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John Sinclair Band 2098 – Der Atem der Sirene

Ian Rolf Hill
John Sinclair Band 2028
Der Atem der Sirene

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 23. Mai 2017, 68 Seiten, 1,80 Euro, Covermotiv: shutterstock/Justdd; Baimieng
www.bastei.de

[…] Wir sprechen von einer Zeit, als die Menschen gerade damit begannen, sesshaft zu werden. Es war die Zeit vor den großen Siedlungen, aber eben auch vor der Schreckensherrschaft des Schwarzen Tods. […] Doch es gab schon die Sirenen, und ihr Lebensenergie, ihr Lebensatem, wie er genannt wurde, vermochte selbst die Großen Alten in ihre Schranken zu weisen. […]

Unvermittelt taucht Myxin, der Magier, in John Sinclairs Londoner Wohnung auf. Er glaubt, einen Weg gefunden zu haben, die im Koma liegende Sedonia (siehe JS 2014 – 2016) zu retten. Dazu müsste der Geisterjäger nur 15.000 Jahre in Vergangenheit reisen und den Lebensatem der Sirenen an sich bringen, mit dem Sedonia wieder geheilt werden kann. Auch das Schicksal des Eisernen Engels steht auf dem Spiel, der sich aus Kummer um Sedonias Zustand in die Schlucht der stummen Götter zurückgezogen hat und dort reglos verharrt.

[…] Mit den Armen zog sich die Erscheinung auf den Felsen und drehte sich dabei blitzartig herum, sodass ich nur noch den zierlichen Rücken mit dem lang darüber fallenden Haar sehen konnte. Dort, wo sich die Beine der wunderschönen Frau eigentlich hätten befinden sollen, sah ich einen grün-schwarz geschuppten Fischleib, dessen Flosse ich nicht erkennen konnte, denn sie verschwand in den gischtenden Fluten der See. […]

Mit Der Atem der Sirene hat Ian Rolf Hill einen ungewöhnlich langsamen Sinclair-Roman abgeliefert, der, von einigen belanglosen Actioneinlagen unterbrochen, vor allem von ausführlichen Umgebungsbeschreibungen und Sinclairs gedanklichen Reflektionen lebt, zu denen sich mehr als ausreichend Gelegenheit findet. Schließlich weiß Sinclair, was sich zukünftig in diesem Landstrich noch abspielen wird; befindet er sich doch auf einer spärlich besiedelten Halbinsel, die unabwendbar im Meer versinken und als Atlantis in die Geschichte eingehen wird. Auch wenn diese Grübelei des Geisterjägers mit einigen Wiederholungen einhergeht, fügt es sich doch gut in die allgemein ruhige Stimmung des Romans ein. Beim Lesen stellt sich tatsächlich das Gefühl schier unendlicher, archaischer Weite ein, über der ­als bizarrer Kontrapunkt Arkonadas Planet der Magier wie ein zweiter Mond am prähistorischen Nachthimmel leuchtet. Der gefahrvolle Weg durch dieses urtümliche und unwirkliche Land ist das Ziel. So lernt man hier eine neue Seite von Ian Rolf Hill kennen, der es eigentlich gar nicht nötig hat, sich immer wieder in überschwängliche Actionszenen zu flüchten. Auch bei der Umsetzung geht Hill einen interessanten Weg. Die Handlung startet in der Vergangenheit. Nur häppchenweise lässt der Autor durchblicken, wie es zu Sinclairs Aufenthalt dort kommt.

Dass sich der Zeitreisende, kaum in der Vergangenheit angekommen, einem angriffslustigen Mammut und kurz darauf einer Harpyie gegenübersieht und sich nach deren erfolgreicher Vernichtung ohne größere Kommunikations- und Erklärungsnöte einen Stamm Frühmenschen anschließen kann, muss man dafür einfach schlucken.

Fazit:
Lässt man sich auf den behäbigen Erzählfluss ein, wird man mit einem außergewöhnlichen und stimmungsvollen Fantasy-Sinclair belohnt.

(eh)