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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Zweiter Teil – Zweiundvierzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Zweiundvierzigste Erzählung

Das Gespenst, welches, wie höllisches Feuer brennend, sich seiner Haut wehrt

Am 3. September des Jahres 1776 fuhr der Rittmeister, Herr Graf von Sparr, unter anderen begleitet vom Herrn Major Baron von Lentulus, zum sächsischen Städtchen Ileburg. Da sie an dem nämlichen Tag schon wieder im Standquartier zu Rathenow eintreffen wollten, zu Ileburg aber sich sehr verspätet hatten, so nahmen sie die Nacht zu Hilfe. Es war eine schöne, helle Sommernacht, man unterschied jeden Gegenstand ziemlich genau. Man erzählte einander zum Zeitvertreib von allerlei selbst bestandenen Abenteuern und selbst erlebten spukhaften Erscheinungen. So rege indessen durch jene Erzählungen das Vorstellungsvermögen und so wirksam die Einbildungskraft der genannten Herren geworden war, so war es doch in ihren erleuchteten Köpfen viel zu hell, als dass die Gespensterstunde und das nächtliche Halbdunkel, worin sie nun waren, ihre Sinne hätte betören sollen.

Plötzlich riefen jene beide Herren, die Dame, welche sie bei sich hatten, und der Kutscher, indem sie alle rechts vom Wege hinabsahen, wie aus einem Mund: »Sehen Sie, sehen Sie einen Trappen!«

Alle waren der Erscheinung so nahe, dass ein Irrtum, ein Sinnenbetrug auch nicht einmal möglich schien. Alle unterschieden auf das Deutlichste jeden einzelnen Teil dieses sonst so scheuen Vogels. Der dicke Rumpf in der Mitte, die langen Beine darunter und darüber der weit hervorragende Hals, ja sogar die sich sträubenden Federn darauf; ferner die schwankende Bewegung des Halses, der nach allen Richtungen hingewandte lauschende Kopf und endlich selbst der Schatten, welchen der Trappen mittels des Mondlichtes so unverkennbar auf die Erde warf, dass man aus diesem allein auf das Dasein eines Trappen hätte schließen müssen.

Alles veranlasste den einstimmigen Ausruf: »Ein Trappen!«

Dennoch war das, was man verwunderungsvoll hier so nahe am Weg erblickte, keinen Trappen, sondern ein Gespenst der gewöhnlichsten Art.

Diesen Umstand entdeckte man indessen erst, als Herr Graf von Sparr, in der Meinung, dass der nicht auffliegende Trappen krank sei, raschen Entschlusses vom Wagen stieg und auf das Untier zusprang. Er hatte ein Spanisches Rohr in der Hand. Es würde ihm ein Leichtes gewesen sein, mit demselben dermaßen danach einzuhauen, dass ein Vogel das Fortfliegen wohl hätte unterlassen sollen. Ihm war es indessen gar nicht darum zu tun, das vermeintlich kranke, wehrlose Tier zu töten. Er wollte es vielmehr lebendig einfangen. Am Ende griff er der spurhaften Erscheinung mit der einen Hand entschlossen nach dem langen Hals, mit der anderen nach dem einen Flügel.

Aber o wehe! Dieser entschlossene Angriff kam ihm teuer zu stehen. Das Ungeheuer, welches er packte, brannte wie höllisches Feuer! Mit einem lauten Schrei zog er die schmerzenden Hände wieder an sich. Was er gepackt hatte, war kein Trappen, war ein im höchsten Grade täuschendes Gespenst der Einbildungskraft- ein Busch Brennnesseln!

So gewiss jene erleuchtete Herren, wenn sie nicht handgemein mit der Erscheinung geworden wären, darauf geschworen haben würden, neben dem Wagen einen wirklichen Trappen gesehen zu haben, mit ebenso vieler oder vielmehr mit noch viel größerer Zuverlässigkeit werden Personen, in deren unaufgehellten Köpfen es noch spukt, bei mancher anderen nicht weniger natürlichen, anscheinend aber spukhaften Erscheinung, versichern, ein wirkliches Gespenst gesehen zu haben.