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Oberhessisches Sagenbuch Teil 26

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Weiße Frau im alten Keller

Bei Mauswinkel und Wettges in der Mitte, wo jetzt nichts als Hutweide ist, heißt man es die Dietrichsburg und am alten Keller. Es soll dort ein altes Schloss gestanden haben, dessen Reichtümer von einer weißen Frau bewacht werden. Vom Mauswinkel ging einmal ein Mann dort vorüber, um die Essenszeit, und sah die weiße Frau sitzen mit einem Strickstrumpf in der Hand. Sie bat ihn, um Mitternacht doch ja zu ihr zu kommen, denn es sei jetzt gelegene Zeit zu ihrer Erlösung. Er werde sie dann in Gestalt einer Schlange erblicken, aber er brauche sich nichts Böses zu besorgen, denn sie begehre nichts von ihm, als nur dreimal ihr die Hand zu reichen. Dafür wolle sie ihm alle Schätze des Kellers geben und ihn für sein Leben glücklich machen. Der Mann jedoch schlug ihr alles rund herum ab und ging ohne Erbarmen davon. Was weiter aus ihr geworden ist, weiß man nicht.


Die weiße Frau im Lindenberg bei Bobenhausen

Linker Hand vom Wege, wo man von Bobenhausen niedersteigt nach Höckersdorf, liegt der Lindenberg. Auf ihm hat ehedem ein Raubschloss gestanden, welches aber mit all seinen Schätzen verschwunden und für immer in den Berg versunken ist. Eine Vertiefung darin heißt die Mulle. Daraus geht die Schlüsselmagd des Schlosses hervor, welche die verwünschten Reichtümer zu bewachen hat und gerne erlöst wäre. Sie erscheint als eine weiße Frau und geht meist zur Herbstzeit um, kurz vor der Dämmerung.

Ein Bobenhäuser Mann war in Höckersdorf gewesen und ging eben bei wundervollem Mondschein wieder heimwärts. Als er auf die Wiesen unter dem Lindenberg kam, sah er eine weiße Gestalt langsam ihm entgegenschweben. Sein Herz dachte an nichts Überirdisches. Er ging ganz furchtlos seinen Pfad weiter, bis die Erscheinung vor ihm stand. Die Frau sprach kein Wort, sondern hielt ihm mit der Hand ein Gebund Schlüssel entgegen, als ob er sie nehmen sollte.

Da fing er denn an, seine Augen aufzutun und betrachtete sich die Unbekannte von unten nach oben. Füße konnte er gar nicht gewahr werden. Es hatte den Anschein, als ob sie in einem Nebel auf dem Boden stünden. Die Kleider waren wie ein Mantel um den Leib geschlagen und weiß, wie frisch gefallener Schnee. Auf dem Kopf trug sie einen großen, breiten, ebenfalls weißen Hut, der das Gesicht bedeckte.

Als ihr der Mann nun da hineinsah, schauten ihn zwei furchtbar große und hohle Augen unverwandt an, dass ihm, obwohl er kein Enggeherzter war, doch der Angstschweiß ausbrach und er mit einem Schrei und raschen Seitensprung sich über die Bach flüchtete. Als er drüben war, sah er nichts mehr. Die weiße Frau war fort, aber in der Luft hörte er noch eine Weile heftig wehklagen und weinen.

Nicht lange danach erschien dieselbe weiße Frau drei Burschen auf eben dieser Wiese. Sie ging ihnen nach und reichte flehend die Schlüssel dar. Aber die liefen Hals über Kopf nach Bobenhausen und wollten in ihrer Todesangst nichts von ihr wissen.