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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 13

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Elena

Eine junge Frau stand in der Türöffnung und schaute Jack unverwandt ins Gesicht. Es dauerte einen Moment, ehe der junge Kapitän, der von der Ausstrahlung der Frau völlig gefesselt war, bemerkte, dass sie eine einläufige Pistole direkt auf die Brust des Freibeuters gerichtet hatte.

»Was wollt Ihr zu dieser Zeit von einem ehrenwerten Kaufmann und seiner Familie?« Die Stimme der Frau klang in Jacks Ohren ähnlich betörend, wie ihr Aussehen es war. Das schwarze schulterlange Haar umrahmte ein schmales Gesicht, dass dem Seemann wie das Schönste erschien, was er in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Das weite Kleid, das die Spanierin trug, ließ ihre Figur nur erahnen. Doch selbst das wenige, was Jack davon zu sehen bekam, reichte aus, um ihm das Denken erheblich zu erschweren. Er hatte mit einem spanischen Kaufmann gerechnet. Wahrscheinlich wäre Jack weniger erstaunt gewesen, wenn ein Riese die Tür aufgemacht hätte. Aber dass eine Frau mitten in der Nacht, eine Waffe in der Hand, drei Freibeutern entgegentrat, war in der Tat ein eher seltenes Erlebnis. Dass es dazu eine ausgesprochene Schönheit war, ließ Jack einen Moment zu Boden starren. Erst als die Frau noch einmal mit der Waffe wedelte und mit schärferer Stimme nachfragte, schaute er sie an.

»Habt Ihr Eure Stimme verloren?«

»Ihr solltet die Waffe senken, Señora«, erklärte Pablo leise. »Euer Haus ist umstellt, wir sind zu dritt und bewaffnet. Und wir werden unsere Waffen benutzen, wenn Ihr uns dazu zwingt.«

Der gerade noch so selbstsichere Gesichtsausdruck der Spanierin wich einem beinahe ängstlichen. Mit einem leisen Zittern in der Stimme fragte sie noch einmal leise: »Wer seid Ihr und was wollt Ihr von uns?«

»Von Euch? Ich denke gar nichts, Señora. Wir suchen den Kapitän der Jungfrau von Cartagena.« Jack hatte seine Stimme wiedergefunden und straffte sich. Joe registrierte mit einem besorgten Seitenblick, dass sein junger Freund mit den Augen noch immer wie gebannt am Gesicht der Spanierin hing.

Diese flüsterte leise: »Also hatte mein Vater doch recht.«

»Wo ist er, Señora? Wir wollen Euch nichts tun, aber wie mein Freund hier schon sagte, wir werden nicht davor zurückschrecken, unsere Waffen einzusetzen.«

Trotzig streckte sie den Fremden ihr Kinn entgegen, als sie antwortete. »Wenn ich schreie, wird in wenigen Augenblicken jeder Mann der Straße hier sein, um uns beizustehen.«

»Und um in den sicheren Tod zu gehen«, fügte Jack trocken hinzu.

Joe, dem das Geplänkel nahe der offenen Straße schon viel zu lange dauerte, schob die spanische Dame kurzerhand ins Haus. Diese war davon so überrascht, dass sie sogar die Waffe senkte. Erst als Pablo die Tür hinter sich wieder schloss und den Riegel vorschob, registrierte die junge Frau, dass sie in der Falle saß. Langsam, die Waffe wieder auf die Eindringlinge richtend, ging sie einige Schritte rückwärts, um etwas Abstand zwischen sich und die Männer zu bringen. Jack, der sich mittlerweile wieder vollständig gefangen hatte und die Panik im Blick der jungen Frau richtig deutete, hatte seine Waffe längst wieder weggesteckt und hob nun beide Hände. Beschwörend erklärte er: »Wir wollen den Kaufmann der Jungfrau von Cartagena sprechen. Danach werden wir dieses Haus verlassen.«

»Ich fürchte, Ihr kommt zu spät.«

Die Worte der jungen Frau, mit einem Anflug von Trotz und Gehässigkeit hervorgestoßen, trafen Jack wie ein Fausthieb.

