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Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel IV, Teil 4

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel IV, Teil 4

Die beiden Freunde schickten sich nun an, das Hotel der Prinzen zu verlassen, als ihnen ein Schreiben mit der Aufschrift An den Herrn Grafen von Hechelsheim (der Name, unter dem Stürmer im Hotel wohnte) übergeben wurde. Dasselbe war Direction des Archives historiques unterzeichnet. Man bat den Herrn Grafen in demselben ganz gehorsamst, die Güte haben zu wollen, diesem Archiv doch einige biographische Notizen über seine erlauchte und illustre Person mitteilen zu wollen, da dieselbe es vollkommen verdiene, neben den anderen hochberühmten Notabilitäten der Welt und unter der Elite der verschiedenen Nationen in dem gehörigen Glanz in den von diesem Archiv herausgegebenen prächtigen historischen und biographischen Jahrbüchern zu prangen. Als Appendix des Schreibens fand sich eine Einladung zur Subskription auf dieses Prachtwerk , von dem man für die mäßige Summe von 750 Franken der glückliche Besitzer eines vollständigen Exemplars werden, jedoch auch für 500, 250 und sogar 125 Franken die wichtigsten Biographien erhalten könne. Am Schluss dieses Anhangs war noch hinzugefügt, dass man es sehr bedauern müsse, eine abschlägige Antwort hinsichtlich der Subskription zu erhalten, aber in diesem Fall dennoch die biographischen Notizen über das Leben des Herrn Grafen, so wie man sich dieselben zu verschaffen gewusst habe, in dem Werk einen Platz finden würden, jedoch mit mehr Ökonomie abgehandelt und gedruckt.

»Was zum Henker hat denn dies zu bedeuten?«, fragte Michel seinen hinkenden Freund.

»Nichts weiter als eine der mancherlei Beutelschneidereianstalten mehr, deren die gute Stadt Paris so viele aufzuweisen hat, eine Lockspeise für alle reichen Fremden, die nach Paris kommen und sich im Netz dieses sogenannten historischen Archivs fangen lassen. Wohlan, ich will den Herren eine Biographie von mir mitteilen, die sie gegen ihren Willen mit Flammenschrift in ihrem Prachtwerk aufnehmen sollen. Lass uns nun zuerst in das Büro dieses Archivs gehen. Es ist ja nur zwei Schritte von hier, in derselben Straße, Rue Richelieu Nro. 95.«

Michel und Asmodi machten sich auf und begaben sich in das Haus, welches das industriöse Archiv und seine Büros beherbergte. Als sie eingetreten waren und Michel seinen hochgräflichen Namen genannt hatte, wurden sie sogleich mit der zuvorkommendsten Artigkeit und unter tausend Kratzfüßen in das Kabinett der Direktion geführt, in welchem man ihnen ein Paar prächtige vergoldete Armstühle a la Louis XV. anbot. Der angebliche Graf von Hechelsheim erkundigte sich nun näher nach den Bedingungen seiner aufzunehmenden Biographie und welche Notizen er zu geben habe.

»Dies hängt ganz von Ihnen ab, Herr Graf. Sobald Sie unterzeichnet und pränumeriert haben, wird alles aufgenommen, was Sie uns mitzuteilen belieben, was übrigens von einer ebenso rühmlich als geistreich bekannten Person nicht anders als vortrefflich sein kann. Wir werden dafür Sorge tragen, dass sie unter den erhabensten Personen, die schon in unserem Archiv figurieren, wie der Königin Viktoria, dem Prinzen Albert, dem Herzog von Sussex, den Baronen R…, Ibrahim Pascha etc. eine Stelle finden, so wie dero ohne Zweifel sehr illustrer Begleiter.«

Hier warf der Sprecher einen vielbedeutenden Blick auf den Hinkenden, den dieser jedoch auf eine so maliziöse Weise zurückgab, dass der andere den seinen ganz verwirrt niederschlug.

»Wir wollen den Herren sogleich hier die gewünschten Notizen geben«, versetzte Asmodi, »versteht sich, dass Sie mich unter die Zahl Ihrer Subskribenten zählen dürfen.«

Der Teufel erbat sich nun einen Bogen Papier, den er beschrieb und sodann einem der angeblichen Direktoren überreichte.

Derselbe begann zu lesen, rieb sich die Augen, denen er nicht traute, wischte am Papier und geriet in einen fast konvulsivischen unruhigen Zustand.

»Ich sehe wohl, mein Herr, dass Sie mit meiner Handschrift nicht fertig werden können«, sagte der Hinkende, ihm das Papier wieder aus der Hand nehmend. »Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen den Inhalt vorlese.«

Der Unterzeichnete, Asmodi, Großwürdenträger seiner allerhöllischsten Majestät des Großsatans, Pair und Grand erster Klasse im Reich der Hölle, Großoffizier des infernalischen Kreuzspinnenordens an der Glutkette, bezeugt hiermit den Inhabern und Eigentümern des historischen Archivs in der Straße Richelieu Nro. 95 zu Paris, dass er nicht nur ein Subskribent der von ihnen herausgegebenen historisch-biographischen Jahrbücher ist, sondern dass diese Herrn sich auch des ganz besonderen Schutzes seines Freundes und Kollegen, des Fürsten Luzifer, des allgewaltigen Protektors aller Beutelschneider und Marktschreier, in einem hohen Grad zu erfreuen haben, fintemal bis jetzt noch keine Art der Künstler, die zu diesem sauberen Gelichter gehören, es zu einer solchen Stufe der Vollkommenheit gebracht hat, und die sich die Beutel und Kassen souveräner Fürsten, Könige und Prinzen, Minister, ja sogar die der zähesten Geldwucherer und Millionenmänner, denen selbst der Teufel keinen Pfennig zu entlocken wüsste, zu ihren Gunsten zu öffnen wussten, wofür ihnen auch Freund Luzifer eine ganz eigene Belohnung in seinem infernalischen Departement aufbewahrt und die Meisterschaft der Beutelschneiderei zuerkennt. Asmodi.

»Sie werden wohl die Güte haben, dieses Zeugnis im nächsten Band Ihrer Jahrbücher abdrucken zu lassen«, setzte der Hinkende noch hinzu, nachdem er seine Lektüre beendet hatte.

»Mit dem Herrn ist es wohl im Kopf nicht so ganz richtig?«, sagte nach einigen Minuten ein kühn hervortretendes, zur Direktion gehörendes Mitglied keck zum Teufel.

»Um Vergebung, mein Allervortrefflichster, es scheint mir bei Ihnen zu spuken. Doch wollen Sie wohl dieses Zeugnis in der nächsten Lieferung aufnehmen?«

»Mein Herr, Sie sind verrückt, und wäre es nicht die Achtung, die wir für Ihren Begleiter, den Herrn Grafen von Hechelsheim haben, so …«

»O, das darf Sie nicht abhalten, meine Herren«, fiel nun Michel ein, »ich gebe denselben Ihrem ganzen Zorn preis.«

»Wohlan, so packe sich derselbe augenblicklich oder wir lassen ihn durch unsere Leute zur Tür hinaus und die Treppe hinabwerfen.«

»Nach Belieben«, höhnte nun der Hinkende, dem Michel einen Wink gab, »doch erlauben Sie mir vorher noch, mein Zeugnis selbst in unverwischbaren Lettern in Ihr Prachtwerk abzudrucken.«

Asmodi ergriff nun von den auf einem Regal stehenden vorrätigen Exemplaren einen Band derselben, dem er dem Herrn Direktor öffnete und demütigst überreichte. Dieser las zu seinem Schrecken mit flammender Schrift Wort für Wort, was ihm der rätselhafte Fremde vorgelesen hatte. Asmodi nahm nun noch ein Paar andere Bände und übergab sie den übrigen Mitgliedern und Mitarbeitern der sauberen Direktion, die, wo sie die Bücher auch aufschlagen mochten, immer ein und dieselbe Flammenschrift lasen.

»Ah, ich merke schon, der Herr ist der berühmte Tausendkünstler Philippi, der durch seine Tours de force ganz Paris in Erstaunen setzt und uns hier einen Beweis seiner großen Kunst geben will, damit wir mit voller Überzeugung seine merkwürdige Biografie neben der aller großen Männer des Jahrhunderts abdrucken lassen können. Der Herr soll zufrieden sein, ich werde sie selbst bearbeiten«, sagte eines der Mitglieder der Direktion.

