Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern … Teil 36
Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern, Zauberern und Gaunern
Dem Ende des philosophischen Jahrhunderts gewidmet
Adam Friedrich Böhme, Leipzig, 1796
Kuren durch Schönpflästerchen
Ein Wunderdoktor fand sich in Hachenburg ein. Kaum war seine Ankunft ruchbar geworden, so suchten viele seinen Rat und befolgten seine Anweisungen. Man sah auf einmal viele Personen, die ihre Gesichter mit Pflästerchen belegt hatten. Kurzsichtige hielten dieselben anfänglich für Schmutzflecken, andere glaubten, die ehemaligen Schönpflästerchen stünden wieder auf der Modeliste. Endlich entdeckte es sich, dass unser Wunderdoktor dies bewirkt habe. Bei den Pflaster, welche nämlich bei ihm waren , handelte es sich, wenn man so sagen kann, um eine Universalarznei. Wo er sie anwenden konnte, taten sie Wunder. Es eilten daher Blinde, Lahme, Buckelige, kurz, Menschen mit allerlei Seuchen und Gebrechen behaftet, aus der ganzen Gegend zu ihm hin und verließen ihn mit einem tüchtigen Pflaster auf dem schadhaften Teil versehen. Natürlicherweise musste die Polizei auf diesen Menschen aufmerksam werden. Da man aber bei näherer Untersuchung fand, dass er sich bloß mit kleinen äußerlichen Kuren abgäbe und diese mit einem unschädlichen Pflaster zu betreiben suche, so ließ man ihm einstweilen sein Spiel so hingehen. Als er sich aber endlich mit innerlichen Kuren befasste, so wurde ihm anbefohlen, schleunigst die Stadt zu verlassen.
Auf diesen Befehl kamen nun seine Patienten mit einer untertänigen Vorstellung ein und baten, dass man ihnen den Doktor doch wenigstens so lange lassen möchte, bis die Zeit, binnen welcher er sie zu heilen versprochen habe, verflossen sei. Die auch gegen die Torheiten und Schwachheiten des Volkes tolerante Regierung erlaubte dieses, zumal da man gefunden hatte, dass er sich zu seinen Kuren besonders des Provenceröls und anderer unschädlicher Sachen bediente, die er aus der Apotheke nahm, mit dem Zusatz aber, dass er, wenn diese Zeit verflossen sei, ohne Anstand die Stadt verlassen müsse. Er hatte sich nämlich anheischig gemacht, alle seine Kranken binnen vier Wochen zu heilen. Diese Zeit verstrich und die Kranken blieben so krank wie vorher.
Die Regierung ließ ihn nun mit einigen Husaren an die Grenze bringen. Allein der Wundermann schlug nun in Lochum, einem eine Stunde von Hachenburg gelegenen Dorf seine Bude auf, wo die betrogenen Leute nach wie vor zu ihm hinströmten. Ja, er trieb seine Frechheit so weit, dass er von da aus Krankenbesuche in Hachenburg abstattete. Um nun diesem Unfug zu steuern, erließ die Hachenburger Regierung, weil das Dorf zur Hälfte nassauisch ist, ein Requisitionsschreiben deshalb nach Dillenburg, welches die Wirkung hatte, dass alsbald einige Husaren von dort her nach Lochum befehligt wurden, um diesen Menschen mit Zuziehung einiger Hachenburger Husaren an die Grenze zu bringen. Dies geschah.
Unser Doktor ließ sich nun in Wulferlingen, einem anderen Hachenburgischen Dorf nieder, wo er noch immer den ehemaligen Zulauf hatte, und sogar mehrmals, um seine Kranken zu besuchen, nach Hachenburg kam. Denn obwohl der Befehl gegeben war, ihn, wenn er sich in die Stadt begeben würde, festzuhalten. So wusste er es doch allemal so zu machen, dass man seiner nie habhaft werden konnte. Auf Anstalten der Regierung, diesen Menschen wieder zu vertreiben, kamen die Einwohner von W. bittschriftlich ein. Aber es half nichts, er musste fort. Nun begab er sich in die Gegend von Neuwied, setzte aber immer noch seine Besuche in H. fort, indem er stets mit veränderter Kleidung und verändertem Aufzug, bald zu Fuß und bald zu Pferd, bald als Werber und bald als Jäger sich einzuschleichen wusste.
Endlich aber war man so glücklich, sich seiner schätzbaren Person zu bemächtigen, wiewohl erst nach einigem geleisteten Widerstand, wo er mit Stockschlägen zum Doktor nachdrücklich eingeweiht wurde. Von dieser Zeit an hat man nichts weiter von ihm gehört.