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Er ist geflohen. Hat wie ein Wahnsinniger gewütet, einige Sachen zusammengesucht und das Haus verlassen.«

»Wohin ist er gegangen?«

Wütend starrte das Mädchen, das mittlerweile Jacks einzige Chance war, seinen Auftrag doch noch zu erfüllen, die drei Männer an. Dann murmelte sie leise: »Macht mit mir, was immer ihr wollt. Aber ich werde meinen Vater nicht verraten.«

Jack, dem in diesem Augenblick der rettende Einfall kam, trat lächelnd einen Schritt näher an die Tochter des Kaufmanns heran. Ihre Waffe interessierte ihn mittlerweile nicht mehr sonderlich. Hätte sie den Mut gehabt, die Pistole zu benutzen, sie hätte es längst getan. Ihre Worte ließen viel mehr darauf schließen, dass sie aufgegeben hatte. Eine junge Frau, die bereit war, Leib und Leben zu opfern, um ihren Vater zu retten. Jack empfand tiefen Respekt für die Spanierin. Und ihm war klar, dass dieses Gefühl von den meisten seiner Crewmitglieder nicht geteilt werden würde. Unter Freibeutern und Piraten galten Frauen, die der Gruppe in die Hände fielen, als Freiwild. Wer wollte, durfte sich bedienen. Doch in diesem Fall würde Jack das zu verhindern wissen. Der jungen Frau eine Hand entgegenstreckend erklärte er: »Niemand erwartet, dass Ihr Euren Vater verratet. Und doch werdet Ihr uns helfen, ihn zu finden. Und ich werde dafür sorgen, dass Euch kein Haar gekrümmt wird.«

Zweifelnd sah die Spanierin den Kapitän an.

»Gebt mir die Waffe, My Lady.«

Kopfschüttelnd stand sie da und betrachtete Jack. Dann murmelte sie leise: »Ein Engländer.«

»Ein ebensolcher. Und ihr habt mein Wort, dass Euch nichts zuleide getan wird.«

»Was haben wir Euch getan?« Die zur Schau getragene Stärke der Kaufmannstochter wich einer Verzweiflung, wie Jack sie selten zuvor gesehen hatte. Die junge Frau, den Tränen nahe, hatte die Waffe entgültig gesenkt und stand mit herabhängenden Schultern und den Blick zu Boden gewandt da. Jack spürte Mitleid, aber er durfte diesem jetzt nicht nachgeben. Er musste ihren Vater finden.

»Ein Auftrag, My Lady. Nur ein Auftrag.«

Jack und Pablo blieben im Haus bei der Spanierin. Joe holte die anderen Männer herein. Während ihre Gefangene in einem der fensterlosen Innenräume des Hauses eingesperrt wurde, besprachen Jack und seine Männer den Plan ihres Kapitäns. »Das gefällt mir nicht, Kapitän.« Jack war es nicht gewohnt, dass Pablo an seinen Ideen und Plänen zweifelte. Umso größer war sein Erstaunen, als der Portugiese seine Meinung kundtat.

»Was genau gefällt dir daran nicht?«

»Diese Frau. Warum war sie hier? Welcher Mann würde seine Tochter zurücklassen, wenn er erwartet, von einer Horde Piraten überfallen zu werden?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ihr Vater ihr eine Menge bedeutet. Ansonsten würde sie nicht ihr Leben für ihn riskieren. Wir können nur hoffen, dass sie ihm ebenso wichtig ist.«

Es dauerte nicht lange, die Männer endgültig vom Vorhaben ihres Kapitäns zu überzeugen. Joe, der auserkoren wurde, Jacks Plan in die Tat umzusetzen, verließ etwa eine Stunde später das Haus. Sein Ziel war der Hafen. Lächelnd dachte er an den Gesichtsausdruck seines Kapitäns, als dieser den Männern ausdrücklich befohlen hatte, dass der jungen Frau, dessen Name Elena war, wie sie Jack gesagt hatte, kein Haar gekrümmt werden dürfte. Wenn Joe sich nicht täuschte, würden sie wegen dieser Frau noch eine Menge Ärger bekommen. Blieb nur die Hoffnung, dass sie es wert war.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters