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Oberhessisches Sagenbuch Teil 14

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

III.

Umzüge der Götter

Der wilde Jäger auf dem Blösküppel

Über dem Blösküppel, zwischen Burgbracht und Birstein, hört man oft den wilden Jäger und sein Wesen in der Luft. Leute, die im Wald Holz lesen wollten, sahen ihn einmal am helllichten Tag, wie er in seinem blitzenden Wagen daherfuhr, drei oder vier Jäger und viele Hunde um ihn herum waren. Es war ein wahrer Heidenspektakel mit Pfeifen, Knallen, Kreischen, Blasen und Hundebellen, dass ihnen die Ohren gellten, die Haare zu Berge stiegen und sie vor Grusel sich unter die Fichten verkrochen.


Der wilde Jäger zieht heimwärts

Hinter dem Bilstein, nicht weit von Metzelsborn und dem Oberhillers, blieben im Sommer zwei Gebrüder über Nacht, um frühmorgens weiter zu mähen. Es mochte elf Uhr herum sein, da hörten sie einen lauten Pfiff, dann noch einen. Erst wollten sie wieder pfeifen, dann ließen sie es, sie wussten nicht warum. Nun kam der wilde Jäger gefahren. Sie hörten ihn gauz nahe über sich, vor sich und neben sich. Er rief Juhu, Juhu, einmal schauerlicher als das andere Mal, und pfiff seinen Hunden. Sehen konnten die zwei nichts, aber die Hunde gauzten (bellten) hinter ihnen und sie hörten ihr Ge schnaufe ganz natürlich. So zog der wilde Jäger vorüber und nach seiner Gewohnheit wieder heimwärts zum Oberwald. Die Brüder fürchteten sich gerade nicht. Es wurde ihnen aber doch leichter ums Herz, als das Ding endlich aufhörte.


Der milde Jäger sucht seine Gans

Wo der Fußpfad von der Weidmühle zum Altenburgskopf läuft und ein Dreimärker steht, nennt man es An der Maalsbach. Da hütete ein Eschenröder Mädchen sein Vieh.

Unversehens kam aus dem Wald ein großer starker Jägersmann auf es zu und fragte: »Hast du meine weiße Gans nicht gesehen?«

»Nein«, sagte das Mädchen.

Da ergriff dieser, als wäre es federleicht, ein großes Kalb vor den Augen des erschrockenen Mädchens, sprang mit einem Satz damit vor den Wald und rupfte ihm im Augenblick alle Haare aus, dass man die bloße Haut splitternackt sehen konnte. Dann trug er es zurück und sagte mit einer Stimme, als käme sie aus dem Grab: »Da, nun hast du eine weiße Gans!« Alsbald machte er sich unsichtbar. Das war niemand anderes als der wilde Jäger.


Die ledernen Hosen

Immer zu der Jahreszeit, wenn der wilde Jäger durch das Linnes zog, geschah es, dass einzelne Leute, die auf dem Pfad von Lehnheim nach Nieder-Ohmen durch den Wald gingen, an einem gewissen Baum daselbst ein paar ungeheuer große lederne Reithosen hängen sahen, die aber jedes Mal über und über mit Schmutz bedeckt waren.

Machten sie sich näher hinzu, so rief aus ihnen heraus eine überlaute Stimme: »Putzt mich! Putzt mich!«

Wer nun nicht faul war, sich an das angeforderte Geschäft alsbald begab und nach Vollbringung desselben in die Hosentasche griff, der fand jedes Mal darin einen ganz alten, schweren Silbertaler, mehr aber auch nicht. Den durfte er unbeschrien mitnehmen und behalten. Es war der Lohn des wilden Jägers. Dann aber sah man die Hose nicht mehr. Überhaupt nur solche, die als güldene Sonntagskinder oder mit einer Westerhaube jung geworden waren, empfingen diesen sehnlich begehrten Glückstaler. Die anderen aber, die auf den Ruf auch herzueilten, mussten, wie mit den Füßen angewurzelt, eine Weile vor der Hose stehen bleiben und konnten erst nach ihrem Verschwinden wieder den gewohnten Weg ungefährdet fortsetzen.


Die Hasen des wilden Jägers

Bei Merlau ist ein Wald, das Linnes genannt, da zieht der wilde Jäger immer durch, wenn er um Advent sein bekanntes Wesen anhebt. Dann war früherhin des Morgens ein großes Wunder zu erschauen. An den höchsten Wipfeln der Waldbäume hingen erlegte Hasen, die hatte er daran gehängt, und man konnte an ihnen ordentlich die Richtung verfolgen, die das wilde Heer genommen haben musste.


Die Flucht vor dem wilden Heer

Im Tälchen unter dem Eschenröder Küppel war ein Bauer noch kurz vor dem Abendläuten mit seinem Vieh draußen, als sich vom Maalsbachgrund her ein wüster Lärm erhob mit Schreien, Pfeifen und Hundebellen und in der Luft gerade auf ihn losfuhr. Das Vieh fing an, unruhig zu werden und zu büßen (durchzugehen). Er erfasste vor jähem Schrecken eine fortspringende Kuh am Schwanze, welche ihn bis vors Dorf schleifte, wo er erst wieder zu sich selbst kam. Er fragte die aus derselben Gegend des Feldes nach Eschenrod heimkehrenden Leute, ob sie auch das wütende Heer gesehen hätten. Aber kein Mensch wollte davon etwas wissen. Es sei so ganz still gewesen weit und breit, sagten sie. Kein Blatt am Baum habe sich geregt.