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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schinderhannes – Zehntes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Zehntes Kapitel

Schinderhannes ist bald links, bald rechts vom Rhein.

Nun ging es immer hinüber und wieder herüber und stets wurde der Aufenthaltsort gewechselt.

Ein verlumpter Müller, Jakob Porn, kam unterwegs zu der Bande und führte sie nachts vor das Haus eines Juden in Ulmet. Die Haustür wurde mit einem Balken eingestoßen und die Gesellen verfuhren gar wild und unartig mit dem Hausbesitzer, sodass Schinderhannes ihn nur mit Mühe vor ihren Misshandlungen schützen konnte. Die Beute betrug über 1000 Gulden an Wert. Kaum waren sie vor das Dorf hinausgekommen, als hinter ihnen die Sturmglocke ertönte, doch entkamen sie ungestört in den Sohmwald, wo sie es sich einige Tage lang in einer Schenke recht wohl sein ließen.

Eines Tages probierten sie ihre Gewehre im Wald. Da kam ein Gendarm (Landjäger) zu Pferde des Weges daher, hielt an und redete sie in französischer Sprache an; aber keiner verstand ihn. Nun richteten sie mehrere Fragen an ihn, worauf er gebrochen Deutsch antwortete.

»Was würdet Ihr machen«, fragte ihn Hans, »wenn jetzt der Schinderhannes zu Euch käme?«

Der Landjäger hatte Mühe, sich verständlich zu machen. Während des Gesprächs legte einer der Räuber auf ihn an. Da jagte er auf seinem Pferd rasch davon, aber der nachgeschickte Schuss verwundete ihn in den Schenkel und er stürzte vom Pferd. Die Räuber eilten ihm nach, nahmen ihm seine Uhr, den Säbel, goldene Ringe und einiges Geld und wollten ihn töten. Aber Schinderhannes verhinderte dies, half ihm auf sein Pferd und ließ ihn seine Straße ziehen.

Man sieht auch hier, wie bei einigen früher erzählten Fällen, dass Schinderhannes weniger roh und grausam war, als seine Spießgesellen, und dass er darum auch manche Gewalttat und manches Verbrechen durch sein kräftiges Einschreiten verhinderte.

Nun hielten sich die Räuber hier nicht mehr sicher und beeilten sich, auf das rechte Rheinufer zu kommen. Bald suchte Schinderhannes seine Frau auf, gab ihr Geld und Waren und streifte mit ihr auf den Märkten herum. Aber so wenig die Katze das Mausen lässt, so wenig konnte Schinderhannes das Stehlen lassen. Durch seinen längeren Aufenthalt auf dieser Seite des Rheins hatte er manche Bekanntschaften mit Gaunern gemacht, wodurch neue Entwürfe zu Einbrüchen erzeugt wurden.

In der Gegend von Heidelberg und Schwetzingen wollten die Räuber einen reichen Mann heimsuchen. Der Anschlag wurde aber nicht ausgeführt, weil sie sich wegen der Soldaten nicht trauten, die im Ort lagen. Dagegen brachen sie bei einem reichen Juden in Baiertal ein. Als sie mit ihrer Beute schon in Sicherheit zu sein glaubten, wurden sie von einer Menge bewaffneter Bauern verfolgt und nahmen in größter Eile Reißaus. Ungeachtet sie aber alle ihre Kräfte anstrengten, ihren Verfolgern zu entrinnen, so sahen sie sich doch links und rechts von ihnen umgeben. Um schneller laufen zu können, warfen sie ihre Beute weg. Zwei Gauner gerieten aber dennoch in Gefangenschaft. Schinderhannes mit einem Kameraden erreichte endlich ein Wäldchen. Eilig kletterten beide, den Verfolgern unbemerkt, auf einen dichtbelaubten Baum und versteckten sich unter seinen Zweigen. Das Gehölz wurde von den Bauern durchstreift, die Flüchtlinge schwebten in tödlicher Angst, blieben aber unentdeckt und begaben sich abends nach Wogshausen, wo Hans außer einem entronnenen Räuber auch seine Frau antraf. Doch auch hier waren sie noch nicht sicher. Pfälzische und fränkische Soldaten hatten den Ort umzingelt und eine strenge Haussuchung wurde angeordnet. Hans’ Frau und die Räuber kamen in Verhaft. Er selbst aber hatte sich so tief in das Heu versteckt, dass man ihn nicht fand. Kaum war es nun still geworden, so machte sich Schinderhannes davon und ging am Neckar hinauf bis nach Heilbronn. Er wollte sich auch das schöne Schwabenland ein wenig besehen und durchreiste auf der Post einen Teil desselben bis in den Schwarzwald hinein. Hier hielt er sich aber nur kurze Zeit auf und ging durch Württemberg zum Odenwald, wo er in Michelstadt seine Frau wiederfand. Diese war gleich nach ihrer Verhaftung wieder frei geworden, da sie nachwies, dass sie mit den anderen Verhafteten in keinerlei Verbindung stehe noch gestanden sei. Auch der verhaftete Kamerad des Schinderhannes hatte sich wieder hinausgelogen.