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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 19

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Wettlauf mit der Zeit

Jack und seinen Begleitern war es gelungen, sich noch in der Nacht aus Santiago hinauszuschleichen und den Rückweg zum Ankerplatz der White Swallow anzutreten. Dort waren die Männer in heller Aufregung. Am Abend war einigen aufgefallen, dass Edmund und zwei andere Kameraden fehlten. Man hatte überlegt, ob man Männer nach Santiago schicken sollte, um Jack mitzuteilen, dass Deserteure unterwegs waren. Doch letztlich war die Entscheidung gefallen, auf die Rückkehr des Kapitäns zu warten. Die Nachricht, dass Edmund zu den Spaniern übergelaufen war und nun auch noch ihren Auftrag verraten hatte, brachte die Männer vollends in Rage. Jack erklärte seinen engsten Vertrauten die Situation, sorgte dafür, dass seine Kajüte für Elena und ihren Vater geräumt und ihr Aufbruch vorbereitet wurde. Da noch immer nicht alle Schäden an der Swallow vollständig behoben und einige Arbeiten gerade in vollem Gange waren, konnten sie nicht vor dem Abend aufbrechen und so blieb Jack nichts anderes übrig, als zu warten. Sie würden großes Glück brauchen, wenn sie die Jungfrau von Cartagena noch vor Port Royal einholen wollten. Natürlich konnte niemand sagen, wann Edmund Santiago verlassen hatte. Joe war sich noch nicht einmal sicher, ob die Piratenjäger überhaupt schon in See gestochen waren. Nachdem Jack und die Seinen entkommen waren, konnte sich der Feind eigentlich denken, dass sie versuchen würden, die Jungfrau zu stellen. Aber Jack war sich sicher, dass Edmund arrogant genug war anzunehmen, dass er es mit der White Swallow problemlos aufnehmen konnte. Und tatsächlich war dem Kapitän klar, dass der Verräter die Schwächen und Stärken des Schiffes genau kannte. Aber auf der anderen Seite hatte er einen nicht minder großen Trumpf in der Hand: Elena und ihren Vater. Wenn ihm jemand wichtige Informationen über das Schiff seines Feindes geben konnte, dann mit Sicherheit diese beiden. Vater und Tochter waren auf dem Weg zum Ankerplatz der Swallow sehr schweigsam gewesen. Jack wusste nicht recht, ob das nur an der allgemeinen Situation lag, dass sie gerade ihr Schiff verloren hatten, oder ob dazu noch Misstrauen gegen ihn und seine Mannschaft kam. Jack hatte die beiden aufgenommen, da er davon ausgegangen war, dass sie keinen anderen Ort hatten, wohin sie sich wenden konnten. Bei einem einflussreichen spanischen Kaufmann in einer spanischen Handelsstadt eigentlich ein dummer Gedanke. Das war dem Kapitän später auch aufgegangen. Doch dann stellte er sich die Frage, warum die beiden ihn und seine Männer begleiteten. Es hatte sie niemand dazu gezwungen, nach ihrer gemeinsamen Flucht vor den Piratenjägern waren die beiden ehemaligen Gefangenen frei zu gehen, wohin sie wollten. Dass sie diese Freiheit nutzten, um Jack zu folgen, machte diesen erneut stutzig. Diese und ähnliche Gedanken hin und her wälzend stand Jack im Schein der Sterne an Deck und starrte auf die dunkle Landmasse zurück, die langsam in immer weitere Ferne rückte. Leise Schritte ließen ihn aufhorchen. Plötzlich stand Elena neben ihm an der Reling und sah hinaus auf das Meer.

»Eine wunderschöne Nacht, nicht wahr, Kapitän?«

Jack sah die junge Frau verwirrt von der Seite an. Bisher hatte er in den kurzen Gesprächen, die sie geführt hatten, eigentlich eher Verwünschungen und Beleidigungen gehört, als freundliche Worte. Andererseits hatte die spanische Dame bei diesen Gelegenheiten auch Fesseln getragen und war die Gefangene eines Freibeuterkapitäns gewesen. Jetzt war sie Gast an Bord seines Schiffes. Zugegebenermaßen vollkommen andere Grundvoraussetzungen für ein Gespräch. Dennoch wollte Jack nicht so recht an den Sinneswandel und die plötzliche Freundlichkeit der Frau glauben. Vielleicht kam es auch daher, dass seine Stimme etwas schroffer klang als beabsichtigt, als er schließlich fragte: »Señora, warum seid Ihr hier? Noch vor nicht einmal einem Tag habt Ihr mir den Tod gewünscht und jetzt begleitet Ihr mich und meine Männer freiwillig an Bord eines Seglers voller Freibeuter?«

