Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sir Henry Morgan – Der Bukanier 26

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Beschreibung der Nuss, welche Bradley zu knacken abgeschickt wurde. Schwierigkeit und Gefahr der Operation. Ein indianischer Pfeil in eine Feuerwaffe umgewandelt. Die Nuss ist geknackt und der Kern gewonnen.

Das Kastell, gegen welches Bradley abgeschickt worden war, wurde von den Spaniern San Lorenzo genannt, obwohl es der ganzen übrigen Welt als Chagre bekannt war. Es beherrschten die Mündung des Chagre River und lag ein wenig seewärts von der Stadt gleichen Namens. Auf dem Gipfel eines hohen Berges gebaut, war es von allen Seiten mit hohen Palisaden umgeben, deren Zwischenräume mit Erde ausgefüllt worden waren, sodass die Umzäunung so stark war wie die besten Stein- und Ziegelmauern.

Der Berggipfel hatte zwei Abteilungen, zwischen denen sich ein 30 Fuß tiefer Graben hinzog. Die Veste selbst war nur mit einem einzigen Zugang versehen, welche durch eine Zugbrücke über den Graben vermittelt wurde. Auf der Landseite zeigten sich vier Basteien, gegen den See hin aber nur zwei. Auf der Südseite war das Fort wegen des schroffen, senkrechten Gebirges völlig unzugänglich. Nördlich verlieh der tiefe, breite Fluss Schutz.

Am Fuß des Kastells befanden sich ein Ford mit acht Kanonen, welche den Fluss bestreichen konnten. Auf der einen Seite des Berges standen zwei große Magazine, mit Munition und Kaufmanns waren gefüllt, welche sicherheitshalber aus dem Inneren des Landes herbeigeführt worden waren. In der Nähe dieser Vorratshäuser waren viele Stufen in das massive Gestein gehauen, auf denen man zum Kastell immer hinab steigt hinaufsteigen konnte. Außerdem waren noch zwei andere Batterien mit je sechs Kanonen am Ufer des Flusses aufgestellt der Platz schien daher völlig unüberwindlich zu sein.

Ein wenig westlich von diesen Befestigungen lag ein kleiner Hafen mit sehr gutem und Blankogrund für Schiffe vor nicht allzu großer Wassertracht. Außer den Gefahren, welche einem Angreifer so augenfällig entgegentreten mussten, war auch noch eine andere, fast unsichtbare in einem an der Flussmündung versenkten Felsens vorhanden, welcher nur zu Zeiten der tiefsten Elbe an die Oberfläche des Wassers heraufstieg.

Bradley hatte sich mit seiner Abteilung kaum blicken lassen, als die Spanier schon aus allen ihren Festungswerken ein rasches Feuer auf seine Schiffe eröffneten, obwohl er noch weit außer Schussweite stand. Ohne Zweifel taten sie dies in der Absicht, ihn zu zeigen, was sie zu leisten imstande waren, wenn er näherkäme. Er schenkte jedoch diesen Wink nur wenig Aufmerksamkeit, sondern an Karte ganz ruhig in einer kleinen Bucht ungefähr 1 Meile vom fort, in welcher er die ganze Nacht über ruhig liegen blieb.

Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch ließ Bradley unter der Anweisung von Führern seine Truppen durch das Dickicht und pfadlose Unterholz marschieren, bis er den Kastell gegenüber anlangte. Sie fanden dort den Grund eine Achtelmeile weit vollkommen abgelichtet, unter ihren Füßen aber einen Boden, der aus einer einzigen Schlammmasse bestand.

Sie mussten sich nun ungedeckt Bahn brechen. Die Artillerie des Kastells spielte unablässig auf sie und brachte ihnen großen Verlust bei.

Sie mussten haltmachen. Der ehrliche Owen sah sich nun in einer sehr verdrießlichen Lage. Ihm gegenüber befanden sich die hohen Palisaden, hinter denen ein tiefer Graben lag. All dies musste zurückgelegt werden, ehe er an die Mauern des Kastells kommen konnte, welche er noch obendrein ohne Leitern zu ersteigen hatte. Der Versuch eines Sturmes unter solchen Umständen sah wie heller Wahnsinn aus. Er würde sich gern zurückgezogen haben, wenn er sich nicht geschämt hätte. Bereits herrschte unter seinen Leuten Murren und Verwirrung. Sie verlangten, zurückgeführt zu werden. Viele wurden, während sie ihren Befehlshaber Vorstellungen machten, im Augenblick des Sprechens erschossen.

»Es nützt nichts«, rief Bradley. »Besser unter den Mauern zu sterben, als dem Admiral Morgana entgegenzutreten, um ihn geschlagene Memmen zu zeigen. Folgt mir und tut, was ihr mich tun seht!«

Sie beantworteten diesen Aufruf mit einem echt englischen Hurra und rückten, den Säbel in der einen und Feuerbälle in der anderen Hand, unter den furchtbarsten Schießen gegen die Palisaden vor. Als sie an die Spanier herankamen, welche die Angreifer in aller Ruhe niederstreckten, begannen die Feinde sie mit allen möglichen Schimpfreden zu überhäufen, indem sie ihnen zugleich erklärte, dass weder sie noch ihre nachfolgenden Kameraden je Panama erreichen würden. Die Engländer gaben hierauf keine andere Antwort, als dass sie jeden Spanier niederschossen, der sich für einen Moment blicken ließ.

Bradley machte mit seinen Leuten mehrere Versuche, die Palisaden zu erklettern. Diese waren jedoch viel zu hoch. Sie sahen sich nach vielem Verlust genötigt, erschöpft den Rückzug anzutreten. Mit einem Wort, sie wurden völlig zurückgeschlagen und machten keinen weiteren Versuch vor Einbruch der Dunkelheit. Nachdem sie sich, so gut es gehen wollte, ausgeruht hatten, kehrten sie gegen acht Uhr zum Angriff zurück, denn Bradley gedachte, die Palisaden unter dem Schutz der Dunkelheit einzureißen.

Während die eine Hälfte der Engländer mit dieser Arbeit beschäftigt war, feuerte die andere in die Schießscharten der Kastelle. Da flog aus dem Fort ein Pfeil heraus und durchbohrte den Leib eines der Schützen. Der Mann wusste, dass die Wunde tödlich war, denn die Spitze der Waffe, welche in seinen Rücken eingedrungen war, ragte um einige Zoll aus seiner Brust hervor. Dennoch zog er mit großer Ruhe den Pfeil vorwärts und durch seine Brust, umwickelte ihn an dem gefiederten Ende mit Baumwolle, damit er in seiner Muskete passe, stieß ihn auf das Pulver hinab und schoss ihn zum Fort zurück. Das Pulver entzündete die Baumwolle und der Pfeil blieb im dürren Palmenlaub eines Daches im Fort stecken. Alsbald folgte nun eine große Feuersbrunst. Der arme verwundete Musketier hatte noch die Freude, die Veste seiner Feinde in heller Lohe zu sehen, und sank dann in demselben Augenblick, als eine krachende Explosion das Auffliegen eines Pulvermagazins verkündete, in Bradleys Arme.

Das plötzliche Feuer setzte die Spanier in große Bestürzung, da sie sich den Grund dazu durchaus nicht erklären konnten. Sie argwöhnten Verrat in ihrer Mitte, wodurch die Verwirrung noch erhöht wurde. Indessen strengte sie sich doch aufs Äußerste an, um über die Flammen Herr zu werden, die übrigens aus Mangel an ausreichendem Wasser schnell immer weiter und weiter griffen.

Während ihrer Aufmerksamkeit so abgelenkt war, gelang es den Angreifern, die Palisaden in Brand zu stecken. Die Spanier gerieten in noch größeren Schrecken, als sie die Flammen nicht nur in ihrem eigenen Quartier, sondern auch allmählich im Kreis um sie her sich ausbreiten sahen.

Während sich das Holzwerk der Palisaden verzehrte, fiel die Erde, welche die Zwischenräume ausfüllte, in den Graben und bot so an manchen Stellen einen guten Übergangspunkt. Die Angreifer säumten nicht, hiervon Nutzen zu ziehen, und standen bald in der ersten Einzäunung des Forts mit den Spaniern im Handgemenge.

Der Kampf war verzweifelt, denn lange dachte kein Teil daran, Pardon zu geben oder zu nehmen. Jeder stand und focht seinem Mann gegenüber, bis einer oder beide fielen. eine wahre Schlachtbankwut hatte jeder Brust entzündet. Sie fochten nicht länger um Ehre oder Sieg, sondern nur, um ihren wilden Blutdurst zu stillen. In diesem schrecklichen Gemetzel hatten die Engländer einen unermesslichen Vorteil, denn alle waren alte, erfahrene Streiter, welche jede Parade und Finte kannten, und wohl wussten, wie sie am nachdrücklichen treffen mussten.

Dieser furchtbare Kampf fand teilweise in den halb gefüllten Gräben, teilweise auf der Plattform statt, auf welche die brennenden Häuser und Magazine lagen. Der rote Schein des Feuers verbreitete allenthalben eine schreckliche Helle. Auf diejenigen der Angreifer, welche sich noch unten im Graben befanden, wurden reichlich Töpfe mit brennendem Material ausgeleert, welches den erstickenden Gestank verbreitete und sich als die verheerendste Waffe auswies.

Ungeachtet des entschlossenen Widerstandes vonseiten der Spanier waren doch gegen Mitternacht alle Palisaden niedergebrannt, der Graben ganz ausgefüllt und der Grund bis zu den noch unbeschädigten Kastellmauern völlig eben. Die Flammen der hinten brennenden Häuser beleuchteten die Schießscharten so stark, dass jeder, der nur einen Teil seines Leibes an den Mauern blicken ließ, durch die nie irrenden Kugeln der Belagerer niedergeschossen wurde. Letztere waren auf Händen und Knien herangekrochen und befanden sich dicht unter den Festungswerken und sogar in Berührung mit den Mauern, welche sie zu nehmen versuchten.

So bildete das Gefecht bis zum Tagesanbruch eine fortgesetzte Reihe von Einzelkämpfen, in welchem die Musketiere je ihr todbringendes Ziel nahmen. Als die Sonne glorreich über den grässlichen Schauplatz des Gemetzels aufging, entdecken die Engländer, dass sie noch ein sehr schwieriges Werk zu erfüllen hatten, ehe sie sich zum Meister des Platzes machen konnten. Die Flammen hatten sich bis ins Innere des Kastells erstreckt und näherten sich langsam an allem, was ihnen Brennbares in den Weg kam. Auf Befehl des Gouverneurs waren jedoch sämtliche Kanonen zu jenen Teilen geschafft worden, welche den Übergang über den Graben beherrschten, wie er auch das strenge Gebot ergehen lassen hatte, dass jedermann auf seinem Posten sterben solle.

Bradley hatte drei sehr schwere Wunden erhalten – eine durch die Kugel einer Arkebuse und zwei durch die Pfeile der Indianer. Zwei von seinen Leuten trugen abwechselnd den kampfunfähigen Führer auf ihrer Schulter von Ort zu Ort. Es gebrach ihm an Mitteln, eine Bresche in das Kastell zu schießen. Die Tore waren viel zu stark, um aufgebrochen werden zu können. Er bemerkte dies wohl, war aber entschlossen, lieber mit seinen Leuten unter den Mauern zu sterben, als vom Unternehmen abzustehen, und teilte daher seine Streitkraft in zwei Teile. Der eine Haufen hatte die Weisung, jeden Spanier niederzuschließen, der sich zeigen oder den Versuch machen würde, die Kanonen auf den Wellen zu laden, der andere aber sollte Holz aller Art, die Bruchstücke der halb verbrannten Häuser und Erde sammeln, um damit am niedrigsten Teil des Forts, wo sich der spanische Gouverneur mit fünfundzwanzig seiner besten Soldaten verschanzt hatte, einen Hügel aufzuwerfen.

Um Mittag am zweiten Tag dieses scharf bestrittene und ununterbrochenen Kampfes stürzten die Engländer den Schutthaufen hinauf und trafen den Gouverneur auf der Mauer. Obwohl bereits viele tapfere Taten verrichtet worden waren, erreichten sie doch an dieser Stelle ihren Höhepunkt. Die Spanier fielen auf den Posten, an welchen sie ihr Führer aufgestellt hatte, und die Engländer brachen sich über ihre Leichen Bahn in das Innere des Platzes. Diejenigen Spanier, welche die Ehre versagt blieb, den blutroten Pfad mit ihren Leichen zu pflastern, schleppten sich mit den Kräfteüberresten, den ihnen ihre Wunden gelassen hatte, zur anderen Seite des Kastells und sprangen von den Mauern herunter. Ihre Körper hüpften von Spitze zu Spitze den schrecklichen Absturz hinab, bis sie unten vom Meer aufgenommen wurden.

Der Gouverneur selbst zog sich mit den Corps de garde in das Kastell zurück, vor welchen er zwei Kanonen aufgestellt hatte, um den Kampf bis aufs Letzte fortzuführen und die Feinde ihre Eroberung teuer bezahlen zu lassen. Er beantwortete jedes Erbieten von Pardon mit dem wilden Versuch, um sich zu schlagen, bis ihm endlich eine Musketenkugel durch das Gehirn geschossen wurde. Nun hörte plötzlich aller weiterer Widerstand auf.

Die Sieger hatten nun Muße, um sich zu schauen und die Verwüstung, welche sie angerichtet hatten, zu betrachten. Mit Ausnahme des Wachhauses war das Fort eine einzige Masse schwarzer blutgefleckter Trümmer. Von den 323 Soldaten, welche noch vor 48 Stunden in blühender Gesundheit ihren Feinden lachend trotz geboten hatten, ließen sich nur noch 30 lebend auffinden, von denen bloß acht nicht verwundet waren. Die Offiziere hatten samt und sonders den Tod gefunden. Acht von den Spaniern waren entweder desertiert oder vom Kommandeur nach Panama geschickt worden, um dem Präsidenten Don Guzman den Einfall zu melden.

Die Engländer hatten im verzweifelten Angriff 119 Mann, darunter einen Captain und einen Lieutenant verloren. Weitere 76 waren verwundet – unter diesen auch der arme Bradley und zwei Lieutenants. Aber auch den Verwundeten war meist nur noch eine kurze Lebensfrist erstreckt.

Die Eroberer benutzten ihren Sieg gut, denn sie zwangen die Gefangenen, alles, was sie vom Plan ihrer Landsleute wussten, aufzudecken. Bradley erfuhr nun, dass Morgans Idee einer Überraschung auf ganz falschen Voraussetzungen beruhte, denn der Präsident von Panama hatte schon vor drei Wochen ausführliche Nachricht über die Streitkräfte der Engländer und ihre Absichten gegen ihn erhalten. Auch waren ihm die Angaben durch einen Deserteur von Admiral Colliers la Hacha-Expedition bekräftigt worden. Auf diese Mitteilung hin hatte der Präsident die Garnison von Chagre verdoppelt und mit Kriegsbedarf aller Art versehen lassen. Man lebte der zuversichtlichen Überzeugung, dass das Fort uneinnehmbar sei, und hatte auch allen Grund dafür. Dennoch fiel es vor einer kleinen Streitkraft, welche aller Artillerie entbehrte. Niemand kann behaupten, dass es nicht aufs Tapferste verteidigt wurde. Aber wer vermochte, Zufälligkeiten und den Engländern zu widerstehen?

Es darf uns nicht überraschen, wenn die Tropen, während der tapfere edelherzige Josef Bradley sich unter dem Schmerz seiner schlecht verbundenen Wunden krümmte, die gewöhnlichen Ausschweifungen und Barbareien begingen, die den Siegern zu einem Teil ihres Wesens geworden waren. Sie ließen die wenigen überlebenden Gefangenen ihre eigenen Toten über den Absturz in die See werfen und zwangen sie, die gefallenen Engländer in anständiger Weise zu beerdigen. Die Verwundeten schlossen sie sodann, mit Ausnahme der Offiziere, nebst sämtlichen Frauen, die sie in der Stadt unten finden konnten, in die Kirche ein. So wurde das heilige Gebäude mit einem Mal zu einem Hospital und Tummelplatz gemeiner Unzucht umgewandelt. Die Schmerzensrufe der Verwundeten und das Ächzen der Sterbenden mischten sich schauderhaft in Gotteslästerung der Wollust und in den tobenden Lärm betrunkener Schlemmerei. Aber wenige dieser Elenden entgingen der Rache einer schrecklichen Vergeltung.

Die Kundn dieser wichtigen Eroberung wurde schleunigst dem Admiral Morgan überbracht, der sich unverweilt anschickte, mit dem Rest seiner Flotte die Insel St. Katharina zu verlassen. Aber ehe er abzog, schiffte er alles, was zur Nahrung benutzt werden konnte, ein und entblößte dadurch den Ort so vollständig, dass von dem Übrigbleibenden nicht einmal ein Hund hätte erhalten werden können.

Dann zerstörte unser Held sämtliche Gebäude und Forts, das einzige Kastell von St. Theresa ausgenommen. Das Ordonanzgeschütz warf er an Plätzen in die See, wo es von denen, welche in das Geheimnis eingeweiht waren, leicht wiedergewonnen werden konnte. Er tat dies, um die Insel umso leichter aufs Neue wieder zu erobern, im Fall die Spanier während seiner Abwesenheit davon Besitz nähmen, denn er hatte sich noch immer fest vorgenommen, den Ort gegen die ganze Welt zu behaupten, im Falle er wegen des beabsichtigten Feldzuges von seinem eigenen Land geächtet.

Nachdem er so die Insel gänzlich entvölkert hatte, nahm er sämtliche Gefangene an Bord, zog ab und erreichte nach einer achttägigen Fahrt am 2. Januar 1671 die Mündung des Flusses Chagre.