nebenmenschen und muss sich ihrer wert machen.«

Es war zwar nicht viel, was er sagte, aber damit doch viel gesagt.