Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 28

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

28. Wie Rübezahl einem Förster einen Zopf macht.

In Nasendrehungssachen sind überhaupt manche Leute gar sehr zu Hause, besonders die Jäger, und ist nur zu loben, dass sie meist einander selbst belügen und jeder das mit Beifall aufnimmt und denkt: Prügelst du meinen, so prügele ich deinen.

Zu solchen Leuten gehörte vor Zeiten auch ein Förster vom Brückenberg und war einer der ersten Dreher seiner Zeit, und kam niemand ohne Nase von ihm weg. Rübezahl wusste das zwar längst, hatte ihm aber doch immer Nachsicht bewiesen, weil der Förster eine gute Haut und ein spaßhafter Mann war, den die Leute gern hatten. Aber, dachte er, wenn er es einmal zu bunt macht, bedarfs einer Lehre.

Einstmals hatte er seinen Gevatter, den evangelischen Pfarrherrn in Seydorf, besucht und trat gegen Abend hin seinen Rückweg wieder an. Der Pfarrer gab ihm das Geleit. Sie gingen also ganz vergnügt, ihre Hündlein bei sich, im Dorf hinauf und führten dabei manch lustige Rede. Die Hündlein waren auch vergnügt. Wenn ein anderer Hund bärbeißig aus einem Haus herauskam und tat, als ob er sie verschlingen wollte, so gingen sie doch bald vorsichtig um einander herum und berochen sich. Dann schritt einer nach dem anderen beruhigt hin zum erstbesten Baum oder Stein und rauchten allda miteinander die Friedenspfeife.

Bei jeder Unterredung kam der Förster gewöhnlich auf die Jagd zurück und erzählte da Dinge, die ihm oder anderen dabei vor die Augen gekommen sein sollten, dass es zum Erstaunen und wirklich recht wunderhaft war.

»Ihr könnt es mir glauben, Herr Gevatter«, sagte er, als sie eben den Berg hinaufstiegen. »Ihr könnt es mir glauben, es ist mir vieles passiert, was andere nicht erlebt haben, und gäben viel Geld darum, wenn sie es erlebt hätten. Ihr werdet Euch selbst wundern, wie es mir einmal ergangen ist, als ich noch in Polen war, an dem ungeheuren Schlawer See, wo die Seeräuber manchmal Grausamkeiten verüben, wenn sie etwa landen, dass einem die Haut schauert. Komme da also einmal hinaus in den Wald. Es war schon etwas dämmerig. Ich gehe an einem Schlag hinauf; da wedelt etwas vor mir in der Schonung und sieht braun aus. Halt, denke ich, das ist eine Kuh, so im Gras liegt, halte mit meinem Rohre hin und schieße. Wie ich hinkomme, denkt euch mein Erstaunen, habe ich einen Frosch geschossen, aber einen Riesenfrosch, so groß wie ein Ochse.«

»Gevatter«, sagte der Pfarrer, »lasst mit Euch handeln, er wird doch wohl etwas kleiner gewesen sein.«

»Wie ich Euch sage, so groß als ein Ochse«, versetzte der Förster. »Ich nehme also den Frosch, ziehe ihm die Haut ab, lasse sie gerben und mir daraus ein paar Hosen, eine Weste und einen Pelzrock machen. Da geht kein Wasser durch und wenn man Tage lang im Weltmeer herumschwämme.«

»Gevatter«, sagte der Pfarrer, »das ist eine merkwürdige Geschichte und klingt gerade, als ob sie nicht wahr wäre.

»Nicht wahr?«, fuhr der Förster auf, »das haben schon viele Menschen gesagt. Ich kann Euch aber da noch eine ganz andere Geschichte erzählen, die ich selbst erlebt habe. Ich hatte nämlich einmal einen Vorstehhund, Herr, so einen Hund gab es weit und breit nicht, und sind vielmal Leute aus fernen Landen bei mir gewesen, handelten um den Hund, boten Hunderte von Taler und gab ihn doch nicht. Dieser Hund stand vor allem wie eine Mauer. Das war am Ende doch noch sein Unglück, wie Ihr gleich hören werdet, Herr Gevatter, und ging selbiger an seiner eigenen Tugend zu Grunde. Denn als ich eines Morgens in den Wald gehe, nehme ich den Hund mit und bekümmere mich draußen nicht weiter um ihn. Als ich aber nach Hause will, ist der Hund nicht da. Der wird schon kommen, denke ich, und gehe ins Forsthaus. Die Nacht bricht herein, ich lege mich nieder, und denke nicht an meinen Hund. Des Morgens, als ich wieder in den Wald will, rufe ich den Hund, aber er kommt nicht. Ich pfeife, und es erscheint kein Hund. Der Hund, sagt der Jägerbursche, ist diese Nacht im Walde geblieben, denn es hat ihn niemand gesehen. Ich gehe also in den Wald, pfeife Wald ein, Wald aus, mein Hund ist nicht zu aufzuspüren. So durchstreifen wir, der Bursche und ich, den ganzen Tag den Wald, ohne eine Spur von dem Hund zu finden. Der ist gewiss in ein benachbartes Revier geraten und erschossen worden, denke ich und ärgere mich, dass ich ihn nicht früher verkauft habe.

Nun aber, Herr Gevatter, passt auf, was geschieht! Das Jahr darauf, es war gerade um dieselbe Zeit, gehe ich wieder in den Wald, und eben am Waldrande in einen Kanicht hinauf. Da sehe ich auf einem kleinen Rasenfleck mitten im Kanicht etwas Weißes und gehe darauf zu. Aber, denkt Euch mein Erstaunen, wie ich herankomme, sehe ich auf einem Fleck zwölf Vogelgerippe. Davor liegt das Gerippe meines Hundes, denn ich erkannte ihn an den doppelten Wolfsklauen. Hatte also der Hund hier eine Kitte Rebhühner gestellt. Da die Rebhühner aus Furcht vor dem Hund nicht aufzufliegen gewagt hatten, so war der pflichttreue Hund vor und mit ihnen verendet.«

Der Pfarrer machte hier ein kurioses Gesicht, schüttelte mit dem Kopf und lachte.

»Ja«, fuhr der Förster fort, »ist das nicht wunderbar? Und, er war einmal im Zuge, ein junger Hund, den ich von diesem gezogen hatte, war gerade von der Natur seines Vaters. Diese Natur war so in alle seine Teile hineingedrungen, dass es kein Mensch glaubt, wenn ich es erzähle, und ist doch wahr. Denn als mir der Hund krepiert war, denke ich: Von dem Fell lässt du dir einen Büchsenranzen machen zum Andenken an den braven Hund. Kaum habe ich die Tasche vom Taschner erhalten, so gehe ich hinaus auf die Jagd und will an einigen Büschlein, auf einer Wiese stehend, vorbei, da ruckte es mich auf einmal am Büchsenranzen, und ich schaue mich um. Wie ich niemanden sehe, will ich weiter, aber da zieht es mich wieder zurück. So viel ich auch mir Mühe gebe, weiter zu schreiten, so geht es doch nicht und hält mich eine unsichtbare Macht zurück. Dahinter muss etwas stecken, denke ich und schaue die Wiese hinunter. Da liegt hinter einem Büschlein eine Kitte Rebhühner und mir geht ein Licht auf. Seht, die Natur des Hundes steckte noch im Fell des Büchsenranzens, der noch ebenso gut vor den Rebhühnern stand, wie der Hund. So was kann einer erleben!«

»Na, Gevatter«, sagte der Pfarrer, » jetzt lügt nimmer, sonst passiert mir was.«

Der Förster entrüstete sich über diesen Unglauben und blieb dabei, es sei alles wahr was er erzählte, und er könne hundert Zeugen stellen und drüber. Sie wären aber schwer zusammenzubringen.

Indem, sie stiegen eben zu der Brotbaude hinauf, blieb der Pfarrherr, der voranging, etwas stehen und blickte zurück.

»Gevatter«, rief er verwundert aus, »was schleppt Ihr denn hinter Euch?«

Der Förster blickte hinter sich und sah ein langes haariges Ding sich auf der Erde hinschlängeln.

»Es ist euch angewachsen, Gevatter, es ist ein Zopf«, sagte der Pfarrer.

»Ja, es ist ein Zopf«, sprach eine Stimme neben ihnen, »und den wirst du tragen, mein Förster, bis du dir das Lügen abgewöhnt hast.«

Es war Rübezahl, der das sagte, sich umdrehte und in den Wald hineinging.

Der Pfarrherr und der Förster standen wie versteinert, bis sich der Pfarrer nach vielen angebrachten Trostgründen vom Förster verabschiedete und auf den Rückweg machte.

Vergeblich versuchte zu Hause der Förster, er dachte, Zöpfe werden ja in allen Ländern gemacht und abgeschnitten, seinen Zopf loszuwerden, denn kaum war er einmal abgeschnitten, so hing auch wieder ein gleiches langes Untier an seinem Kopf. Da es nun einmal nicht anders war, so arbeitete er redlich, seine Untugend loszuwerden. Das geschah bald, denn wenn einer nur ernstlich etwas will, so geht es auch, er müsste denn eine alte Frau sein. Seit der Zeit log der Förster nimmer wieder; aber seit der Zeit besteht auch in der Gegend und weiter die Redensart, jemandem einen Zopf machen.