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Deutsche Märchen und Sagen 27

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

27. Das Feuerschloss

Es war einmal ein Fischer, der saß am Wasser und fischte und saß drei Tage und hatte noch nichts gefangen. Endlich am Abend des dritten Tages wollte er sein Netz aufziehen und nach Hause gehen, doch das Netz war so schwer, dass er es kaum bewältigen konnte.

Als er es aber endlich aus dem Wasser hatte, da lag ein großer Fisch darin. Der tat den Mund auf und sprach: »Hör, Fischer, lass mich gehen.«

Als der Fischer hörte, dass der Fisch sprechen konnte, sagte er: »Nun ja, dann spring in Gottes Namen wieder fort.« Und warf ihn ins Wasser.

Am anderen Tag fing der Mann wieder nichts. Als er abends aber sein Netz aufziehen wollte, da war es wieder so schwer.

Der große Fisch hing wieder darin und sprach: »Hör, Fischer, lass mich gehen.«

»Ja«, sprach der Fischer, »auf die Art habe ich heute Abend wieder nichts zu essen als trockenes Brot.«

»Lass mich gehen«, sprach der Fisch, »es wird dein Glück sein.«

Da ließ der Fischer ihn wieder ins Wasser springen. Den Tag darauf zog der Fischer abermals leere Netze.

Des Abends aber lag der große Fisch noch einmal darin und der sprach: »Nun höre, Fischer, und versteh mich wohl. Nimm mich mit nach Hause und lass deine Frau mich zerteilen. Dann gibst du deinem Pferd meinen Kopf, deinem Hund meinen Schwanz, die Gräten vergräbst du in deinen Garten und das Übrige isst du mit deiner Frau. Das ist mein letztes Wort.«

Da tat der Fischer nach des Fisches Willen und neun Monate später bekam seine Frau drei Kinder, sein Pferd drei Füllen und sein Hund drei junge Hündlein. Aus den Gräten aber waren drei Blumen gewachsen und die Wurzeln von den Blumen das waren drei Schwerter. Der Fischer aber fischte immer zu und hatte sein Netz voll, so oft er aufzog, sodass er ein steinreicher Mann wurde.

Mit der Zeit aber wurden die Füllen zu Pferden und die Hündlein zu Hunden und die Kinder zu großen und schönen Jünglingen.

Die sprachen eines Tages: »Vater, wir wollen die Welt besehen.«

»Das tut«, sprach der Fischer und schenkte jedem ein Pferd, einen Hund und ein Schwert. Da zogen sie zusammen aus und zogen sieben Jahre herum und fanden kein Abenteuer. Da kamen sie eines Tages gegen Abend in einen Wald, banden ihre Pferde an die Bäume und legten sich schlafen.

Als sie morgens nun wieder aufwachten, sprach der Älteste: »Ich habe geträumt, wir müssten uns trennen und jeder eines anderen Weges ziehen.«

»Das hat uns auch geträumt«, sprachen die beiden anderen.

Sie setzten sich zu Pferd, ritten aus dem Wald und kamen an einen Dreiweg. Da sprachen sie: »Hier wollen wir uns über ein Jahr und sechs Wochen wiederfinden.« Dann schieden sie voneinander.

Der Älteste nun ritt und ritt, bis er in eine schöne Stadt kam, wo ein König wohnte. Da gefiel es ihm so gut, dass er beschloss, da zu bleiben. Da er nun alle Tage am Schloss des Königs vorbeiritt, sah ihn die Königstochter und gewann ihn so lieb, dass sie ihren Vater anlag, er möchte doch den schönen Ritter im Schloss wohnen lassen.

Als er aber einmal im Schloss wohnte, da wurde sie von so großer Liebe für ihn entzündet, dass sie ihn eines Tages frug: »Willst du mich nicht heiraten.«

Der Ritter sprach: »Ach, allerschönste Königstochter, das wäre das größte Glück von der Welt für mich, aber ich bin noch zu jung.«

»Nein«, sprach sie, »du musst mein lieber Mann werden.«

Da war er es zufrieden. Drei Tage darauf wurde die Hochzeit gehalten und das war eine Freude wie im Himmel. Als nun die Mahlzeit zu Ende war, da fing das Tanzen an. Als der Jüngling und die Königstochter müde waren vom Tanzen, gingen sie an ein Fenster, um einmal auszuschauen. Da sah er von Weitem ein großes Feuer. Er fragte die Königstochter, was das wäre.

»Ach«, sprach sie, »da hat schon mancher sein Unglück gefunden, denn wer das Feuer anrührt, der muss sterben.«

»Das will ich doch wissen«, sprach er, ging hinunter, setzte sich auf sein Pferd und ritt weg, wie sehr ihn seine Braut auch bat, er solle das doch nicht tun. »Ich komme gleich wieder« sprach er und sprengte weg. Als er an das Feuer kam, war das ein Schloss, welches golden und glühend leuchtete.

Kaum aber hatte sein Pferd noch zwei Schritt weiter getan und er das Schloss berührt, als er mit seinem Pferd und seinem Hund hinein verwünscht war. Was auf dem Königsschloss für eine Trauer war, das kann man sich wohl denken.

Nicht lange danach kam der zweite Fischerssohn auch in die Stadt. Dem gefiel es nicht minder gut da und er beschloss auch da zu bleiben. Er war aber seinem Bruder so gleich wie ein Tropfen Wasser dem anderen.

Darum meinte die Königstochter, es sei ihr Bräutigam, ließ ihn rufen, fiel ihm um den Hals, küsste ihn und sprach: » Ach, wie bin ich so froh, dass du wieder hier bist. Ich meinte, du wärest an dem Feuer umgekommen.«

Da wurde der König gerufen und es war ein Jubel und eine Freude, dass es nicht zu beschreiben ist. Der Jüngling wusste erst nicht, was er dazu sagen sollte, endlich aber dachte er: Halt, es ist gewiss einer von deinen Brüdern hier gewesen. Er hielt sich so gut und entschuldigte sich so wohl, dass es keiner merkte, dass er der Bruder des Ersten war.

Als er aber abends mit der Königstochter schlafen gehen wollte, sah er durch das Fenster von Weitem das Feuer und fragte seine Braut, was das wäre.

»Ach«, sprach sie, »das ist ja das Feuer, worauf du zugegangen bist und welches jeden tötet, der es berührt.«

»Richtig«, sprach er, »ich will doch noch einmal hin, denn ich konnte nicht zu wissen kriegen, was es ist.« Damit eilte er fort und schwang sich auf sein Pferd, wie sehr die arme Königstochter ihn auch bat, dass er es doch nicht tun möchte, und ritt weg. Als er aber in die Nähe des Feuers kam, erkannte er auch, dass es ein Schloss war. Doch in demselben Augenblick trat eine Hexe auf ihn zu und schlug ihn mit einem Rütchen. Da war er auch verwünscht und zu Stein geworden.

Als nun das Jahr und die sechs Wochen um waren, da kam der dritte Bruder auf den Dreiweg zurück, aber er fand die zwei andern nicht.

»Sie werden wohl noch kommen«, sprach er, »und ich will einem von ihnen ein bisschen entgegenreiten.« Da ritt er und ritt so lange, bis er auch in die Stadt des Königs kam.

Als die Königstochter ihn erblickte, lief sie vor Freuden die Treppe hinunter und auf die Straße und schrie: »Ach, Gott sei Dank, dass du wieder da bist! Was habe ich nicht für Angst und Sorgen um dich gehabt.« Sie meinte nämlich wieder, er wäre ihr Bräutigam, weil er dem so ganz ähnlich sah, dass kein Heidenkind den einen von dem anderen hätte unterscheiden können. Da er nun gar pfiffig war, merkte er gleich, da müssen seine Brüder im Spiel gewesen sein, tat, als wäre er der Rechte, und ging mit ihr zum König, der auch so froh war, dass es nicht zu beschreiben ist, und gleich ein großes Gastmahl anrichten ließ, welches erst spät abends beendet war. Wie sie nun alle aufstanden, sah er auch von Weitem das Feuer und fragte die Königstochter, was das wäre.

»Ach«, sprach sie, »das hast du mich nun schon dreimal gefragt.«

Drei Mal, dachte er.

»Und du bist schon zweimal …«

Zwei Mal, dachte er.

»… dahin geritten und jedes Mal so lange ausgeblieben.«

»So lang ausgeblieben?«, brummte er. »Haha, da waren also meine beiden Brüder schon hier. Wo die geblieben sind, da will ich auch bleiben.« Und damit packte er sich auf, sprach, er müsse mal hinuntergehen, setzte sich unten schnell auf sein Pferd und sprengte auf das Feuer zu.

Unterwegs sah er eine alte Frau, die saß am Weg und rief ihm zu: »Geht nicht in das Schloss. Eure zwei Brüder sind da verwünscht. Da rechts am Tor stehen sie in Stein verwandelt.«

Da sah er hin, erkannte ihre Gestalt, ihre Pferde, ihre Hunde und sprach: »Dann rate mir, wie ich sie erlösen kann.«

Die Frau sprach: »Da habt Ihr ein Döschen, das haltet bei Euch, dann kann Euch nichts geschehen. Steigt aber bei Leibe nicht von Eurem Pferd, sonst seid Ihr verloren.«

Das versprach er ihr, ritt hin, sah seine armen Brüder und kam durch das Tor vom Schloss.

Da trat ihm ein Weib entgegen, das sprach: »Ei, schöner Herr Ritter, steigt doch ein wenig ab und trinkt einmal. Ihr seid gewiss müde. Tut aber Euren Hund weg, der möchte mich beißen.«

»Nein«, sprach er, »ich steige nicht ab, trinke nicht und tue auch meinen Hund nicht weg.«

Da wurde das Weib böse und schrie: »Jetzt sollst du absteigen oder ich verwünsche dich.«

Da kriegte er die Angst, machte linksum und ritt zurück zu der alten Frau und fragte die: »Sage mir, wie kann ich meine Brüder erlösen?«

»Ja«, sprach sie, »das wird viel Mühe kosten.« Dann gab sie ihm einen Rat, wie er sich zu verhalten hätte, sprach: »Nun reite wieder hin, nimm dein Schwert in die Hand und halte dein Döschen gut fest. Du musst durch das Schloss hindurch reiten, dann wirst du an einen Berg kommen, da sprengst du hinauf. Das kostet dir aber viel Arbeit, denn all das Zaubergesindel wird hinter dir sein, doch das tut nichts, wenn du dich nur nicht umschaust. Oben auf dem Berg steht ein Baum und auf dem Baum sitzt ein Vogel. Den musst du packen und mir bringen, dann wollen wir schon sehen. Es wird dein Glück sein.«

Wie die Frau gesagt hatte, so tat er. Am Berg kam zwar allerhand Getier um ihn herum, aber er ließ sich nicht irre machen, sondern sprengte hinauf, ohne sich umzuschauen, kam an den Baum und griff den Vogel.

Kaum hatte er den aber in der Hand, als der anfing zu sprechen und sagte: »Nicht wahr, du willst deine zwei Brüder erlösen. Das kannst du durch mich, aber anders nicht. Wenn du mich der alten Frau in die Hände lieferst, dann bist du verloren und ich mit.«

Fragte der Jüngling: »Was muss ich denn tun?«

Sprach der Vogel: »Hau dir fürs Erste mit deinem Schwert einen Zweig vom Baum, mach dann ein Loch in den Baum und halte ein Fläschchen unter, er ist voll von Saft. Was du damit tun sollst, das will ich dir später schon sagen. Hüte dich aber, dass du den Zweig nicht auf die Erde legst, denn sonst wär alles verloren.«

Der Jüngling tat also und stieg dann mit dem Vogel wieder den Berg hinab. Da war erst alles ganz still, endlich aber brach von allen Seiten Feuer gegen ihn los, doch das brannte nicht.

Dann kam auch die Hexe und sprang auf ihn zu, schrie: »Willst du mir den Vogel und den Zweig geben? Gleich verwünsch ich dich auf tausend Jahr!«

Der Jüngling aber lachte und sprach: »Verwünsch nur zu, es hat gute Wege damit.«

Da musste sie wieder gehen. Da tat sie, als wollte sie den Vogel und den Zweig packen, aber das war nur, um ihn bang zu machen, und sie vermochte es nicht. Endlich kam denn der Jüngling herunter, wo seine Brüder standen.

Da kam die alte Frau zu ihm gelaufen und sprach: »Siehst du, dass ich dir gut geraten habe. Nun gib mir den Vogel, dann erlöse ich deine Brüder.«

Bat der Vogel: »Ach tue es doch nicht, sie bringt uns beide ins Unglück.«

Sprach der Jüngling: »Ja ich tue es auch nicht, lass sie nur plaudern.«

Da wurde die Frau böse, wollte auf ihn zuspringen, aber sie konnte es nicht wegen des Zweiges.

Sprach der Vogel: »Nun nimm dein Fläschchen und wasche deine Brüder mit dem Saft.«

Das tat er. Da waren sie erlöst und wachten auf.

Wie aus einem tiefen Schlaf sprachen sie: »So fest haben wir noch nie geschlafen.« Die Brüder waren nicht wenig verwundert, sich alle drei zusammen zu sehen.

»Nun wasch mich auch mit dem Saft«, sprach der Vogel.

Der Jüngling tat es und da stand der Vogel da als ein schöner Königssohn. Er war der Bruder der Königstochter. Da zogen sie all in Freuden zum Schloss und es war ein Jubel wie im neunten Himmel. Ja, nun wusste die Königstochter aber nicht, wer von den dreien ihr Mann war.

Nachdem sie nun lange geraten hatte, sprang der Erste hervor und sprach: »Ich bin es, liebe Frau!«

Da ging der Jubel noch mehr los. Bald darauf heiratete der zweite Bruder die Tochter eines Königs aus der Nachbarschaft und der dritte eine reiche Gräfin. Sie zogen alle drei zu ihrem Vater zurück. Und wenn sie noch nicht bei ihm angekommen sind, dann sind sie noch auf der Reise.