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Marshal Crown – Band 36

Verdammt, verflucht und vogelfrei

»Himmel noch mal«, polterte John Sanders.

Sichtlich aufgebracht knallte der Rancher sein Besteck auf den Tisch und schob den halb vollen Teller, den er vor sich stehen hatte, ruckartig zur Seite.

Je länger er seinen Sohn beobachtete, der einem gereizten Puma gleich vor dem Fenster neben der Eingangstür auf und ab lief, umso mürrischer wurde sein Gesicht.

»Jetzt setz dich endlich auf deine vier Buchstaben und iss mit uns zu Abend. Du machst mich noch ganz verrückt mit deiner ewigen Herumlauferei.«

»Ich habe keinen Appetit«, erwiderte Billy Sanders, blieb abrupt stehen und schob die verwaschene Gardine vor dem Fenster zur Seite.

Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er angestrengt nach draußen starrte.

»Papperlapapp«, brummte sein Vater. »Du hast heute bis zum späten Nachmittag draußen auf der Nordweide Heu gemacht. Als ich in deinem Alter war, hatte ich nach so einem Tag einen derartigen Hunger, dass ich einen ganzen Ochsen hätte verdrücken können. Erzähle mir also nicht, dass du keinen Appetit hast. Jetzt setz dich endlich zu uns her, verdammt noch mal! Deine Mutter hat deinetwegen über eine Stunde am Herd gestanden.«

Billy Sanders fuhr auf dem Absatz herum und schüttelte unwillig den Kopf.

»Hast du nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe, oder willst du es einfach nicht hören? Die Comanchen sind wieder auf dem Kriegspfad. Der alte Nelson, den ich draußen auf der Weide getroffen habe, reitet sein Pferd zuschanden, um die Leute zu warnen, und du denkst nur ans Essen. Ich kann es nicht glauben.«

Der grauhaarige Rancher setzte gerade zu einer harschen Antwort an, als wie aus dem Nichts ein Indianer hinter dem Fenster neben der Eingangstür auftauchte. Das mit weißen Kreidestreifen verschmierte Gesicht des Comanchen glich im fahlen Licht der Dämmerung eher einer hasserfüllten Geisterfratze denn einem menschlichen Antlitz.

Im gleichen Moment krachten Schüsse und kehliges Kriegsgeschrei hallte über den Hof.

Bevor John Sanders reagieren konnte, war im rückwärtigen Teil des Hauses das Splittern von Fensterglas zu hören, und zwar genau aus der Richtung, in der sich das Zimmer seiner siebenjährigen Tochter befand.

»Kathreen!«

Johns Schrei hatte nichts Menschliches mehr an sich, als er aufsprang und vorwärts stürzte, um zu seiner Tochter zu gelangen. Er hörte zwar noch, wie die Haustür aufgerissen wurde, aber er spürte die beiden Pfeile nicht, die sich in seinen Rücken bohrten. Der Gedanke an seine Kathreen ließ ihn alles vergessen.

Er stolperte nur und verlor erst das Bewusstsein, als ihn eine Kugel traf.

 

*

 

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

US-Marshal Jim Crown machte hierbei keine Ausnahme. Mary Ann Baker, seine neue Lebensgefährtin, mit der er seit seinem Amtsantritt in dem kleinen Haus im Osten von Austin wohnte, konnte ein Lied davon singen.

Auch er hatte so seine Angewohnheiten, die Mary Ann nur ein Blick auf die Uhr kosteten, um vorherzusagen, was ihr Jim in diesem Moment gerade zu tun gedachte. Eines dieser Rituale zum Beispiel bestand darin, dass er jeden Morgen, Sommer wie Winter, Punkt sieben Uhr auf den hölzernen Verandavorbau trat und seinen Blick über die Stadt schweifen ließ.

Nach dem Moment auf der Veranda frühstückte er und danach zündete er sich einen dieser kleinen, mexikanischen Zigarillos an, die er so sehr schätzte, und begab sich erst dann in die Stadt, um seinen Dienst anzutreten.

Aber nicht heute, an diesem Morgen war alles anders.

Mary Ann trug gerade Jims leer gegessenen Teller zum Waschbecken hinüber und stellte ihn in den Ausguss, als ihr Blick aus einer Laune heraus aus dem Küchenfenster fiel.

Sie verharrte, legte die Stirn in Falten und sah nachdenklich zu, wie eine Kavalleriepatrouille durch die Hauptstraße von Austin ritt und genau auf den Hügel zuhielt, auf dem ihr Haus stand.

Mary Ann drehte den Kopf in Richtung Esstisch.

»Erwartest du Besuch?«

Jim, der gerade dabei war, sich seinen obligatorischen Zigarillo anzustecken, legte den Tabakstängel zur Seite und hob den Blick.

»Nicht, dass ich wüsste. Warum fragst du?«

»Weil da ein Trupp Soldaten auf uns zukommt und der Mann, der sie anführt, ein Lieutenant ist. Scheint also wichtig zu sein, sonst wäre kein Offizier dabei.«

Crown hob den Kopf und sah zuerst aus dem Fenster, bevor er Mary Ann antwortete.

»Tatsächlich! Möchte bloß wissen, was die hier wollen.«

»Geh raus und frag sie«, erwiderte sie lakonisch. »Und dann gibst du mir Bescheid.«

Jim schob den Stuhl zurück, murmelte etwas, das so ähnlich klang wie warum eigentlich immer ich, und ging dann aber trotzdem wieder nach draußen.

