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Die Gespenster – Zweiter Teil – Neunundvierzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Neunundvierzigste Erzählung

Der Teufel verjagt aus einer Halberstädter Kirche die Diebe.

Im Jahre 1711 oder 1712 wurde im Braunschweiger Amt I… eine gerichtliche Untersuchung wegen einer eingefangenen Diebesbande angestellt. Einige Zeit nachher hatte man in der Kirche zu N…, einem von A…schen Dorf1, im Fürstentum Halberstadt, einen Teil eines Fensters ausgehoben, den Schrank, worin die Kirchengeräte aufbewahrt wurden, aufgebrochen und diese an einem ungewöhnlichen Ort zusammengepackt gefunden und daraus auf einen gewaltsamen Einbruch geschlossen. Der dortige Gerichtshalter wurde dadurch veranlasst, die Gerichte in I… zu bitten, die Diebe zu befragen, ob sie nicht vor einiger Zeit die Absicht gehabt hätten, die Kirche zu N… zu berauben.

Dies geschah. Die Diebe, die schon mehrere Einbrüche eingestanden hatten, gestanden den beabsichtigten Diebstahl in N…, beteuerten aber, dass sie nichts aus der Kirche entwendet hätten. Auf die Frage, was sie daran gehindert habe, antworteten sie mit allen Zeichen des Schreckens: der Teufel, der ihnen leibhaftig in der Kirche erschienen sei.

Frage: »Aber wie konntet ihr den Teufel sehen?«

Antwort: »Da gerade heller Mondschein einen Teil der Kirche erleuchtete, so konnten wir ihn deutlich sehen. Er jagte uns einen solchen Schrecken ein, wie uns noch nicht vorgekommen war, so, dass wir alle schworen, in unserem Leben nie wieder in eine Kirche einzubrechen.«

Frage: »Wie sah denn der Teufel aus?«

Antwort: »Er hatte große, feurige Augen, ein ganz raues Gesicht und ungeheure Hörner auf dem Kopf. Auch bemerkten wir ganz deutlich eine feuerrote Halsbinde, sein lichtbraunes Kleid und statt der Hand eine Klaue. Die Füße konnten wir nicht sehen, weil der Teufel hinter dem Geländer des Chors vor der Orgel stand und über dasselbe in die Kirche herabsah. Übrigens machte er einen gewaltigen Lärm. Bald drohte er zu uns herabzukommen, bald läutete er, als ob zehn Klingelbeutel in der Kirche herumgetragen würden. Wir wollten seine Herabkunft nicht abwarten, sondern ließen alles stehen und liegen und liefen davon.«

Diese Aussage bestätigten alle Diebe, die beim Einbruch zugegen gewesen waren. Das tausendzüngige Gerücht verbreitete die Nachricht davon in der ganzen Gegend mit wunderseltsamen Vergrößerungen und Vermehrungen. In kurzer Zeit wurde es eine allgemeine Volkssage, dass der Teufel wirklich in N… erschienen sei und den Kirchenraub verhindert habe. Viele inzwischen, die sich klüger dünkten als das Volk, zweifelten an der ganzen Geschichte und schrieben die Erzählung ausgelernter List zu, die Ausflüchte sucht. Andere hielten die ganze Aussage für Wirkung einer verwirrten Fantasie.

Und doch hatten die Diebe wirklich etwas gesehen und nach ihrer Aussage sogar richtig gesehen, nur falsch gedeutet.

Der damalige Gutsbesitzer in N…, ein leidenschaftlicher Liebhaber der Jagd, hatte auf seinem Hof zu seinem Vergnügen einen Achtender. Da dieser zahm und verschnitten war, so ging er am Tage und in der Nacht überall frei umher, auch in dem Dorf. Alte und Junge in demselben machten sich eine Freude daraus, ihn zu füttern. Nun hatte man ihm, um seine Annäherung zu melden, ein rotes Halsband mit Schellen umgebunden. An die menschliche Gesellschaft gewöhnt, besuchte er alle die Orte, wo er Menschen vermutete; so auch die Kirche, aus welcher man ihn mehrmals während des Gottesdienstes wegbringen musste. Dieser Hirsch nun war in der Nacht, als die Diebe sich unten in der Kirche befanden, durch die offenstehende Turmtür, welche, wie sich bei angestellter Untersuchung ergab, des Nachts aus Nachlässigkeit zuweilen unverschlossen geblieben war, auf die Orgel und auf das Chor gekommen, hatte, da er Menschen witterte, sich bis an das Geländer vorgedrängt, mit dem Kopf und den Klauen mancherlei Versuche gemacht, sich ihnen zu nähern und auf die Art die Räuber verjagt.

Show 1 footnote

  1. Herr Konrektor Nachtigall zu Halberstadt hat die Namen der Orte nur deswegen nicht ausgeschrieben, um nicht zu beantwortende Fragen zu verhüten, da das gerichtliche Protokoll über diesen sonderbaren Vorfall verloren gegangen ist. Die Geschichte selbst ist übrigens keinem Zweifel ausgesetzt.