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Deutsche Märchen und Sagen 25

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

25. Von dem Schiff, das zu Wasser und zu Lande fuhr

Ein reicher und mächtiger König hatte nur eine einzige Tochter. Er ließ ein Gebot ausgehen in alle Länder, worin es hieß, er wolle die Tochter nur dem geben, der ein Schiff machen könne, welches zu Wasser und zu Lande führe.

Das hörten drei Jungen und die sprachen untereinander: »Warte, wir wollen doch einmal sehen, ob wir das nicht fertig kriegen.«

Der Erste von ihnen war aber ein Schreiner, der Zweite ein Ebenholzarbeiter und der Dritte machte Schuhe, zu denen man kein Leder brauchte1.

Als sie nun so recht frisch am Werk waren, kam ein altes Weibchen vor des Schreiners Tür gegangen und fragte: »Ei, was macht Ihr denn da so Künstliches?«

»Da kennst du ja doch nichts von, alte Schlore. Geh nur deines Weges und bekümmere dich nicht um mich«, sprach der Schreiner und arbeitete fort.

Da sprach das alte Weibchen: »Ja, ja, ich weiß, dass Ihr ein Schiff wollt machen, das zu Wasser und zu Lande fährt, und dass Ihr damit des Königs Tochter gewinnen wollt. Ich rate Euch aber, Euch weiter keine Mühe zu geben, denn Ihr kriegt es doch nicht fertig.« Damit ging sie vom Schreiner weg und kam zum Ebenholzarbeiter, der auch gar frisch und fröhlich drauf zimmerte.

»Was macht Ihr denn da, Freundchen?«, fragte sie.

Doch der Ebenholzarbeiter sprach: »Das geht dich nichts an, schmierige Hexe!«

Da sprach das alte Weibchen: »Ja, ja, ich weiß wohl, Ihr wollt ein Schiff machen, das zu Wasser und zu Lande fährt und damit des Königstochter gewinnen, aber gebt Euch keine Mühe, Ihr kriegt es doch nicht fertig.«

Damit ging das alte Weibchen weg und zum Holzschuhmacher, der auch just an seinem Schiff arbeitete. Den fragte sie auch: »Freundchen, was macht Ihr denn da?«

»Das will ich Euch einmal sagen, Mütterchen«, sprach der Holzschuhmacher. »Ich mache ein Schiff, womit man zu Wasser und zu Lande fahren kann. Wenn ich das fertig bringe, dann gewinne ich des Königs Tochter.«

Da sprach das alte Frauchen: »Gut, Freundchen. Arbeitet nur hübsch weiter, es wird schon gehen und des Königstochter ist dann für Euch. Wenn Ihr Euer Schiff fertig habt, na, dann will ich es einmal besehen kommen.« Damit ging sie weg und der Holzschuhmacher arbeitete noch einmal so flink und so rüstig.

Es dauerte nicht lange, da hatte er sein Schiff dastehen, fix und fertig.

Da kann das Frauchen wieder zu ihm und sprach: »Habe ich es Euch nicht gesagt? Das Schiff ist ganz gut. Nun fahrt weg zum König und nehmt alle in Euer Schiff, die Euch unterwegs begegnen. Und dass Ihr mir keinen draußen lasst, hört Ihr?«

»Gut«, sprach der Klumpenmacher und zog mit seinem Schiff weg zum König. Als er schon ein Endchen Wegs im Rücken hatte, fand er einen Mann, der stand neben einem trockenen Weiher und seufzte.

»Was tut Ihr da?«, fragte er.

Der Mann sprach: »Da habe ich nun drei Tage lang an dem Weiher getrunken und nun ist er leer. Und ich habe noch so großen Durst.«

»Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll Euch nicht bereuen«, sprach der Klumpenmacher. Und der Mann trat in das Schiff und fuhr mit.

Als sie wieder ein wenig weiter waren, fanden sie einen am Weg sitzen, der Knochen aß.

»Was macht Ihr da, Freundchen?«, fragte der Holzschuhmacher.

Der Mann sprach: »Ich sitze nun schon drei Tage hier und habe all das Vieh gegessen, was hier auf der Weide lief, und ich habe noch so großen Hunger.«

»Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es wird Euch nicht gereuen«, sprach der Klumpenmacher. Und der Mann stieg ein und fuhr mit.

Ein bisschen weiter noch trafen sie auf einen Mann, der hielt mit beiden Händen sein Knie fest.

»Was tut Ihr da, Freundchen?«, fragte der Holzschuhmacher.

Der Mann antwortete: »Ich muss mein Knie festhalten, denn täte ich das nicht, ich wäre in Eins – Zwei – Drei mehr denn 2000 Stunden von hier.«

»Gut, dann kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll Euch nicht gereuen«, sprach der Holzschuhmacher. Der Mann trat auch ein und fuhr mit.

Abermals ein Endchen weiter stand einer am Weg, der zielte mit einer Büchse auf sie.

»Was tut Ihr da, Freundchen?«, fragte der Schiffsherr.

»Geht aus dem Weg«, sprach der Mann, »denn wenn ich mit meiner Büchse schieße, dann gibt es einen Knall, den man mehr denn 2000 Stunden weit hören kann.«

»Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll Euch nicht gereuen«, sprach der Holzschuhmacher. Der Mann kletterte auch ein und zog mit.

Noch ein wenig weiter begegnete ihnen einer, der seinen Mund sorgfältig mit der Hand zuhielt.

»Warum tut Ihr das, Freund?«

»Weg, weg«, rief der Mann, » denn wenn ich blase, da müssen alle ersticken, die hinter mir sind.«

»Kommt mit in mein Schiff, es soll Euch nicht gereuen«, sprach der Holzschuhmacher. Der Mann sprang hinein und sie fuhren weiter und immer weiter, bis sie zum König kamen.

Da ließ der Holzschuhmacher sich anmelden und sprach: »Seht, Herr König, da steht das Schiff, wie Ihr es gewünscht habt.«

Der König besah es genau von innen und von außen. Er fand auch wohl nichts daran auszusetzen, doch wollte er seine Tochter nicht gern einem Holzschuhmacher zur Frau geben, suchte darum Ausflüchte und sprach: »Ja, das Schiff ist gut. Ehe Ihr aber meine Tochter heiraten könnt, müsst Ihr mir einen ganzen Keller voll Wein in einer Zeit von 24 Stunden austrinken.«

Da rief der Holzschuhmacher den, der so viel trinken konnte, und fragte ihn, in welcher Zeit er wohl einen Keller voll Wein austrinken könnte.

»Bah, in einem halben Stündlein«, sprach der.

Der andere ging zum König und sprach, der Keller sollte in einer Zeit von einer halben Stunde leer sein. Da ließ der König all den Wein, der in der Stadt war, in seinen Keller bringen und auslaufen, sodass der Keller so voll stand, dass der Wein aus den Fenstern auf die Straße lief. Der so stark trinken konnte, legte sich mit dem Mund daran und trank immer tiefer hinunter von einer Stufe zur anderen, bis er endlich auf dem Boden stand und kein Tröpfchen Wein mehr zu sehen war.

Da ging der Holzschuhmacher zum König und sprach: »Der Keller ist leer, nun gebt mir auch Eure Tochter.«

»Ja«, sprach der König, »wenn Ihr acht Kühe in einem Tag essen könnt, dann gebe ich sie Euch gleich auf der Stelle.«

»Wenn ich noch einen zu mir nehmen darf, der mit ist, dann ist es gut«, sprach der andere, und das bewilligte der König.

Da rief der Holzschuhmacher den, der so viel essen konnte. Der schnabulierte die acht Kühe in einer Zeit von einer Stunde und ließ weder Haut noch Knochen davon übrig. Nun sprach der Meister wieder, der König sollte ihm jetzt auch die Königstochter zur Frau geben.

Doch der König suchte wieder einen Ausweg und sagte: »Ich muss meinem Bruder einen Brief senden, der hat große Eile. Wenn du mir nun den Brief binnen 24 Stunden hin und Antwort zurück verschaffen könntest, dann gebe ich dir meine Tochter. Du musst aber wissen, dass mein Bruder 2000 Stunden weit von hier wohnt.«

»Das tut nichts«, sprach der Meister, »ich will Euch schon Antwort bringen.«

Er trug den Brief dem hin, der so schnell laufen konnte. Der ließ seine Knie mit einer Hand los und weg war er und wäre schon zurück gewesen, als die 24 Stunden noch lange nicht um waren, hätte ihn nicht unterwegs der Schlaf überfallen. Nun lag er aber unter einem Baum und schnarchte, dass es eine Art hatte. Als es nun schon mit den 24 Stunden zu Ende ging und der Läufer immer noch nicht kommen wollte, da sprach der Holzschuhmacher zu dem, der so hart schießen konnte, er solle nun auch seine Kunst mal zeigen. Der schoss alsbald seine Büchse ab und das gab einen Schlag, als wäre die Welt zusammengefallen. Der mit dem Brief erwachte auch augenblicklich und war in zwei Sprüngen mit der Antwort zurück. Da konnte der König nun nichts mehr gegen die Heirat einwenden. Die Hochzeit wurde auch mit vieler Pracht gefeiert, aber er war doch heimlich falsch, dass die Königstochter einen gemeinen Holzschuhmacher zum Mann haben sollte, und trachtete darum, diesen auf die Seite zu schaffen.

Gerade zu der Zeit kam ein großer Krieg ins Land und der König musste gegen seine Feinde zu Felde ziehen. Der schickte er seinen neuen Schwiegersohn voraus, dachte, der würde gewiss gleich totgeschlagen werden. Das ging aber nicht so. Der Tochtermann nahm den gewaltigen Bläser an seine Seite. Als der Feind kam, begann der zu blasen und das ganze Heer erstickte vom Geruch seines Atems. Dann drehte er sich um und ließ auch auf des Königs Lager, dass das auch erstickte mitsamt dem König und all seinen Räten. Da war der Holzschuhmacher ein mächtiger König geworden, hat auch lange und weise regiert, und die fünf wunderlichen Gesellen machte er zu seinen Ministern.

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  1. Holzschuhe