Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Slatermans Westernkurier 11/2018

Auf ein Wort, Stranger, kennst du noch den Schönsten aller Revolverhelden?

Der Typus des Revolvermannes im Wilden Westen war genauso vielzählig wie die Schar dieser sehr speziellen Spezies.

Es gab Milchgesichter wie Henry McCarty, aka Billy the Kid, vierschrötige, dumm-brutale Mörder wie Black Jack Ketchum oder Rufus Back und eitle Dandys, von denen Wild Bill Hickok wohl der Bekannteste war.

Und dann gab es noch King Fisher, den Schönling, den Schönsten aller Schönen aus der Gilde der Männer mit dem schnellen Colt.

Er war schlank, sah in der Tat gut aus und wirkte mit seinem gepflegten Schnurrbart fast unwiderstehlich auf die texanische Damenwelt.

King Fisher war 5 Fuß und 9 Inches groß, knapp 140 Pfund schwer und kleidete sich gerne extravagant. Er trug Sombreros mit goldener Hutschnur, bestickte Westen, Seidenhemden und rote Schärpen, dazu silberne Holster mit elfenbeinfarbenen, silbernen Pistolen.

Doch trotz aller Affektiertheit blieb Fisher bis zu seinem Tod einer der gefährlichsten Revolvermänner des Westens.

 

*

 

John King Fisher wurde im Oktober 1853 im Collin County, nahe Dallas, als Sohn von Jobe Fisher und Lucinda Warren geboren.

Seine Eltern besaßen eine kleine Farm. Der Vater war ein Tagträumer, der nicht viel von regelmäßiger Arbeit hielt und sich kaum um seine Familie kümmerte. Stattdessen träumte er von Reichtum und eröffnete ständig neue Geschäfte, mit denen er stets scheiterte.

Er war für John alles andere als ein Vorbild, und deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass sich der Halbwüchsige schon in jungen Jahren immer mehr zu Grey White, einem entfernten Verwandten und Abenteurer, hingezogen fühlte.

Bedingt durch Whites Umfeld trieb er sich, kaum 15 Jahre alt, bereits in übler Gesellschaft herum, und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass er in Goliad, Texas, seinen ersten Mann tötete, als er gerade einmal 16 war.

King Fisher war, mehr als viele andere, ein Produkt seiner Zeit und des Landes, in dem er aufgewachsen war.

Alleingelassen vom Elternhaus und aufgewachsen in einer Zeit des Faustrechts, wo nur das Gesetz des Stärkeren galt, musste er schon früh seinen eigenen Weg im Leben finden.

Dass er einen Mann tötete und wegen Totschlags zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde – ein Urteil, das er nur seiner Jugend zu verdanken hatte – war in Anbetracht der Verhältnisse, in denen er aufwuchs, nur die logische Folge.

Als er seine Haftstrafe im Staatsgefängnis zu Huntville abgesessen hatte, war das der Startschuss für seine kriminelle Laufbahn.

Um den Behörden aus dem Weg zu gehen, ging er nach Mexico, wo er wieder auf Grey White traf, der ihn danach nur noch weiter vom geraden Weg wegführte. White brachte ihm den blitzschnellen Umgang mit dem Revolver bei. Fisher, der dabei ungewöhnlich talentiert war, überflügelte seinen Lehrmeister schon bald und entwickelte sich zu einem der wenigen, echten Zweihandschützen, der in der Lage war, gleichzeitig beidhändig zu schießen und zu treffen. Fisher kehrte Mexiko schon bald den Rücken, sammelte eine Bande um sich und begann das Grenzland von Texas zu terrorisieren.

Sein Wort wurde Gesetz.

Wenn ihm jemand in die Quere kam, zog er seine Revolver und schoss.

So auch 1875, als er alleine drei Mexikaner tötete, die versucht hatten, ihm und seiner Bande Konkurrenz zu machen. Nachdem er in den nächsten Monaten sieben weitere Mexikaner erschossen hatte, die seinen Plänen im Weg standen, galt er als der ungekrönte König des Maverick Countys.

Seine Macht ging soweit, dass er auf seinem Land ein Schild aufstellen ließ, auf dem zu lesen war: »Dies ist King Fishers Straße, nimm eine andere!«

Eine Warnung, die darauf hinwies, welche Rolle King Fisher im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Texas spielte.

Die Menschen taten übrigens gut daran, sie ernst zu nehmen.

O.C. Fisher, der in seinem 1966 erschienenen Buch King Fisher, his Life and Times das Leben des Revolverhelden nacherzählte, behauptete, dass jeder Fremde, der diese Aufforderung ignorierte, sein Leben riskierte.

In der Tat hatte Fisher, in diesen Jahren auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt, nichts und niemanden zu fürchten, weder das Gesetz noch deren Vertreter wie Countysheriffs oder Texas Ranger, wie nachfolgende Beispiele deutlich aufzeigen.

Im Juni 1876 versuchte eine Kompanie Texas Ranger unter der Leitung von George Durham Fisher und seine Bande hochzunehmen und hinter Gitter zu bringen.

Durham schrieb in seinem Bericht hierzu:

»Es ist meine feste Überzeugung, dass King Fisher Kopf und Gehirn einer großen Bande von Viehdieben ist. Alles deutet darauf hin, aber ich kann es nicht beweisen.«

In der Tat verstand es King Fisher Zeugen zu seinen Gunsten zu beeinflussen, und so standen die Vertreter der öffentlichen Ordnung bei jeder Anklage gegen ihn von vorneherein auf verlorenem Posten.

Daher verwunderte es niemanden, dass Fisher bereits kurz nach seiner Verhaftung wieder auf freiem Fuß war.

Im Dezember 1876 tötete er im Zavalla County im Streit einen Mann namens William Donovan. Er wurde des Mordes angeklagt – und kurz darauf wieder freigesprochen. Notwehr!

Im Mai 1877 stand er vor der Grand Jury des Maverick Countys, angeklagt des Mordes an zwei Mexikanern. Der Staatsanwalt forderte die Todesstrafe, die Grand Jury entschied dagegen nach kurzer Beratung auf Freispruch.

Fisher wurde bis weit in die siebziger Jahre hinein mehrmals wegen Rinderdiebstahl und Glücksspiel festgenommen, aber das Ergebnis war immer das Gleiche. Manchmal war die Tinte auf dem Haftbefehl noch nicht trocken, als er schon wieder ein freier Mann war.

 

*

 

Trotz aller kriminellen Energie strebte auch Fisher, wie übrigens die meisten Männer seines Schlages, nach einem Stück heiler Welt und bürgerlicher Sicherheit.

Am 6. April 1876 heiratete er seine Jugendliebe Sarah Vivian, die ihm vier Töchter schenkte.

Tatsächlich wurde es einige Jahre später still um ihn.

Um 1880 galt er im Uvalde County, wo er sich mit seiner Familie niedergelassen hatte, als angesehener und fleißiger Rancher.

Die wilden Jugendjahre schienen tatsächlich hinter ihm zu liegen, trotzdem war auch er überrascht, als ihm Sheriff Boatright am 1. Oktober 1883 das Amt des Deputy-Sheriffs anbot.

Ein Vorgang, der nur im Wilden Westen denkbar war.

Jemand wie King Fisher, der so oft vor Gericht gestanden hatte wie das gesamte Uvalde County zusammen, sollte zu seinem stellvertretenden Gesetzesbeamten werden.

King Fisher, der auf die Frage, wie viele Männer er erschossen hatte, stets antwortete: »Wenn ich die Mexikaner nicht mitzähle, nur fünf« (Anmerkung des Autors: Es waren zehn Mexikaner), nahm an und fand sich überraschenderweise sehr schnell in seinem neuen Amt zurecht. Er hatte allerdings auch vieles dem zweifelhaften Ruhm seiner vergangenen Jahre und seiner unglaublichen Fähigkeit als Zweihandschütze zu verdanken.

Dann kam der Tag, an dem Fisher ein letztes Mal in die Schlagzeilen der Zeitungen geriet.

Es war der 11. März 1884, der Tag, an dem er in San Antonio den Revolvermann Ben Thompson traf.

 

*

 

Ben Thompson war, wie auch Fisher, ein eiskalter, menschenverachtender Revolvermann, der durch die Schnelligkeit mit dem Colt zu zweifelhaftem Ruhm gekommen war.

Im Gegensatz zu Fisher jedoch hatte es Thompson trotz mehrerer Versuche nie geschafft, in ein bürgerliches Leben hinüberzuwechseln.

Er blieb, abgesehen von einigen kurzen, friedvollen Episoden, sein Leben lang ein Spieler, Revolvermann und Säufer.

Eigentlich wäre es besser gewesen, wenn er um San Antonio einen großen Bogen gemacht hätte, die Warnungen aus seinem Umfeld waren nicht zu überhören, aber Ben Thompson war nicht der Mann, der sich von solchen Ratschlägen leiten ließ.

Unbeeindruckt zog er durch die Spielhallen der Stadt, in der er vor zwei Jahren einen der angesehensten Geschäftsleute in San Antonio kaltblütig erschossen hatte.

1880, bei seinem ersten Besuch in der Stadt, pokerte er im Hinterzimmer des Vaudeville Theaters mit dem Besitzer Jack Harris und einigen anderen Männern und verlor dabei mehr Geld, als er bei sich trug.

Anstatt die Spielschulden zu begleichen, zog er seinen Revolver, bezichtigte Harris des Falschspiels und reiste ab. 1882 kehrte er zurück, die Schulden standen aber immer noch offen. Thompson ließ das kalt, er fühlte sich im Recht und betrat trotz aller Warnungen wieder das Vaudeville Theater, um zu spielen.

Jack Harris trat ihm sofort mit der Schrotflinte entgegen, um die Schulden einzutreiben.

Es war das Letzte, was er in seinem Leben tat.

Ben zog seinen Revolver und schoss Harris über den Haufen.

Thompson stellte sich den Behörden, als er am anderen Morgen erfuhr, dass Harris in der Nacht gestorben war. Das Gericht sprach ihn wegen Notwehr frei.

Zwei Jahre später kam er erneut nach San Antonio.

Obwohl sich die Wogen inzwischen geglättet hatten, war seine Tat nicht vergessen.

William Simms und Joe Forster, Harris Freunde und jetzige Besitzer des Vaudeville Theaters, überredeten King Fisher, Thompson in ihr Etablissement einzuladen, um die Sache von damals endlich aus der Welt zu schaffen. Fisher, der die beiden kannte, ging arglos auf ihr Anliegen ein und betrat so am 11. März abends um 22 Uhr dreißig das Theater in Begleitung von Thompson. Sie wussten nicht, dass sie bereits erwartet wurden.

King Fisher begriff erst, als ihn mehrere Kugeln getroffen hatten, dass man seine Bekanntschaft zu Thompson ausgenutzt und ihn als Lockvogel missbraucht hatte.

Aber da war es bereits zu spät.

Als ein durch die Schüsse neugierig gewordener Reporter des Austin Daily Statesman das Theater betrat, lagen Thompson und Fisher nebeneinander in einer riesigen Blutlache.

Thompson hatte fünf Kugeln im Kopf und vier in der Brust.

King Fisher wurde dreizehnmal getroffen.

Er wurde auf seiner Ranch begraben.

Ein geläuterter Revolvermann, der das Pech hatte, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein.

Quellenangaben: