Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Paraforce Band 51

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Gespenster – Zweiter Teil – Siebenundvierzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Siebenundvierzigste Erzählung

Die Feldgeister, welche in der Gegend von Rathenow den nächtlichen Reisenden in den Weg traten und die Pferde wild machten.

Die Heidegegend zwischen den Dörfern Schmitzdorf, Wuthike und Bähne unweit Rathenow ist schon seit vielen Jahren in dem Geruche des Spukens. So manchem Reisenden schon stellten sich die Feldgeister dort des Nachts gerade in den Weg und nötigten ihn auf diese Art entweder ganz umzukehren oder beträchtliche Umwege zu machen. Die Fußgänger wagten es nicht, den Geistern in der Nähe ins Angesicht zu schauen. Die Reitenden und Fahrenden konnten es nicht, weil ihnen beim Anblick der Schreckensgestalten jedes Mal die Pferde durchgingen. Zwar waren es größtenteils nur solche Bauern, Tagelöhner und Städter, welche an der Gespensterfurcht noch hart krank lagen. Allein mitunter wollte doch auch der eine oder der andere von den verständigeren Land- und Bürgersleuten das spukende Abenteuer am Heideweg erlebt haben und versicherten allen Ernstes, dass viel, viel Wahres an dieser Volkssage sei.

Ebenso bestätigt auch ein höchst glaubwürdiger und aufgeklärter Kavalier, dass die Behauptung, als sei die Gegend bei Bähne in und an dem Gehölz nicht geheuer, nichts weniger als grundlos sei. Der Husarenrittmeister Herr Graf von Götzen nämlich kam einst als Kornett im Leib- Carabinier-Regiment des Nachts mit einem Kommando von Genthin nach Rathenow zurück. In der oben bestimmten Spukgegend wurden die Pferde des Herrn Grafen und seines Kommandos wild und gingen schnaubend durch. Aus allen Äußerungen der Pferde leuchtete deutlich hervor, dass diese ein Gespenst sahen, welches sie graulich und furchtsam machte. Der Herr Graf sah so wenig etwas Verdächtiges wie die übrigen Reiter, woraus indessen nur zu folgen schien, dass die Pferde im Finstern genauer unterscheiden als die Menschen. Insbesondere wurde das Pferd des Herrn Grafen so durchaus wild und unbändig, dass es ihn lange unaufhaltsam, bald rechts, bald links umher und so gänzlich in die Irre führte, dass er den Anbruch des nächsten Tages auf dem Feld abwarten musste, um den Weg nach Rathenow wieder zu finden.

Dem Herrn Major von Flanß war es vorbehalten, das bei Rathenow hausende, oft unsichtbar und immer höchst schreckende Gespenst zu demaskieren. Hier ist seine eigenhändige Erzählung:

»Ich ritt einst als Leutnant im Leib-Carabinier-Regiment in einer überaus angenehmen Sommernacht, ganz einsam von Genthin nach Rathenow zurück. Es war fast ein Uhr, als ich durch Bähne kam und mich in der verrufenen Spukgegend befand. Indessen kann ich versichern, dass ich an diesen üblen Ruf nicht einmal dachte und völlig unbefangen war. Noch viel weniger aber glaubte ich, dass mir selbst das Ungetüm hier aufstoßen und jener Volkssage das Wort reden würde; zumal da das Mondlicht, welches um mich her in der Nähe wenigstens die Gegenstände erhellte, den Täuschungen nichts weniger als günstig zu sein schien.

Da ich sehr scharf geritten war, so wollte ich die letzte halbe Meile von Bähne an nur im Schritt reiten, um das Pferd nicht nass in den Stall zu bringen. Aber die Nachtgeister, welche diese Gegend ungeheuer machen, hatten es anders über mein Pferd beschlossen. Sie erschienen demselben, als ich mich in der Kiefernschonung befand und daher wenig um mich sehen konnte. Das Pferd, sonst überaus folgsam und ohne die geringste Tücke wurde mit einem Mal entsetzlich böse. Es schnarchte fürchterlich, es bäumte und sträubte sich und wollte durchaus nicht vorwärts. Ich musste alle Kräfte zusammennehmen, um es zu bändigen.

