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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 6

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Sechstes Kapitel

Die Tötung eines Kuguars

Obwohl wir noch fünf Meilen über den Ort, wo wir zuerst halt gemacht hatten, um die Tauben zu schießen, hinausmarschiert waren, so befand sich doch unser Nachtlager immer noch innerhalb des Fluges. Wir konnten die Tauben während der Nacht immer noch von Zeit zu Zeit in geringer Entfernung hören. Hin und wieder knackte ein Zweig, dann bewies das Klatschen der Flügel, dass Tausende durch den Fall desselben von ihren Ruheplätzen verscheucht und erschreckt worden waren. Manchmal begann das Flattern scheinbar ohne alle Ursache. Wir konnten nur vermuten, dass die große Ohreule, die wilde Katze und der Waschbär blutig unter ihnen aufräumten und ihre stummen Angriffe die wiederholte Unruhe verursachten. Ehe wir uns zur Ruhe begaben, wurde zur Abwechslung noch eine Fackeljagd vorgeschlagen, aber da wir keine Brennstoffe zur Anfertigung guter Fackeln vorfanden, so gaben wir den Gedanken wieder auf. Die Fackeln werden gewöhnlich aus trockenen Tannenzapfen gemacht und in einem flachen Gefäß getragen. Eine blecherne Bratpfanne mit langem Stiel eignet sich zu diesem Zweck am besten. Pechfackeln brennen, sie müssten denn aus der besten Pechtanne gemacht sein, nicht mit dem gehörigen Glanz, um die Tauben zu blenden. Sie flattern davon, ehe der Träger seine lange Stange in die gehörige Nähe bringen kann, während ein hell glänzendes Licht fast stets so nahe zu gehen gestattet, dass man die Tierchen mit den Händen ergreifen kann. Da sich nun weder Pechtannen noch anderes zu Fackeln geeignetes Holz in der Nähe befand, so sahen wir uns genötigt, den Gedanken an eine nächtliche Jagd fallen zu lassen.

Während der Nacht hörten einige von uns, die zufällig munter wurden, einen eigentümlichen Lärm. Einige sagten, er gleiche dem Hundegeheule, während ihn andere mit dem Kreischen zorniger Katzen verglichen. Die einen behaupteten, er rühre von Wölfen, die anderen, er rühre von wilden Katzen oder Luchsen her. Aber ein besonderer Laut passte zu diesem allem nicht, nämlich eine Art von gedehntem Zischen, welches alle, mit Ausnahme Ikes, für das Schnauben des Schwarzbären hielten. Ike allein erklärte, dass es nicht das Schnarchen des Bären, sondern das Fauchen des Pumas, wie er den Kuguar nannte, sei. Allerdings erschien dies nach der Beschaffenheit des Ortes ziemlich wahrscheinlich, da es bekannt ist, dass der Kuguar gern die großen Ansiedlungen der Wandertauben besucht, weil er das Fleisch dieser Vögel ganz besonders liebt.

Am Morgen fanden wir unser Lager noch immer von den Tauben umringt, die zwischen den Baumstämmen umherflogen und beim Fortziehen ihr Futter aufsammelten. Es wurden ein paar Schüsse getan, um für frischen Mundvorrat zum heutigen Mittagsessen zu sorgen. Der Überrest der gestrigen Beute wurde weggeworfen, zum Festmahl für die Raubtiere, die den Platz bald genug besuchen mochten.

Wir drangen, noch immer inmitten flatternder Taubenschwärme, weiter vor. Als wir durch eine Art Allee im Wald kamen, ereignete sich ein sonderbarer Vorfall. Der Schauplatz war ein schmaler Bogengang, der auf beiden Seiten von den dichten Blättern der Buchen eingeschlossen wurde. Wir befanden uns in der Mitte dieser, wie eine Laube gewölbten Ganges, als derselbe plötzlich auf der entgegengesetzten Seite verdunkelt wurde. Wir sahen, dass eine Wolke von Tauben in denselben eingedrungen war und auf uns zuflog. Sie flogen schon um unsere Köpfe herum, ehe sie uns nur bemerkten. Als sie dann unsere Gesellschaft gewahr wurden, versuchten sie sofort, eine andere Richtung einzuschlagen. Es stand ihnen jedoch kein anderer Weg offen, als senkrecht emporzusteigen. Dies taten sie auf der Stelle und verursachten dabei einen solchen Lärm durch das Klatschen ihrer Flügel, dass man das Knattern und Rollen des Donners zu vernehmen glaubte. Einige der Tierchen waren uns so nahegekommen, dass wir mehrere von ihnen mit den Flinten zu Boden schlugen und der Kentuckyer sogar eine lebendig im Flug fing, indem er nur seinen langen Arm ausstreckte. In einem Augenblick entschwanden sie uns aus dem Blick, aber in demselben Moment erschienen an der Lichtung des Waldes zwei große Vögel vor uns, in denen wir sofort ein Paar Weißkopfadler erkannten. Dies erklärte den schnellen Flug der Tauben, denn die Adler hatten sie augenscheinlich verfolgt und sie genötigt, unter den Bäumen Schutz zu suchen. Wir wünschten, einen Schuss auf die großen Raubvögel zu tun. Es erfolgte ein allgemeines Anspornen der Pferde und Knacken der Hähne, jedoch ohne Erfolg. Die Adler waren zu wachsam. Sie hatten uns bereits bemerkt, drehten, ihr wildes Geschrei ausstoßend, plötzlich um und verschwanden hinter den Baumwipfeln.

Wir hatten uns von dieser angenehmen kleinen Überraschung kaum wieder erholt, als wir den vorausreitenden Führer Ike plötzlich sein Pferd herumwerfen sahen und sein Geschrei hörten.

»Ein Puma, bei Gott! Ich wusste doch, dass ich einen Puma gehört hatte.«

»Wo, wo?«, riefen hastig mehrere Stimmen, während alle dem Führer zueilten.

»Dort«, antwortete Ike, indem er auf ein Dickicht von jungen Buchen deutete. »Er ist ins Gebüsch gegangen, reitet herum, Leute! Mark, mein Junge, da herum! Aber schnell, zum Henker!« Die Reiter mit aufgeregten, lebhaften Blicken und Gebärden sprengten davon. Alle hatten die Flinten gespannt und in Bereitschaft. Nach ein paar Sekunden war das kleine Buchendickicht mit seinen goldgelben Blättern ringsum von den Jägern eingeschlossen. War der Kuguar entschlüpft oder befand er sich noch im Dickicht? Aus der Mitte desselben ragten mehrere große Bäume empor. War er auf einen von ihnen geklettert? Die Augen der ganzen Gesellschaft richteten sich nach oben, aber das Raubtier wurde nirgends sichtbar.

Solange wir im Sattel blieben, konnten wir unmöglich alle Teile des Dickichts durchforschen. Das Wild konnte leicht zwischen dem Gras und dem Buschwerk kauern. Was war da zu tun? Wir hatten keine Hunde. Wie konnte der Kuguar aufgejagt werden? Zu Fuß in das Dickicht zu dringen, war mit nicht geringer Gefahr verbunden. Wer sollte vorangehen?

Die Frage wurde von Redwood beantwortet, den wir vom Pferd steigen sahen.

»Halten Sie die Augen offen, meine Herren«, rief er, »ich will das Gezücht schon zum Vorschein bringen, wenn es darin ist. Nur gut aufgeschaut.«

Wir sahen Redwood furchtlos eindringen, nachdem er den Zügel seines Pferdes über einen Zweig geworfen hatte. Hören konnten wir ihn jedoch bald nicht mehr, da er mit der Vorsicht und Bedachtsamkeit eines indianischen Kriegers dahinschlich. Wir lauschten und warteten mit gespannter Aufmerksamkeit. Die Stille wurde nicht einmal durch das Knacken eines Zweiges unterbrochen. Volle fünf Minuten warteten wir, dann plötzlich wurden wir durch den scharfen Knall einer Büchse fast im Mittelpunkt des Gebüsches aufgeschreckt.

Im nächsten Augenblick hörten wir Redwood mit lauter Stimme rufen: »Aufgeschaut dort! Bei Gott, ich habe ihn verfehlt!«

Ehe wir Zeit hatten, unsere Stellung zu ändern, krachte eine zweite Büchse. Wir hörten eine zweite Stimme Redwood antworten.

»Aber ich nicht, bei Gott! Da liegt er«, schrie die Stimme, »tot wie Schöpfenfleisch. Kommen Sie hierher, da können Sie die Schönheit sehen.«

Wir erkannten sogleich die Stimme Ikes und galoppierten alle der Stelle zu, von wo sie herkam.

Zu seinen Füßen lag der Puma, vollkommen leblos. Zwischen seinen Rippen befand sich ein roter Fleck, aus welchem das Blut rann und wo Ikes Kugel eingedrungen sein musste. Der Kuguar hatte beim Versuch, aus dem Dickicht zu entschlüpfen, gerade Ike gegenüber einen Augenblick in kauernder Stellung angehalten. Dieser Augenblick hatte genügt, dem Trapper Zeit zu geben, zu zielen und die tödliche Kugel zu entsenden.

Der Führer wurde von uns allen natürlich mit Glückwünschen überhäuft. Obwohl er sich den Anschein gab, als ob er die Sache keineswegs für eine Heldentat ansah, schien er doch zu wissen, dass die Erlegung eines Pumas keineswegs ein ganz alltägliches Ereignis ist.

Das Fell des Tieres wurde sofort abgezogen und in den Wagen geschafft, indem eine solche Trophäe wohl nur selten im Wald zurückgelassen wird.

Der Naturforscher machte sich noch weiter mit dem Puma zu schaffen, indem er den Inhalt des Magens untersuchte. Derselbe bestand allein aus halb verdauten Überresten von Wandertauben, von welchen das Tier in der vergangenen Nacht eine ungeheure Menge verzehrt haben musste, indem es sie ohne Zweifel von den Bäumen heruntergeholt hatte.

Das kleine Abenteuer gab einen hübschen Stoff zur Unterhaltung, während wir unsere Tagesreise fortsetzten. Die Gewissen Lichte sehen kann. Doch zeigt sich nur bei jungen Tieren eine solche Eigentümlichkeit, bei dem ausgewachsenen Kuguar ist sie niemals sichtbar. Das ausgewachsene Tier hat eine rotbraune Farbe, die fast über den ganzen Körper gleichmäßig verteilt und nur am Gesicht und Hals etwas heller ist. Der Kuguar ist keineswegs ein schön gebautes Tier, denn seiner Gestalt fehlt das Ebenmaß. Sein Rücken ist lang und eingebogen, und sein Schweif spitzt sich nicht so zierlich wie bei den meisten anderen Katzenarten. Seine Beine sind kurz und kräftig. Wenn er auch keineswegs plump erscheint, so besitzt er doch nicht die seinen übrigen Geschlechtsverwandten eigentümliche, zierliche Körperhaltung. Obwohl er manchmal als der Löwe der Neuen Welt betrachtet wird, so ist doch seine Ähnlichkeit mit dem königlichen Tier nur gering. Seine Farbe scheint ihm die einzige Berechtigung zu einer solchen Ehre zu geben. Im Übrigen ist er viel näher mit dem Tiger, dem Jaguar und dem echten Puma verwandt. Der Kuguar ist selten länger als sechs Fuß, mit Einschluss des Schweifes, der gewöhnlich etwa ein Drittel dieser Größe beträgt.

Der Aufenthalt des Tieres ist sehr ausgedehnt. Es ist von Paraguay bis zu den großen Seen in Nordamerika bekannt. Nirgends aber sieht man es häufig, weil es nicht allein nur bei Nacht auf Raub ausgeht, sondern auch überhaupt glücklicherweise nur in geringer Anzahl vorhanden ist. Wie andere seines Geschlechts liebt es die Einsamkeit und flüchtet sich bei der Annäherung der Menschen in die entlegeneren Teile der Wälder. Deshalb bleibt der Kuguar, obwohl er in allen Teilen der Vereinigten Staaten vorkommt, überall ein seltenes Tier und wird nur von Zeit zu Zeit in den Gebirgstälern oder schwer zugänglichen Orten des Waldes angetroffen. Das Erscheinen eines Kuguars genügt, um die ganze Gegend in eine Aufregung zu bringen, wie sie etwa durch die Jagd auf einen tollen Hund hervorgerufen werden würde.

Der Kuguar ist ein ausgezeichneter Kletterer. Er kann einen Baum mit der Behändigkeit einer Katze ersteigen und erklimmt ihn trotz seiner Größe und Schwere nur mithilfe seiner Krallen, nicht etwa in der Art des Bären oder Opossums, welche den Stamm mit den Beinen umklammern. Wenn der Kuguar einen Baum erklettert, kann man seine Klauen auf der Rinde krachen hören, in welche er seine Krallen einschlägt. Manchmal liegt er kauernd auf einem niedrigen Zweig, um auf Hirsche oder andere Tiere, die er töten will, herabzuspringen. Der Rand einer Klippe bildet ebenfalls einen Lieblingsaufenthalt für ihn, und solche Orte sind unter dem Namen Pumaklippen wohl bekannt. Er wählt einen solchen Ort gewöhnlich in der Nähe eines Tränkeplatzes und womöglich bei einer der in Amerika häufigen Salz- oder Sodaquellen (Lecken). Hier hat er die Gewissheit, dass er nicht lange auf Beute zu warten braucht. Seine Opfer, Elentiere, Hirsche, Antilopen oder Büffel, zeigen sich sehr bald, die Nähe des lauernden gefährlichen Feindes nicht ahnend, unter ihm auf dem Weg zur Lecke. Wenn die Beute vollkommen in seinen Bereich gelangt ist, so springt der Kuguar auf die Schultern seines Opfers und schlägt seine Klauen in dessen Fleisch ein. Das erschrockene Tier stürzt vorwärts, springt von einer Seite zur anderen, setzt in das Dickicht oder drängt sich, in der Hoffnung, seinen grimmigen Reiter abzustreifen, in das dichteste Schilfrohr. Aber vergebens! Der Kuguar umklammert seinen Hals und hält sich fest daran, indem er seinem Opfer die Kehle aufreißt und während des wilden Rittes sein Blut trinkt. Das arme Geschöpf taumelt endlich matt und schwach hin und her, bricht zuletzt zusammen. Das gierige Raubtier streckt sich über seinen Körper aus und beendet in Ruhe sein blutiges Mahl. Kann der Kuguar zu gleicher Zeit mehrere Tiere überwältigen, so tötet er sie alle, wenn auch nur der zwanzigste Teil zum Stillen seines Hungers erforderlich wäre. Ganz im Gegenteil zum Löwen mordet er, selbst wenn er gesättigt ist.

Es gibt ein sehr kleines und anscheinend sehr hilfloses Tier, mit welchem der Kuguar manchmal, aber in der Regel mit schlechtem Erfolg kämpft. Dies ist das kanadische Stachelschwein. Ob es überhaupt dem Kuguar jemals gelingt, eines dieser Tiere zu töten, ist nicht bekannt; aber dass es dieselben angreift, unterliegt keinem Zweifel, und sein eigener Tod ist häufig die Folge davon. Die Stacheln des Stachelschweines haben am Ende einen kleinen Widerhaken. Wenn sie in das Fleisch eines lebenden Tieres geraten, so dringen sie bei jeder Bewegung des Tieres immer tiefer ein. Es ist unbegründet, dass das Stachelschwein seine Stacheln gleich Pfeilen schleudern könne; aber es kann dieselben leicht fahren lassen und tut dies, wenn es plötzlich von einem Raubtier angegriffen wird. Die Folge davon ist, dass sich diese merkwürdigen Dornen in der Zunge, den Kinnladen und den Lippen des Kuguars oder jedes anderen Geschöpfes, welches den Angriff auf das anscheinend schutzlose kleine Tier wagen sollte, festsetzen. Man behauptet, dass nur der kanadische Fischotter allein das Stachelschwein ungestraft töten könne. Sie wirft es beim Kampf zuerst auf den Rücken und springt ihm dann auf den Bauch, wo die gefährlichen Stacheln gänzlich fehlen.

Der Kuguar wird feige genannt. Einige Naturforscher behaupten sogar, dass er es nicht wage, den Menschen anzugreifen. Dies ist jedoch nach den vielen glaubwürdigen Beispielen, wo Menschen vom Kuguar angegriffen und sogar getötet worden sind, ein Irrtum. In Peru und aus den östlichen Abhängen der Anden sind große Ansiedlungen und selbst Dörfer bloß wegen der gefährlichen Nähe dieser grimmigen Tiere verlassen worden. In den Vereinigten Staaten wird der Kuguar mit Hund und Flinte gejagt. Er flieht vor den Hunden, weil er weiß, dass sie durch die sichere Büchse des Jägers unterstützt werden. Sollte ihm aber einer aus der heulenden Meute zu nahekommen, so genügt ein einziger Schlag mit der Tatze des Kuguars, ihn niederzustrecken. Wenn er in die Enge getrieben wird, so klettert er auf einen Baum, wo er auf einem Zweig sitzen bleibt, den Rücken krümmt, das Haar sträubt, mit funkelnden Augen herabblickt und einen Laut von sich gibt, der dem Fauchen der Katze gleicht, nur bei Weitem lauter klingt. Der Knall der Büchse des Jägers pflegt übrigens dann ein Ende zu machen, und der Kuguar stürzt entweder tot oder verwundet zu Boden. Wenn nur das Letztere der Fall ist, so erfolgt gewöhnlich zwischen ihm und den Hunden noch ein verzweifelter Kampf, wobei er gewöhnlich mehreren der Letzteren ein Mal zurücklässt, das sie für ihr ganzes Leben zeichnen.

Der Schrei des Kuguars wird sehr häufig erwähnt, aber es ist noch keineswegs ganz gewiss, ob das Tier überhaupt die Gewohnheit hat, zu schreien, obwohl das im nächtlichen Wald gehörte Geräusch dieser Art ihm zugeschrieben worden ist. Die Jäger haben ihn jedoch nie gehört, und sie glauben vielmehr, dass der erwähnte Schrei von einer der zahlreichen Eulenarten herrühre, welche die weiten, tiefen Wälder von Amerika bewohnen. Der Kuguar gibt in kurzen Absätzen nur einen Laut von sich, der einigermaßen wie ein tiefer Seufzer oder so klingt, als ob man mit starkem Kehlton die Silben ku-a oder ku-gar aussprechen wollte.