»Erraten«, fiel Asmodi ein. »Um Sie jedoch in den Stand zu setzen, dies mit der besten Überzeugung tun zu können, so erlauben Sie mir, Ihnen noch einige Beweise meiner Kunst geben zu dürfen. Schlagen Sie nun gefälligst die Blätter um.«

Die Herren taten, wie ihnen gesagt wurde, aber man stelle sich ihr großes Erstaunen, ihren Schreck und ihr Entsetzen vor, als sie nun mit derselben Schrift ihre eigenen Biografien lasen, in denen sie selbst die geheimsten Begebenheiten ihres Lebens auf das treueste und wahrhaftigste aufgezeichnet fanden, und zwar solche Dinge, die sie in die misslichsten Händel mit der heiligen Kriminaljustiz verwickelt haben würde, wenn sie zu deren Kenntnis gekommen wären.

»Nun, was meinen die Herren von meiner Kunst?«, fragte höhnisch Asmodi. Die Antwort blieb man schuldig und er fuhr fort: »So viel sei Euch zu Eurer Warnung gesagt, dass wenn Ihr dieses Beutelschneiderhandwerk noch fortsetzt, Ihr mit Euren Jahrbüchern des historischen Archivs aller Welt Eure Biografie ver­künden und wie Ihr wohl denken könnt, dann in die Hände der St. Themis fallen werdet. Hiermit dem Teufel befohlen!«

Michel und Asmodi entfernten sich nun, das ganze Personal der Direktion dieses sauberen Archivs in einer Art von Starrkrampf zurücklassend.

»Jetzt wollen wir zu deiner Satisfaktion Republikaner aufsuchen«, sagte der Hinkende zu seinem Freund, die Straße Richelieu hinabgehend.

Als sie an die Mauern der königlichen Bibliothek kamen, dem Platz Louvois gegenüber, blieb Asmodi plötzlich vor einem großen grässlichen Bild stehen, das wie hundert andere derartige Bilder die Stelle einer Anzeige vertreten musste, und über welchem mit großen Buchstaben die Worte geschrieben standen: Des Teufels Sohn, lest die Epoche.

»Was das Romanschreiber- und Journalistenvolk nicht alles erfindet! Des Teufels Sohn, als ob sie nicht alle Teufelskinder wären. Ohne den Teufel tut es sich gar nicht mehr. Man könnte ein ganz kolossales Bilderbuch von all den Teufelsfratzen machen, die sie da an allen Häusern und Mauern von Paris hinschmieren; da ist der Teufel zu Paris, das Pferd des Teufels, die Teufelstochter, des Teufels Anteil, die Wissenschaft des Teufels, der Teufel in allen Gestalten etc. etc. Und nun sogar der Sohn des Teufels … wahrhaftig, das Volk soll mir den Teufel nicht umsonst an die Wand gemalt haben. Ich will ihm noch beweisen, dass es einen gibt, und sie dessen wahre Söhne sind.

Asmodi versah nun sich und seinen Gefährten mit einer angezündeten Laterne, mit denen sie gleich Diogenes am hellen Tag über die Straßen gingen, um Republikaner zu suchen, nach denen sie die sie anstaunenden Vorübergehenden fragten.

Man wies sie in das Redaktionsbüro des National, sie versichernd, dass sie daselbst echte Republikaner finden würden.

Hier trafen sie einige der Redakteure und Mitarbeiter dieses Blattes.

Asmodi und Michel gaben sich den Herren als echte und reine Republikaner zu erkennen, brachten auch unzweideutige Zeugnisse ihrer republikanischen Gesinnungen vor und wurden als Confratres freundschaftlich bewillkommt.

Michel wollte nun die Laterne auslöschen, aber Asmodi hinderte ihn daran, indem er zu ihm sagte: »Geduld, Freund, wir müssen erst klar sehen.

Noch andere Gäste saßen an demselben Tisch und waren so sehr in ein politisches Gespräch vertieft, dass sie die neuen Ankömmlinge gar nicht bemerkten. Es war von den preußischen Zuständen, von einer Konstitution und besonders von der Pressefreiheit, der Einführung der Jury und der öffentlichen Gerichtsbarkeit in den älteren Provinzen der Monarchie die Rede. Die Meinungen waren geteilt, und das Gespräch äußerst animiert. Einige von der Gesellschaft behaupteten, dass Preußen und Deutschland nur dann glücklich sein würden, wenn sie Frankreichs Pressefreiheit und Frankreichs Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung haben würden.

»Sie reden wie der Blinde von der Farbe«, fiel endlich ein Berliner Rechtsgelehrter den Rednern ins Wort. «Ich habe mehrere Jahre in Frankreich gelebt und kann sie auf mein Gewissen versichern, dass in vielen deutschen Bundesstaaten und namentlich in Württemberg, Hessen, Baden, Sachsen, Bayern und Preußen sowohl die Pressefreiheit als auch die persönliche Freiheit weit größer und geschützter ist als, als in ihrem gerühmten Frankreich.«

»Unmöglich«, erwiderte ein Arzt.

»Und doch wahr«, versetzte der Advokat. »Wie, Sie nennen das Pressefreiheit, wenn, um ein Journal oder eine Zeitung zu gründen, man 100.000 Franken Kaution hinterlegen muss? Wenn für alles, was sie drucken, die Buchdrucker ebenso verantwortlich wie die Verfasser gemacht werden, indem man von den Ersteren verlangt, dass sie alle Manuskripte lesen sollen, bevor sie solche drucken. Diese Verordnung hat aus den Buchdruckern ebenso viele Zensoren geschaffen, und welche! Der Buchdrucker ist nun derjenige, der bestimmt, ob sich ein Werk zum Druck eignet oder nicht. Er streicht ganze Stellen oder verweigert den Druck. Dies muss sich alles der Autor gefallen lassen. Da der Buchdrucker in der Regel ein durchaus nicht wissenschaftlich gebildeter Mann und im höchsten Grad ängstlich ist, so kann so kann man sich denken, wie er streicht. Und dann die Septembergesetze, die den armen Verfasser und Verleger das Messer beständig an die Gurgel setzen, und unter dem Vorwand der Lästerung die empfindlichsten Geld und Gefängnisstrafen verordnen, wobei es auf das Strengste untersagt ist, die Wahrheit des Gesagten zu beweisen! Das alles nennen Sie Pressefreiheit. Ein Artikel wie der, welcher von einem sogenannten Freund der Wahrheit neulich in der Augsburger Allgemeinen Zeitung gegen Saphir eingerückt wurde, würde dessen Verfasser, dem Redakteur Kolb, und den Verleger und Drucker der Zeitung zur Verurteilung in eine namhafte Geldstrafe von mehreren 1000 Talern und in die empfindlichste Gefängnisstrafe gebracht haben. Auch darf nie irgendeine Schuldforderung, wie dies so oft in deutschen Zeitungen geschieht, in französischen Blättern abgedruckt werden, denn dies würde den Einsender und Drucker zu einer schweren Entschädigungssumme und Gefängnis verurteilen, und zwar mit vollem Recht, da dies vor die Gerichte und nicht vor das Publikum gehört. Die französische Pressefreiheit hat schon gar mancher Franzose verwünscht, den sie auf zeitlebens unglücklich gemacht hat. Und doch müssen der Pressezügel angelegt werden, eine vollkommene Pressefreiheit kann ebenso wenig stattfinden, wie eine vollkommene Willens- und Handlungsfreiheit in der menschlichen Gesellschaft möglich ist, die Mord, Raub und alle Verbrechen straflos ließe. Nun fragt es sich, da doch einmal eine Beschränkung derselben sein muss, ob eine vernünftige, gesetzmäßig geregelte Zensur oder scharf strafende Pressegesetze wünschenswerter sind. Ich für meinen Teil wäre unter gewissen Bedingungen für die Erstere. Wenigstens ist die französische Pressefreiheit, welche deutsche Unwissenheit so sehr beneidet, ein weit größerer Tyrann.«

»Sie mögen recht haben«, meinte der Arzt, »wenn die Zensur vernünftig und mit Einsicht gehandhabt würde. Aber da haben wir hundert Beispiele, dass in Deutschland zum Beispiel in einer gewissen Republik, der fatale Rotstift zu einem wahren Henkersbeil wird. Hier handhabt der Zensor die Schere auf ein Art wie sein Papa, ein ehrlicher Fleischer, das Schlachtmesser handhabte. Da indessen den guten Mann dennoch manches und meistens gerade das Kompromittierenste entging, so erhielt er öfters scharfe Verweise deshalb von seinem Vorgesetzten, die wieder von einer höheren Behörde genast wurden. Der ehrliche Zensor, der ungefähr so viel literarische Kenntnisse haben mochte, wie sein Zunftgenosse Barron, der Held bei Cannae, strategische, gestand ganz offen, dass die verdammten Zeitungsschreiber so unverständlich für ihn seien und ihre Gedanken oft so verblümt zu geben wüssten, dass er den Sinn ihrer Worte nicht fassen könne.«

»Ei, so streichen Sie es in drei Teufels Namen, was Sie nicht verstehen«, sagte der einjährig wohl Regierende Bürgermeister zu seinem Zensor.