Auf dem Verandavorbau angekommen hakte er die Daumen hinter das Leder seines Waffengurts und beobachtete mit gemischten Gefühlen das Herannahen der Patrouille.

Ihr Anführer war tatsächlich ein Lieutenant.

Mary Ann besaß anscheinend Augen wie ein Luchs. Jim kannte nur wenige Menschen, die auf diese Entfernung die unterschiedlichen Dienstgrade der Armee auseinanderhalten konnten. Erstaunt stellte er fest, dass der Lieutenant in Anbetracht seines Ranges und der Umgebung, in der er seinen Dienst versah, noch ziemlich jung war. Er schätzte ihn auf höchstens fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig.

Er änderte seine Meinung jedoch schnell, als der Soldat näherkam und er sein Gesicht genauer betrachten konnte. Der Lieutenant mochte zwar jung an Jahren sein, aber nicht an Erfahrung.

Das Land hatte ihn ziemlich schnell hart gemacht.

Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte kantig und war von tiefen Furchen durchzogen, die man normalerweise nicht bei einem Mann seines Alters vermutete. Die Sonne hatte sein weizenblondes Haar genauso ausgebleicht wie die Rangabzeichen auf seinen Schulterklappen und der Blick aus seinen hellblauen Augen war gleichfalls so kalt und unergründlich wie ein tiefer Bergsee.

Er war noch etwa vier Schritte von ihm entfernt, als er sein Pferd zum Stehen brachte und den Hut zog.

»Guten Morgen, Sir. Mein Name ist Frazer, Lieutenant Mike Frazer, ich bin auf der Suche nach einem US-Marshal namens Crown?«, sagte er, während er sich suchend umblickte. »Man hat mir gesagt, dass ich ihn hier antreffen würde.«

Jim grinste.

»Das ist richtig, was wollen Sie von ihm?«

Der Soldat rümpfte arrogant die Nase.

»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht. Warum fragen Sie?«

Weil ich der Gesuchte bin, du Arschloch, dachte Jim, behielt seine Meinung jedoch für sich.

Er hatte für die Army noch nie große Sympathien empfunden, das galt besonders für die blauen Uniformträger aus dem Norden, die sich in Texas immer noch gerne als Besatzungsmacht aufspielten, obwohl der Bürgerkrieg schon seit vielen Jahren zu Ende war.

Dass seine Antwort trotzdem höflich ausfiel, lag einfach daran, dass er keine Lust hatte, sich schon morgens mit jemandem zu streiten und schon gar nicht mit einem Yankee.

»Weil mein Name zufällig Crown ist, Jim Crown.«

Der Lieutenant zuckte überrascht zusammen.

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«

»Wieso sollte ich?«, erwiderte Jim unschuldsvoll und schenkte Frazer ein solch zuckersüßes Lächeln, dass die Augen des Soldaten ärgerlich zu funkeln begannen.

»Sie haben lediglich erwähnt, dass man Ihnen gesagt hat, dass ich hier anzutreffen bin, und das habe ich Ihnen bestätigt. Sie haben mich nicht nach meinem Namen gefragt, richtig?«

Die Antwort des Soldaten war ein ungehaltenes Brummen.

»Colonel Hawkins lässt Ihnen ausrichten, dass er Sie sprechen will.«

Crowns Lächeln erstarb augenblicklich.

Die Aussicht, seinen bequemen Bürostuhl und Mary Anns Kochkünste gegen einen Dreitageritt in sengender Sonne und den Fraß aus der Armeekantine einzutauschen, behagte ihm genauso wenig, wie sich mit dem Kommandanten von Fort Worth zu unterhalten, der als Paragrafenreiter bekannt war und nichts anderes kannte als seine Vorschriften und Dienstanweisungen.

»Schön, aber ich nicht mit ihm«, sagte er daher. »Ich fürchte, Sie haben den langen Ritt hierher umsonst gemacht.«

»Das glaube ich kaum, denn der Colonel wird Ihre Entscheidung nicht akzeptieren. Tut mir leid, Marshal, aber das Anliegen meines Vorgesetzten ist höchst offiziell. Es ist also besser, wenn Sie mitkommen.«

»Haben Sie deshalb Hilfe mitgebracht?«, fragte Crown und deutete auf die sechs Soldaten, die in angemessener Entfernung warteten.

Der Lieutenant zuckte die Achseln.

»Nur für den Fall, es liegt an Ihnen.«

Crown dachte einen Moment nach, dann nickte er seufzend. Er wusste, dass die Army am längeren Hebel saß, genauso wie er wusste, dass er keinen unerfahrenen Jüngling vor sich hatte, der frisch von der Militärakademie gekommen war, sondern einen beinharten Lieutenant, der sich garantiert nicht umstimmen ließ.

»Okay, aber bevor ich Sie begleite, will ich erst noch mit meinem Vorgesetzten reden. Oder darf ich das auch nicht?«

Frazer lächelte sparsam.

»Natürlich, aber ich glaube das wird nicht nötig sein. Gouverneur Coke ist seit vorgestern zu Gast bei uns im Fort, und wie ich gehört habe, verstehen er und der Colonel sich prächtig.«

Crown runzelte die Stirn.

»Tatsächlich?«

Statt einer Antwort zog Frazer seine Uhr aus der Tasche, warf einen Blick darauf und beugte sich wieder im Sattel vor.

»Wir brechen in einer Stunde auf«, sagte er emotionslos. »Sind Sie bis dahin reisefertig?«

»Vielleicht«, knurrte Jim ungehalten.


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