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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 27

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Alle Mann an Bord

Jack und Elena standen auf dem Deckaufbau der Swallow und schauten auf die Männer herab, die an Deck die letzten Vorbereitungen für die Abfahrt trafen. Mit den ersten Strahlen der Morgensonne wollten sie den Hafen von Port Royal verlassen und in südlicher Richtung ihr Glück suchen. Das Ziel, das Jack und Elena sich ausgesucht hatten, die spanische Schatzflotte, war bereits vor drei Tagen aus Maracaibo in See gestochen. Schatzschiffe, beladen mit dem Silber aus den Minen Maracaibos, verließen regelmäßig den Hafen der wohl mit reichsten Stadt Neuspaniens. Aber nur einmal im Jahr segelte die Schatzflotte die Küste entlang, bis sie schließlich auf hohe See ging und nach Spanien übersetzte. Auf ihrem Weg hielt sie in jedem größeren Hafen der spanisch besetzten Küste. Die Flotte bestand aus mehreren Kriegsschiffen, die den Schatzschiffen, die beladen waren mit allerlei Schätzen, den jährlichen Berichten des Comte und den Tributen der Einheimischen, Geleit gaben. Auf See war es unmöglich, diese Flotte zu besiegen. Also musste eine List her, um das Wunder zu vollbringen. Jack und Elena hatten lange an ihrem Plan gefeilt und schließlich waren beide überzeugt, dass er gelingen würde. Selbst Joe hatte sich inzwischen der Meinung der beiden angeschlossen, auch wenn er anfangs gegen das Unterfangen gewesen war. Elena seufzte leise, als sie die Sonne in der Ferne versinken sah.

»Morgen ist es endlich so weit«, murmelte sie halblaut vor sich hin.

Jack sah sie einen Moment lang von der Seite an. Dann wandte er den Blick wieder auf das Deck.

»Wie seid Ihr eigentlich auf diese Idee gekommen? Immerhin seid Ihr Spanierin von Geburt. Und Euer Vater war ein Vertrauter einiger Gouverneure.«

Elena stieß ein beinahe verächtliches kurzes Lachen aus.

»Und was hat es ihm eingebracht?«, fragte sie mit gefährlich leiser Stimme. »Er ist tot, getötet von einem Mann, der sich im Dienst eines spanischen Piratenjägers befand. Eines Mannes, der seiner Crew erlaubt hatte, mich zu vergewaltigen und zu töten, wenn Eure Männer mich nicht davor bewahrt hätten. Spanier, wie ich. Eine feine Gesellschaft.«

»Eure jetzige ist, mit Verlaub, auch nicht viel besser, Elena.«

»Wollt Ihr mich überzeugen, hier zu bleiben? Vergesst es. Ich werde Euch begleiten und werde meine Rache genießen. Jeden Augenblick davon.«

Jack hatte in den letzten Tagen schon einige Male versucht, Elena dazu zu bewegen, in Port Royal zu bleiben. Aber die junge Frau, die mittlerweile gekleidet war wie ein Mann und deren Befehle an Bord der Jungfrau von Cartagena schon genauso normal waren wie früher die laute Stimme ihres Vaters, hatte sich geweigert, von Bord zu gehen. Auch wenn es Jack nicht passte, ihm war klar, dass er es ihr schuldete, ihren Willen zu respektieren. Denn auch wenn Elena es ihn nicht spüren ließ, er war nicht ganz unschuldig am Tod ihres Vaters. Immerhin hatte er den spanischen Kaufmann erst in die Situation gebracht, die er schließlich nicht überlebt hatte.

Jack atmete tief durch, versucht die wieder einmal aufsteigenden Gewissensbisse einfach herunterzuschlucken. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um Entscheidungen aus der Vergangenheit anzuzweifeln. Ihr Augenmerk musste dem gelten, was vor ihnen lag. Ansonsten konnte ihr ohnehin gewagter Plan nicht gelingen.

Joe kam die Stufen zum Deckaufbau hinauf und stellte sich neben Jack an das Geländer.

»Wir sind bald mit der Beladung fertig. Dann werde ich den Männern die Order geben, sich noch einmal hinzulegen. Wir müssen morgen früh alle Kräfte beieinanderhaben.«

»Mach das. Und ab morgen ist dein Platz auf der Jungfrau von Cartagena

»Ich weiß, Kapitän. Auch wenn mich der Gedanke wenig begeistert.«

»Mich übrigens ebenso wenig«, fügte Elena leise hinzu.

»Das Thema hatten wir bereits. Ich möchte, dass Joe Euch an Bord der Jungfrau behilflich ist.«

»Ich brauche keinen Aufpasser«, brummte Elena ungehalten.

»Und ich bin nicht gern unerwünscht.«

Jack hob beide Hände in die Höhe.

»Mein letztes Wort ist gesprochen. Ich kann die neuen Crewmitglieder der Jungfrau noch nicht ausreichend einschätzen. Wenn wir in Curacao angekommen sind und Joe und Ihr, Elena, seid sicher, dass die Männer Euch ausreichend respektieren und dass keine Meuterei droht, dann können wir darüber reden. Bis dahin wird Joe Erster Maat der Jungfrau. Euer bisheriger Erster Maat kommt solange an Bord der Swallow

Joe und Elena antworteten mit eisigem Schweigen. Jack warf seiner jungen Begleiterin einen kurzen Blick zu. Dann fragte er: »Haben wir uns in dieser Angelegenheit verstanden?«

»Ja Kapitän«, erwiderte Elena tonlos. Jack nickte. Er ließ nur ungern den Befehlshaber Elena gegenüber hervorblitzen. Aber in manchen Momenten war es eben seiner Meinung nach unerlässlich. Jack kannte das Verhältnis eines normalen Seeräubers zu einer Frau. In der Regel waren Frauen für diese Männer nicht mehr als einfache Objekte, die man, wann immer man wollte, für das eigene Vergnügen benutzen konnte. Dem Befehl einer Frau zu folgen war für viele von ihnen schier undenkbar. Die Männer, die schon zuvor auf der Jungfrau von Cartagena gedient hatten, stellten keine Gefahr für Elena dar. Aber zur Mannschaft der Jungfrau gehörten auch zwölf neue Männer, die sie erst hier in Port Royal angeheuert hatten. Diese Männer galt es im Griff zu behalten. Jack betrachtete noch einmal den Hafen von Port Royal. Es würde eine Weile dauern, bis sie wieder ankommen würden. Und wenn ihr Plan nicht aufging, würden sie die Stadt wahrscheinlich nie wiedersehen. Es galt Abschied zu nehmen. Als der Kapitän eine Gestalt sah, die sich am Kai entlang auf die Planke zubewegte, die auf die Swallow führte, wurde er stutzig. Dieser Gang, die Kleidung des Fremden, sein ganzes Aussehen … Irgendetwas an ihm kam Jack bekannt vor. Als der Fremde das Schiff fast erreicht hatte, erkannte Jack auch, was es war. Und mit einem Male machte sich die alte Zuversicht in ihm breit. Als der Fremde einen der Männer ansprach, die mit der Beladung der Swallow beschäftigt waren, glitt ein Lächeln über die Züge des jungen Kapitäns. Leise murmelte er: »Dann sind wir wohl endlich vollzählig.«

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters