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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 29

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

29. Wie Rübezahl die Modenarren bestraft.

Es wäre gut, wenn Rübezahl sich heutzutage öfter zeigte und machte es, wie er es in folgender Geschichte gemacht hat, und würde doch damit vielleicht nichts ausrichten, denn bei den Deutschen ist da Hopfen und Malz verloren.

Es war damals, als die Deutschen anfingen sich zu schämen, dass sie Deutsche waren, und wollten lieber Narren und Affen der Franzosen sein. Mit diesen Narrheiten fingen die Fürsten an, und wurden Affen der Franzosen und französischen Schneiderlein, und der Adel wurde gleich wieder der Affe der Fürsten, und so machte denn ein Narr immer mehr Narren. Damals war nun eine neue französische Tracht von Haaren aufgekommen, und waren die Menschen darauf ganz des Teufels und besonders die Frauenzimmer. Denn es war diesen gar angenehm, besonders den alten, dass sie dadurch jünger und den Mannsbildern annehmlicher erschienen. Sie banden also derlei an die Stirn, gerade wie es jetzt wieder ist, damit die Herren nicht sehen möchten, dass sie kahl oder grau wären. Da sie dadurch ihrer Meinung nach gefälligeren Aussehens wurden, so nannten sie diesen Putz auch wieder mit einem ausländischen Wort – Favoritgen.

Als nun Rübezahl von diesen Narrheiten gehört hatte, begab er sich in eine der größeren Städte unterm Gebirge, wo eben Jahrmarkt war, und hatte Perücken feil. Bald fand sich auch ein junger Mensch, der gern eine mit einer Fronte gehabt hätte, und fragte, ob Rübezahl dergleichen habe.

Der sagte: »Genug, und alle nach der neuesten Art. Sie sind aber kostbar!« Er langte eine nach der anderen aus seinen Schachteln heraus.

Der Stutzer betrachtete mit Lust die neuen schönen Azeln. Je länger er sie betrachtete, desto verliebter wurde er in sie, und meinte nur, der einzige Fehler, den sie hätten, wäre der, dass sie zu theuer wären.

Rübezahl zuckte die Schultern.

»Aber«, fuhr der Stutzer endlich heraus, »da ich alsdann der Erste bin, der die neue Art hier trägt, so mag es drum sein und ich will sie behalten, ehe sie mir ein anderer wegkauft.« Also kaufte er die Perücke, setzte sie auch gleich auf und ging damit nach Hause.

Wie ein Lauffeuer ging es nun durch die ganze Stadt, dass neue Perücken zu haben waren. Wo ein Narr Geld hatte, kaufte er sich eine solche Azel, und der Handelsmann ging, als er alles verkauft hatte, eiligst seiner Wege.

Des Nachmittags, wo sich alles auf dem Jahrmarkt in seinem größten Staat zeigen wollte, dachte der obige HauptNarr: Du gehst auch. Er setzte also seine Azel auf, stolzierte in der Stadt umher und dachte an nichts. Aber als er gerade vor ein Haus kommt, wo alle Fenster mit schönen Frauen und Mädchen besetzt waren, es war beim Herrn Stadtrichter, wo eben die schönen Töchter herausschauten, da trat ein schlichter Bauer an ihn heran und sagte: »Guter Freund, Euch hat wohl jemand einen Schabernack gespielt.« Er zeigte dabei auf die Perücke.

Und zugleich tanzten und zickelten Knaben und Mädchen kichernd um ihn herum, und selbst die Alten lächelten stark, wenn sie ihn im Vorübergehen ansahen.

Da schoss ihm das Blatt, und er sprang eilig in ein Haus. Als er da seine Perücke abschnallte und herunternahmt, war sie nur ein Geniste von Moos, Werg und Heu. Unterdessen war es den anderen Azlern auf der Straße nicht besser gegangen, und darum ein ordentlicher Jubel in der ganzen Stadt, denn unter dem Gelächter der Jahrmarktsleute ergriffen sie eine schimpfliche Flucht und ließen sich den ganzen Tag nicht mehr sehen.

Sind seitdem aber die Deutschen nicht klüger geworden und immer noch die nämlichen Affen, lernen, sich auch nimmer schämen.