Mit der größtmöglichen Anstrengung wurde ich endlich zwar wieder Meister des halsstarrigen Tieres und brachte es vorwärts. Aber nun war auch an kein Halten zu denken. Es ging wie toll mit mir durch. Kaum war ich aus dem Holz hinaus, so verließ es den Weg und lief feldeinwärts, bis es allmählich sich wieder beruhigen ließ.

Ich hatte dies überaus tätige Pferd damals schon zwei Jahre besessen und immer selbst geritten, aber nie eine Tücke, viel weniger dergleichen unbeschreibliche Wildheit an ihm bemerkt. Dieses Mal war sie nur umso auffallender, da ich mit demselben Pferd an dem nämlichen Tag schon nach Genthin geritten war, mithin sechs starke Meilen zurückgelegt hatte. Woher nun das urplötzliche rätselhafte Wildwerden meines braven Pferdes? Zwar hatte ich in dem Augenblick, wo es so fürchterlich zu schnarchen und sich zu bäumen begann, seitwärts zwei weiße Gestalten schimmern gesehen, aber das unbändige Pferd zog meine ganze Aufmerksamkeit allein auf sich, denn ich hatte, um nicht abgeworfen zu werden, keine Zeit, das doppelte Etwas näher zu betrachten. Auch glaubte ich, bei meiner gänzlichen Unbefangenheit nichts weniger, als dass ich hier von spukenden Wesen umgeben sei. Vielmehr hielt ich das schimmernde Weiße für Baumstämme oder etwas Ähnliches.

Ohne weiter daran zu denken, setzte ich meinen Weg nach Hause im tiefsten Mahlsand langsam fort. Abermals fuhr nun das Pferd heftig zusammen, schnarchte wütend und wollte wieder durchgehen. Ich war aber dieses Mal zu rechter Zeit auf meiner Hut und behielt es völlig in meiner Gewalt, so toll es sich auch wieder gebärdete. Zu meinem größten Erstaunen wurde ich nun in einiger Entfernung jene zwei weiße Gestalten abermals gewahr. So viel das unbändige Pferd mir Zeit ließ, betrachtete ich sie dieses Mal mit der größten Aufmerksamkeit. Sie waren bald klein, bald groß; dann verschwanden sie gänzlich, wurden aber unmittelbar darauf an einem entgegengesetzten Ort vor oder neben mir wieder sichtbar. Mir war zumute, wie einem jeden anderen auch zumute sein würde, wenn er sich in nächtlicher Einsamkeit einmal plötzlich von unbegreiflichen Wesen umringt sähe. Teils die anhaltende Wut eines sonst gutmütigen Pferdes, teils die mir ganz unerklärbaren, abwechselnd sichtbaren Erscheinungen, erschütterten meine Entschlossenheit ein wenig. Zu meinem Glück aber näherten sich nun mir die Gestalten. Mein Pferd beruhigte sich und fing vor Freude an zu wiehern. Ich erkannte in den Geistern Herkules und Diane, zwei große weiße Windhunde des verstorbenen Herrn von Briest auf Bähne. Ich lockte sie, und sie, die meine Stimme schon auf mancher Jagd kennen gelernt hatten, begleiteten mich spielend bis vor Rathenow. Die natürliche Ursache vom Verschwinden und Wiedererscheinen der Gestalten sowie vom Umstand, dass sie bald groß, bald klein wurden, lag in den Sandhügeln, welche in dieser Gegend sind. Liefen die Windspiele hinter einen Hügel, so verschwanden sie. Mein spähender Blick weilte nun einige Augenblicke in dieser Gegend. Indessen eilten die von dem Hügel gedeckten Hunde schnell vorüber und zeigten sich auf der anderen Seite neben mir oder sie sprangen spielend auf eine Anhöhe und bekamen so mit Beihilfe des Schattens, den sie im Mondschein warfen, eine besondere Gestalt und Größe.

Wie die Hunde hierher kamen? Sie jagten und verzehrten dann gemeinschaftlich das Häschen, welches sie etwa zu fassen bekamen. Es ist bekannt, dass Windhunde dergleichen ungeheißene Jagd, die ihnen erst einmal wohl behagte, nachher gern zu wiederholen pflegen.«