»Ganz wohl!«, lautete die Antwort. »Man kann sich nun denken, wie der Mann strich, da er fast gar nichts verstand.«

»Nun, dies sind doch nur seltene Ausnahmen, ja nur in Maulwurfsrepubliken möglich, in denen man Fleischergesellen zu Zensoren macht«, versetzte der Advokat.

Die übrige Tischgesellschaft lachte.

»Und dann«, fuhr er fort, »es mag ein gut Ding um die Jury und die öffentliche Gerichtsbarkeit sein, wenn beides mit gehöriger Einsicht und den nötigen Beschränkungen stattfindet, aber Sie werden mir doch eingestehen müssen, dass, so wie diese Institute in Frankreich dermalen bestehen, sie der Gesellschaft mehr Schaden als Nutzen bringen.«

»Wieso!«, fragte der Arzt.

»Die Art, wie man da selbst die Jury zusammensetzt, ist die verwerfliche. Leute ohne alle Kenntnisse, ohne alle Einsicht, die oft nicht einmal lesen und schreiben können, sitzen da über Dinge zu Gericht, die weit über ihren Horizont stehen. Daher kommt es denn auch, dass so oft die widersprechlisten und empörendsten Verurteilungen und Freisprechungen stattfinden, Vatermörder mit Galeerenstrafen davonkommen, während oft gewöhnliche Mordanfälle, in der Raserei der Leidenschaft verübt, mit dem Henkersbeil bestraft werden. Man hat keine Vorstellung davon, wie leicht und oberflächlich es oft bei den Beratungen einer Jury genommen wird. In der Regel ist es ein starkstimmiger Sprecher, der seine Kollegen überschreit und sie so bestimmt, seiner Meinung beizupflichten. Es bedarf hier keiner großen Beredsamkeit noch eines besonderen Talents. Anmaßung mit einer Stentorstimme reichen aus und die krasseste Unwissenheit der großen Mehrzahl der Mitglieder einer solchen Jury geht über alle Begriffe. Doch sind es diese Menschen, die hier über Tod und Leben ihrer Mitmenschen entscheiden und die bei den allergewöhnlichsten Dingen im Leben um Rat zu fragen, man sich auch nicht im Traum einfallen lassen würde. Daher diese unbegreiflichen Urteile, die sich zum Skandal der heiligen Justiz jeden Tag in Frankreich wiederholen. Ebenso sind die öffentlichen Gerichtssäle die besten Schulen für alle Gauner, Taschendiebe, Räuber und Mörder, die in denselben ihre Kollegien hören und den besten Unterricht empfangen, wie sie sich im Fall der Not, wenn die Reihe an sie kommt, zu benehmen haben und aus der Schlinge ziehen können. Ich habe nichts dagegen, dass jedem unbescholtenen Bürger die Gerichtssäle offenstehen, aber sie ohne Unterschied allem Gesindel zu öffnen, dass nicht selten in dem Heiligtum der Justiz selbst seine Fingerfertigkeit übt. Dies ist barer Unsinn, eine Beförderung des Lasters und des Verbrechens. Wie! Man schließt die Seele, sobald unsittliche Vergehen, sogenannte Scandalosa verhandelt werden, für den großen Haufen und lässt sie für Spitzbuben und Raubmörder offen, sobald die Sache in ihr Handwerk greift. Meistens besteht die Mehrzahl des Auditoriums aus diesem auserwählten Publikum, als ob der Unterricht in diesem Verbrechen nicht ebenso gefährlich, ja in gewisser Hinsicht nicht noch weit gefährlicher wäre, als der in der Unzucht! … Und dann die Gerichtszeitungen, die in allen Kaffeehäusern, Schenken und Kneipen der gefährlichsten Gattung Tag und Nacht offen liegen und von den Diebs-, Raub- und Mordgesindel mit einem Eifer gelesen und studiert werden, der auch noch dem des fleißigen Studenten, der sich zu seinem Examen vorbereitet, Ehre machen würde. Sehen Sie, meine Herren, dies sind die Wohltaten, die Sie mit so großem Eifer für Preußen begehren und welche, in dieser Art bei uns eingeführt, nur großes Unheil und unberechenbaren Schaden verursachen würden. Glauben Sie mir, man ist außerdem zehnmal freier in Preußen und in den meisten deutschen Bundesstaaten, als in dem hochgerühmten Frankreich, wo sie das geringste Versehen, ein kleiner Irrtum und Missverständnis in die abscheulichsten Gefängnisse bringen können. All das radikale Geschrei, ohne Verstand in den Tag hineingebrüllt, bringt uns so wenig weiter, wie unsinnige Verschwörungen. Die vorzunehmenden Verbesserungen können nur nach gehöriger Prüfung und reiflicher Abwägung vorgenommen werden, sonst geht es uns wie den Eseln, die auf das Eis tanzen gehen. Man darf sich ein für alle Mal durch das Geschrei der Afterliberalen und radikalen Einfaltspinsel, die, sobald man nicht in ein Horn mit ihnen bläst und ihrem rasenden Unsinn unbedingten Beifall zollt, mit Tyrannenknechten, Sklavenseelen um sich werfen, irre machen lassen. Dies ist wenigstens meine Meinung, und als wahrhaft freisinniger Mann steht es mir auch zu, dieselben unverhohlen aussprechen zu dürfen. Aber das ist das Tollste, dass diese angeblichen Freiheitshelden jedem, der nicht ihren oft sehr sklavischen Ideen huldigt, sogleich und für immer den Mund stopfen würden, wenn sie die Macht dazu hätten.

»Der Mann hat vollkommen recht«, flüsterte der Teufel dem Michel zu.

Diese Unterhaltung wurde noch einige Zeit fortgesetzt, und man kam auch auf die religiösen Zustände Deutschlands zu sprechen. Michel und sein Gefährte nahmen gleichfalls teil daran. Da es sich aus dem Gespräch ergab, dass sie erst ganz kürzlich Frankreich verlassen hätten, so fragte man sie, was man daselbst von den religiösen Bewegungen Deutschlands und dem Treiben der Deutschkatholiken, Lichtfreunde, Rationalisten usw. halte.

»Nicht viel«, erwiderte lächelnd Asmodi, »der größte Teil der Franzosen ignoriert die Sache ganz, und die Wenigen, die etwas davon wissen, lachen dazu.«

»Das ist der französische Indifferentismus«, meinte ein preußischer Kommerzienrat.

»Nicht doch«, erwiderte Asmodi, »man hat in Frankreich jetzt allgemein den sehr vernünftigen Grundsatz angenommen, jeden glauben zu lassen, was er will, und sich nicht um die religiösen Meinungen anderer zu bekümmern, am allerwenigsten Proselyten machen zu wollen, selbst den eifrigsten französischen Katholiken fällt dieses nicht mehr ein. Aber in Deutschland steht ja jetzt fast jede Woche ein neuer Glaubensheld auf, der seinen Glauben für den besten und unfehlbarsten hält und ausgibt, sich Anhänger und mit ihnen eine neue Religion, wenigstens eine Sekte zu bilden sucht, und wenn die Regierungen diese nicht sogleich anerkennen und zu einer Staatsreligion erheben wollen, über Unduldsamkeit, Unterdrückung der religiösen Freiheit, und die Götter mögen wissen, über was alles schreit. Ist es nicht ein unsinniges Begehren, zu verlangen, dass jedem, dem es einfällt, eine neue Glaubenslehre zu predigen, dieselbe sogleich vom Staat als eine gesetzliche Religion anerkannt werden soll? Am Ende gäbe es in Deutschland so viele Religionen wie Gemeinden. Glaube doch ein jeder, was er will, wegen seinem Glauben wird ja auch in Deutschland in keinem Bundesstaat jemand mehr aufgehängt, gefoltert, verbrannt oder eingekerkert, aber wenn er denselben anderen aufbringen oder sich durch lächerliche Reden, Festessen, Triumphreisen usw. dazu überreden will und so Zwietracht unter dem Volk und selbst in den Familien verbreitet, dann tun die Regierungen, die Einsicht und Vernunft haben, doch wohl daran, bei aller Toleranz so etwas nicht zu dulden. Bei der Hölle, ich bin eben kein Freund vom Papst, aber es ist ja niemand gezwungen, die dreifachgekrönten Priester so wenig wie den dreifach gehörnten Großsatan anzubeten. Und man kann dem Verfasser des eben zu Paris erschienenen Werkes über die politischen und religiösen Bewegungen Deutschlands nicht so ganz unrecht geben, wenn er sagt. wenn Tacitus jetzt wieder käme, so würde er ganz Deutschland, statt einen ungeheuren Wald, ein ungeheures Tollhaus nennen.

»Der Herr ist kein Deutscher«, fiel nun der Kommerzienrat dem Teufel ins Wort.

»Der Herr ist ein Weltbürger«, erwiderte Michel, »aber ich bin ein geborener Deutscher und ganz der Meinung dieses Herrn.«

»Also meinen Sie, dass wir alle Narren seien?«

»Mehr oder minder, ja.«

»Der Herr weiß nicht, was er spricht. Ich bin der Meinung, dass Ronge ein großer Mann, ein zweiter Luther ist, der dem römischen Monstrum den Todesstoß versetzen und dem römisch-katholischen Aberglauben ein Ende machen wird. Noch ein Glas Bierkaltschale auf Ronges Wohl!«, schrie der Kommerzienrat hinzu.

Michel und der Hinkende lachten.

»Meine Herren, Sie gehören eben nicht zu den feinsten«, sagte der Kommerzienrat, der das Lachen bemerkt hatte, zu den immer noch Lachenden.

»Ich sollte denken, dass man auf das Wohl eines so großen Mannes wenigstens Champagner oder doch Rheinwein trinken sollte«, versetzte der Teufel.

»Herr Naseweis, jeder nach seinem Geschmack, der meine ist nun einmal Ronge und Weißbier, haben Sie etwas dawider?«

»Nicht das Geringste, nur werden Sie mir erlauben, das Wohl des Papstes in Johannisberger zu trinken.«

»Meinetwegen auch in Grünberger«, brummte der Kommerzienrat etwas ärgerlich.

Michel ließ Johannisberger 34er kommen, trank samt dem Hinkenden auf das Wohl des Papstes und der römischen Kirche und stieß dabei wacker mit dem Teufel an, während der Kommerzienrat sein Weißbier still und verstimmt die Gurgel hinabgleiten ließ.

»Wollen uns die Herren Bescheid tun?«, fragte endlich Michel die übrige Gesellschaft, Ihnen von seinem Labetrunk anbietet.

»Unverschämt!«, sagte nun der Kommerzienrat und setzte noch hinzu: »Wenn wir Johannisberger trinken wollen, so können wir ihn auch bezahlen.«

»Wer zweifelt daran?«, meinte Michel, »auch mute ich Ihnen nicht zu, des Papstes Gesundheit zu trinken, bewahre der Himmel. Wollen uns die Herren Bescheid tun, so trinken wir auf Preußens Wohlergehen; die wackeren Preußen, Deutschlands tapfere Befreier, sollen leben!«

»Das ist etwas anderes«, meinte der Kommerzienrat und nahm das ihm dargebotene Glas an. Auch die Übrigen stimmten nun mit ein.

Und der Advokat rief aus: »Vivat unser König und das ganze königliche Haus!«

Abermals stimmten alle mit ein.

»Sehen Sie meine Herren, dies ist wahre Toleranz«, rief Michel aus.

Man sprach nun wacker seinem Johannisberger zu, ließ zuletzt sogar noch den Fürsten Blücher von Wahlstatt, obwohl längst tot, hochleben.

Hiermit war nun der Teufel nicht einverstanden. Als ihn Michel um die Ursache fragte, antwortete er diesem leise: »Der hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Hölle im Rücken lassend, wie einst Napoleon, als er gegen Paris marschierte, ist er schnurstracks durch die Himmelspforten, die im Petrus weit öffnete, einmarschiert.«

Der edle Rebensaft des Fürsten Metternich beseelte nun immer mehr die ganze Gesellschaft, selbst den Teufel, sodass dieser zu Michel sagte: »Wie wäre es denn, wenn wir Mephistopheles Späßchen im Auerbacher Keller wiederholten?«

»In des Teufels Namen«, meinte Michel.