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Romantruhe-Western Band 33

C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 33
Falsches Spiel am Rio Blanco

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Dezember 2018, 68 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Pojular
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:

Jäh zerriss das Krachen eines Schusses die friedliche Stille an dem kleinen Wasserloch.

Die Kugel zischte scheinbar aus dem Nichts heran und bohrte sich keine Handbreit vor Marshal Crown mit einem hässlichen Klatschen in den Boden. Während sein Pferd sich verschreckt aufbäumte, reagierte der Sternträger sofort.

Blitzschnell ließ er sich aus dem Sattel fallen. Der Aufprall auf dem felsigen Boden war hart und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Aber Crown biss die Zähne zusammen, rollte zur Seite, um nicht von den wirbelnden Hufen seines vor Angst halb ver­rückten Pferdes getroffen zu werden, und brachte sich hinter ei­nem kantigen Felsquader in Sicherheit …

Leseprobe

»Los, verschwinde wieder von hier oder ich ziele das nächste Mal etwas genauer.«

Die Stimme überschlug sich förmlich vor Nervosität und Crown konnte ihrem schrillen Klang deutlich entnehmen, dass der unbekannte Schütze im Begriff war, beim geringsten Anlass durchzudrehen. Ein solcher Mann mit einem schussbereiten Ge­wehr in den Händen war in diesem Teil von Texas ein lebensge­fährliches Risiko. Deshalb beeilte er sich auch rasch mit seiner Antwort.

»Hör auf, hier herumzuballern. Ich will ja gar nichts von dir.«

Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als der unbekannte Schütze erneut seine Waffe repetierte und feuerte. Das tödliche Projektil fuhr so dicht neben Crown über den Boden, dass eine Wolke aus Dreck und Staub vor seinen Augen aufwirbelte und ihm für Se­kunden jegliche Sicht nahm.

Fluchend zog er den Kopf ein.

»Jetzt hör endlich mit der verdammten Schießerei auf!«, schrie Crown wütend. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nichts von dir will, mich interessiert hier nur diese Quelle. Mein Was­sersack ist leer, verstehst du? Mein Pferd und ich wollen nur et­was zum Trinken.«

Dabei starrte er gierig auf die kleine Quelle, die irgendwo tief in den Bergen ihren Ursprung hatte und deren köstliches, frisches Wasser in dieser sonnenverbrannten Einöde bereits nach wenigen Schritten wieder im ausgetrockneten Boden versickerte. Während er sich mit der Zunge über die rissigen Lippen leckte, verwünschte er in Gedanken seinen Entschluss, auf dem Heim­weg nach Rath City ausgerechnet diese Abkürzung durch das Felsenlabyrinth der Cap Rocks gewählt zu haben.

Die Zeugenaussage in einem Prozess gegen illegale Waffen­händler hatte ihn in das fast einhundert Meilen entfernte Fort Elliott geführt. Eigentlich war das Ganze ein Fall für Texas Ranger Ben Fletcher, der in dieser Sache die Ermittlung geleitet hatte, aber die hinterhältig abgefeuerte Kugel eines der Comancheros hatte den Ranger mit einem dick eingebundenen Oberschenkel für mehrere Wochen ans Bett gefesselt. Da Jim Crown bei der Verhaftung der Waffenhändler eine tragende Rolle gespielt hat­te, fiel schließlich die Wahl auf ihn, als Zeuge der Anklage im Fort zu erscheinen.

Bevor er den Entschluss über die Wahl seines Nachhauseweges ein weiteres Mal verfluchen konnte, ertönte erneut die Stimme des unbekannten Schützen.

»Lüg mich nicht an, du elender Hund. Ich habe mir zwar eine Kugel von euch gelb gestreiften Kojoten eingefangen, aber ich bin immer noch in der Lage, dich und deine sauberen Freunde da draußen mit meinem Gewehr in die Hölle zu schicken.«

So langsam stieg kalte Wut in Jim Crown auf, wobei er sich nicht sicher war, was ihn mehr ärgerte. Die Tatsache, dass er sich bei dem Sturz vom Pferd seine maßgeschneiderte Hose am Knie aufgescheuert hatte oder der Umstand, dass er trotz der mörderischen Hitze nicht an die zum Greifen nahe Wasserstelle herankam.

Im Laufe seiner Jahre als Marshal von Rath City hatte Jim Crown seine Sinne immer mehr auf die schönen Dinge des Le­bens ausgerichtet, auf gutes Essen, einen edlen Tropfen und vor allem auf elegante Kleidung. Manche Leute bezeichneten ihn deshalb sogar als Stutzer oder Dandy, aber aufgrund seiner Fähigkeiten im Umgang mit dem Navy hatte ihm das bisher noch niemand offen ins Gesicht gesagt. Jetzt war seine Hose, aus bes­tem englischem Tuch und so teuer, dass ein durchschnittlicher Cowboy dafür beinahe einen Monatslohn berappen musste, verdreckt und am Knie zerrissen. Eine Tatsache, angesichts der er sich wirklich beherrschen musste, um nicht doch, der tödlichen Gefahr zum Trotz, zum Wasserloch hinüberzurennen und diesen schießwütigen Unbekannten das Blei seines Navy Colts schme­cken zu lassen.

»Jetzt hör mir mal gut zu, du Schwachkopf! Ich weiß nichts von irgendwelchen Freunden hier draußen, die angeblich auf dein Fell scharf sind. Abgesehen davon ist mir das Ganze im Moment auch ziemlich egal. Verdammt, ich brate hier in der Sonne wie ein Stück Fleisch am Spieß. Ich will nichts anderes als einen Schluck Wasser für mich und mein Pferd. Geht das endlich in deinen dummen Schädel hinein?«

»Hä, hä, hä«, lachte der Unbekannte meckernd. »Du kannst mir viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Los, zeig dich, ich will dich und dein Pferd genau sehen. Dann überlege ich es mir vielleicht, ob ich dich an das Wasserloch lasse.«

Jim zögerte nur einen Moment, dann tauchte er geduckt hinter dem Felsen auf. Er wusste genau wie der Unbekannte, dass er ohne Wasser in diesem wüstenähnlichen Teil der Cap Rocks so gut wie verloren war. Er legte die Rechte um den elfenbeinfar­benen Griff seines Colts und blieb abwartend neben dem Felsen stehen. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, dass sein Pferd neben ihm immer noch nervös schnaubte und dabei die Ohren aufstellte.

Gab es hier etwa noch mehr Überraschungen?

Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, tauchte auch schon der Schütze vom Wasserloch auf.

Er war klein und er war alt.

Ein vertrocknetes, dürres Männchen mit einem verfilzten brau­nen Bart, der bis auf eine riesige Knollennase und zwei dunklen Knopfaugen fast sein ganzes Gesicht bedeckte. Trotz der heißen Junisonne trug er einen knöchellangen, viel zu weiten Staubmantel und ein flaschengrünes Baumwollhemd. Im Hosenbund sei­ner groben Stoffhose steckte ein blitzendes, gefährlich ausse­hendes Handbeil und Crown zweifelte keine Sekunde daran, dass der seltsame Alte auch mit dieser Waffe umzugehen verstand.

Einen Moment lang standen sich die beiden ungleichen Männer stumm im gleißenden Licht der Sonne gegenüber. Schließlich war es Crown, der als Erster wieder die Initiative ergriff. Kalt­blütig ging er auf den Bärtigen zu, ganz so wie ein Mann, der nicht zum ersten Mal vor der Mündung einer Schusswaffe stand. Zunächst einmal musste er erfahren, was hier eigentlich vor sich ging, dann erst konnte er handeln.

Dabei würde ihm der Alte kaum Probleme bereiten. Es war of­fensichtlich, dass der Mann schwer verletzt und am Ende seiner Kräfte war. Obwohl sie noch mehr als zehn Schritte voneinander trennten, konnte Jim trotz der dichten Bartpracht seines Gegen­übers deutlich erkennen, dass dessen Gesicht vor Schmerz ver­zerrt war. Er hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen, und während er mit dem Gewehr in seiner Rechten auf ihn zielte, presste er die andere Hand unentwegt auf seine linke Seite. Schweiß stand auf der Stirn und sein angespanntes Gesicht verlieh ihm den Ausdruck eines verwundeten und in die Enge ge­triebenen Tieres.

»Kann ich dir helfen?«, fragte Jim vorsichtig. »So wie es aus­sieht, scheint es dich ziemlich übel erwischt zu haben.«

Als Antwort begann der Alte wieder wie ein verrückt geworde­ner Ziegenbock zu lachen.

»Hä, hä, hä, willst dich wohl bei mir einschmeicheln, was? Vergiss es, ich kenne deine Sorte nur zu gut, auch wenn ich dich hier in der Gegend noch nie gesehen habe. Und ich lebe schon verdammt lange in diesen Bergen, das kannst du mir glauben.«

Bevor sich Crown einen Reim auf das seltsame Gestammel des Alten machen konnte, krachten erneut Schüsse und an der klei­nen Wasserstelle war plötzlich der Teufel los. Schreie gellten, Gewehrfeuer hämmerte durch den Morgen und überall hinter den umliegenden Felsen tauchten jetzt bewaffnete Männer auf, die brüllend und schießend auf die Wasserstelle zu rannten.

Und auf Jim Crown!

Mehrere Geschosse fauchten gefährlich nahe an seinem Kopf vorbei und zwangen ihn in die Knie, während sein Pferd mit ei­nem schrillen Wiehern endgültig das Weite suchte. Fluchend rappelte sich der Marshal in der nachfolgenden kurzen Feuer­pause wieder auf und rannte mit weit ausgreifenden Schritten auf die Wasserstelle und den verrückten Alten zu. Sofort begann die Schießerei wieder von Neuem, die heißen Kugeln der Angreifer schwirrten dabei wie wild gewordene Bienen um ihn herum. Mit einem wahren Panthersatz brachte er sich schließlich hinter ei­nem der umliegenden Felsen in Sicherheit.

Bevor sich Crown den Kopf über das plötzliche Auftauchen der Männer zerbrechen konnte, riss ihn die heisere Stimme des Alten jäh aus seinen Gedanken.

»Willkommen in der Hölle, mein Name ist übrigens Matthew Colter.«

Dabei kicherte er erneut wie ein Verrückter, hob das Gewehr an die knochige Schulter und feuerte. Einer der Angreifer, ein klei­ner, gedrungener Bursche mit einem wagenradgroßen Sombrero auf dem Kopf, bekam das Geschoss mitten in die Brust. Er blieb unvermittelt stehen, breitete beide Arme aus, als wollte er flie­gen, und kippte dann einfach nach hinten weg. Sein Blut zeich­nete ein hässliches Muster auf den Boden, während seine Ge­fährten wieder hastig in Deckung gingen.

»Hä, hä«, lachte Matthew Colter meckernd, als die Männer an­schließend das Wasserloch wütend mit ihren Kugeln eindeckten. »Kommt nur her, ihr feigen Hunde! Ich habe noch jede Menge Blei übrig.«

Der Marshal schüttelte nur den Kopf.

Die Schießerei war inzwischen wieder genauso abrupt zu Ende gegangen, wie sie begonnen hatte, und deshalb wagte er es, sich kurz hinter seiner Deckung aufzurichten, um das umliegende Gelände zu sondieren.

Ein kurzer Blick genügte, um ihn erkennen zu lassen, dass sie hier in einer regelrechten Mausefalle saßen.

Die Wasserstelle, umgeben von einer Handvoll sonnenver­brannter Büsche und Sträucher und einigen umher liegenden Fel­sen, bot auf die Dauer keinen wirklichen Schutz vor den Angrei­fern. Sie saßen hier wie auf dem Präsentierteller, und wenn die Bande gleichzeitig von mehreren Seiten kam, waren ihre Chan­cen zu überleben nicht größer als die eines Schneeballs auf einer glühenden Herdplatte.

»Wir sitzen hier wie die Anfänger in der Falle und ich kann mich nicht einmal richtig dagegen wehren«, sagte er über die Schulter hinweg zu Colter. Dabei ließ er das umliegende Land keinen Moment lang aus den Augen.

»Mein Gewehr hängt am Sattel meines Pferdes und das haben die Halunken in der Zwischenzeit sicherlich eingefangen.«

Dann drehte er sich kurz um und deutete auf das schroffe Fels­massiv in ihrem Rücken.

»Wir müssen schleunigst da hoch. Wenn wir hierbleiben, sind wir verloren, wir haben nur noch eine Chance, ihnen zu entkommen, wenn wir in den Bergen sind.«

Der Alte schüttelte seinen faltigen Schädel. »Vergiss es, ich habe in meinen Manteltaschen noch mindestens fünfzig Schuss für mein Baby hier.« Dabei fuhr seine Hand beinahe zärtlich über die Kolbenplatte seiner Sharps-Flinte. »Das reicht für mich völlig aus, also bring du dich lieber in Sicherheit. Ich gebe dir Deckung.«

»Das kommt überhaupt nicht infrage«, widersprach Crown energisch. »Ich habe noch nie jemanden im Stich gelassen, selbst einen sturen, alten Ziegenbock wie dich nicht, obwohl du mir den Zugang zu einer freien Wasserstelle verwehrt hast.«

Matthew lächelte müde. »Lass gut sein, Junge. Aber jetzt hau endlich ab, solange du es noch kannst. Für mich ist hier nämlich tatsächlich Schluss.«

Matthew Colter war in der Tat am Ende. Mit seinen letzten Worten taumelte er auf einen der Felsen zu und versuchte sich dort abzustützen. Stattdessen aber sank er langsam zu Boden.