Elena schenkte dem Kapitän ein freundliches Lächeln. »Ihr habt einmal Euer Wort gehalten, dass mir nichts geschehen würde. Warum sollte ich Euch jetzt nicht vertrauen? Und habt Ihr uns nicht Eure Gastfreundschaft angeboten, Kapitän?«

»Was habt Ihr vor, wenn wir Port Royal erreichen? Ich glaube nicht, dass ein spanischer Kaufmann dort sonderlich willkommen sein wird. Abgesehen davon, dass ich für Eure Sicherheit in dieser Stadt der Sünde und des Lasters unter keinen Umständen mehr garantieren könnte.«

»Wir werden Euch nicht bis Port Royal begleiten, Kapitän. Wir bleiben an Bord, bis wir die Jungfrau von Cartagena gefunden haben. Dann entern Eure Männer das Schiff, befreien unsere Mannschaft und wir gehen wieder getrennte Wege.« Die junge Frau schaute wieder auf das Wasser hinaus.

Mittlerweile war die Küste von der Nacht völlig verschluckt worden. Ihre Stimme klang fest und bestimmt. Jack stellte zu seiner Verwunderung fest, dass sie in dieser Sache einfach keinen Widerspruch dulden würde, wie auch immer dieser geartet sein mochte. Elena imponierte ihm. Nicht nur ihre Schönheit, die ihn an eine andere Frau aus weit entfernten Tagen erinnerte, sondern auch ihr ganzes Auftreten, ihre Art, mit den Wendungen des Schicksals umzugehen. Die Kraft und der Stolz, die sie ausstrahlte, all das machte die junge Frau für Jack anziehend. Und doch war dem Freibeuter klar, dass er sich seine Schwärmerei nicht anmerken lassen durfte. Wenn einer seiner Männer einen dahingehenden Verdacht schöpfen würde, dann würde schnell der Vorwurf aufkommen, er hätte die Spanier nur wegen persönlicher Gefühle an Bord aufgenommen. Und ein Mann, der seine persönlichen Gefühle für eine Frau über die Belange der Mannschaft stellte, konnte nicht lange Kapitän eines solchen Freibeuterseglers sein. Nein, er würde die Jungfrau von Cartagena jagen, Edmund zur Strecke bringen und Elena und ihrem Vater ihr Eigentum zurückgeben. Nur die Dokumente, die zu holen sein Auftrag gewesen war, die würde er wieder an sich nehmen müssen.

Jack verabschiedete sich, wünschte Elena eine gute Nacht und zog sich unter Deck zurück. Da seine Kajüte belegt war, hatte er wieder eine Hängematte im Mannschaftsquartier unter Deck bezogen. Hier unten angekommen schlief er schnell ein. Die Schmerzen in seiner Schulter, die vor dem Aufbruch aus der kleinen Bucht eher notdürftig versorgt worden war, waren schwächer als die bleierne Müdigkeit, die den jungen Mann befallen hatte.

Früh am nächsten Morgen kam der erhoffte Ruf aus dem Ausguck.

»Schiff Ahoi! Sie segeln unter spanischer Flagge!«

»Ist es die Jungfrau?« Jack war erst wenige Augenblicke an Deck, als die Nachricht von oben erscholl.

»Ich nehme an, Käpt´n!«, kam die prompte Antwort. Natürlich war die Entfernung noch zu groß, um eine sichere Antwort zu erhalten, aber es war auf jeden Fall ein Lichtblick.

»Verfolgung aufnehmen!« Sofort herrschte eilige Betriebsamkeit an Bord. Und tatsächlich wurde die Swallow schneller, sodass man das feindliche Schiff schon bald auch von Deck aus als etwas größeren schwarzen Fleck am Horizont erkennen konnte.

»Es ist die Jungfrau von Cartagena

Jack nickte langsam. Edmund war gerissen. In spanischen Gewässern und auf dem offenen Meer, wo die Spanier die Oberhoheit hatten, bediente er sich der spanischen Flagge. Bald würden sie britische Gewässer erreichen. Dann würde der Verräter mit Sicherheit die englische Flagge hissen. Wenn es dazu kam, war es für Jack, als Freibeuter der englischen Krone, schwierig, die Jungfrau anzugreifen. Der Angriff auf ein Schiff unter englischer Flagge galt für einen Diener der Krone als Hochverrat. Und auch wenn Jack Freibeuter war und somit nicht direkt dem englischen Militärapparat angehörte, er war sich der Schwierigkeiten, die ihm aus einem solchen Angriff erwachsen konnten, durchaus bewusst. Sie mussten den Feind einholen, bevor sie die Gewässer von Port Royal erreichten. Die Jungfrau war ihm schon einmal entkommen und damit hatte der ganze Ärger angefangen. Noch mal würde er das nicht zulassen. Zumindest nicht, solange es irgendeinen Weg gab, das zu verhindern.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters