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Schauernovellen – Der Teufelsvertrag, 1554

Ferdinand Kleophas
Schauernovellen Band 1
Verlag Franz Peter, Leipzig 1843

Der Teufelsvertrag, 1554

Könnte ich sie nur einen Tag, eine Stunde, ach nur einen Augenblick in meine Arme drücken, gern wollte ich dann sterben.

Alles verkündete ein nahes, furchtbares Gewitter. Schwere, schwarze Wolken bedeckten den Himmel. Man atmete nur eine warme Luft und die einzigen Gegenstände, die man in einer tiefen Dunkelheit erkennen konnte, waren Lichter, die in den Fenstern des Schlosses Anet glänzten.

Ein junger bleicher Mann, dessen Blicke etwas Verwirrtes hatten, schritt eilig im Feld, indem er dem linken Ufer der Eure folgte. Er machte vor einer Hütte halt, die nahe an diesem Fluss erbaut war, und klopfte zweimal ungeduldig an ihre Tür. Nichtsdestoweniger antwortete erst beim dritten Schlag die schwache, mürrische Stimme eines Greises.

»Öffne, Matthias, öffne!«, rief der junge Mann.

»Sag mir, wer du bist.«

»Henriot Maurepain, der Flamländer.«

»Henriot Maurepain! … Was willst du so spät an der Tür des armen Mathias? Willst du ihm wie vor drei Monaten sagen, Hund von einem Zauberer! Ich will dich dem Oberhofrichter anzeigen, denn du verdienst gehängt und verbrannt zu werden?«

»Verflucht! Öffne mir diese Tür oder ich schlage sie ein und zerschelle dir den Kopf.«

Bei diesen Worten rüttelte Henriot die Tür und schickte sich an, seine Drohung auszuführen.

Der Greis gab endlich nach und ließ den jungen Mann in seine Hütte treten. Während dieser Letztere in dem engen Raum heftig auf und niederging, begann der Alte ihn stillschweigend zu beobachten. Um es bequemer zu tun, hielt er eine Hand hinter die Lampe, welche er hatte. Der Schein dieser Lampe, der sich rot und flackernd auf der gefurchten Stirn und den kleinen Augen Mathias widerspiegelte, gab seiner übrigens wenig einnehmenden Physiognomie einen wahrhaft gehässigen Ausdruck.

»Und warum kommst du so spät und störst die Ruhe eines armen Mannes? Geschieht es, um vor ihm herumzulaufen wie ein Narr und wie du es eben tust?«

»Höre, Mathias«, unterbrach der junge Mann, indem er ihn beim Arm ergriff und mit unsicherer Stimme sprach. »Höre … Du weißt, wie man einen Vertrag mit dem Teufel machen kann. Sag es mir und diese Börse, das einzige Gut, das ich besitze in der Welt, diese Börse ist dein!«

Der Alte wollte zurückweichen, aber hierzu fesselte ihn der Arm des jungen Mannes mit zu viel Kraft. Es entsprang aus diesem Versuch nur eine einfache Bewegung auf der Stelle, welche Henriot nicht einmal zu bemerken schien.

»Las mich … Ich bin sicher, du kommst nur, um mir irgend ein unbedachtsames Wort sagen zu lassen und mich dann dem Großprevot zu überliefern, der mich verbrennen wird, wie einen Ketzer und Zauberer. Es sind Leute hinter der Tür verborgen … Aber des Teufels will ich sein, wenn du noch ein Wort aus meinem Munde bringst! Junger Mann, du treibst da ein elendes Metier.«

Henriot stampfte ungeduldig mit dem Fuß. »Fürchte nichts«, sagte er. »Sieh, ich bin allein. Du sollst übrigens wissen, dass ich für alles in der Welt nicht tun möchte, was du fürchtest. Marie … Du weißt, dass ich sie liebe, seitdem ich mein Vaterland Flandern verlassen habe, um hier zu wohnen. Du weißt, dass seit einem Jahr jeder im Dorf von unserer Liebe spricht. Dann! Ihr Vater verweigert mir sie, weil mein Vetter Gregor Bonneau allein die Güter meines Onkels geerbt hat! Ich sollte von dieser Erbschaft die Hälfte haben, aber der verdammte Kantor hat unserem alten Vetter so gut zu schmeicheln verstanden, dass er alles sich allein hat vermachen lassen. Man spricht schon davon, die Hand Maries, einem, ich weiß nicht welchem reichen Müller des benachbarten Dorfes, zu geben … Sie wird vergehen! Und ich! … ich muss ihr gehören, wäre es auch nur für ein Jahr, für einen Tag, ja für eine Stunde. Ich will meine Seele dem Teufel verkaufen. Er gebe mir tausend Sonnentaler und in einem Jahr gehöre ich ihm mit Leib und Seele. Gib mir die Mittel, diesen Vertrag zu schließen und nimm diese Börse da.«

Der Alte begann zu lachen, raffte das Geld auf. Nachdem er es sorgfältig in sein Wams versteckt hatte, sagte er: »Du glaubst mein schöner junger Mann, dass Satan tausend Sonnentaler für deine Seele geben wird? Ich fürchte sehr, dass er den Preis äußerst hoch finde, denn man gehört schon mehr als zu drei Viertel dem bösen Geist, wenn man blutrote Augen, irrenden Gang hat, wenn den Körper Fieberschauer schütteln und die Stirn mit kaltem Schweiß bedeckt ist. Meiner Treue, selbst wenn ich die Mittel wüsste, dir einen solchen Kauf schließen zu lassen, würde ich es für unnötig erachten, sie dir zu sagen.«

Henriot zog seinen Dolch und setzte ihn auf die Brust des Alten.

»Sprich, sprich! Oder du bist des Todes.«

»Nun denn, ich sehe, dass du entschlossen bist, wie es nötig ist. All das geschah, um dich zu prüfen. So höre denn: Stiehl zuerst eine schwarze Henne. Es sind sehr schöne bei meinem Nachbarn Bartholomä Giron. Nach diesem Diebstahl … Gut! Da zittert er schon bei dem Gedanken eines elenden Diebstahls! Schöne Delikatesse, meiner Treu, bei einem Mann, der sich dem Teufel verkaufen will! Nach diesem Diebstahl wirst du dich auf den Kreuzweg des Waldes begeben. Hier ziehst du einen Kreis mit dieser Gerte da. Sie ist vom Haselstrauch. Ich habe sie am ersten Mittwoch des Neumondes geschnitten und hatte dazu ein neues Messer nötig. Alsdann verbarg ich meine Gerte verstohlen auf einem Altar, wo ein Priester Messe hielt. In das starke Ende habe ich das geheimnisvolle Wort Aga, in die Mitte Cor und an das dünnste Ende Tetragrammaton eingeritzt; ein Kreuz steht über jedem Wort. Ist dein Kreis einmal gezogen, wirst du dir das linke Bein entblößen und es nackt in den Kreis stellen. Wenn du dann der Henne den Hals abschneidest, musst du rufen: ›Geld für das Blut meines schwarzen Tieres! Ich verkaufe es um tausend Sonnentaler. Wenn der Teufel dich will, wird er dir als dann erscheinen. Aber, Henriot, beeile dich, denn Mitternacht naht, und nach dieser Stunde wird der Teufel unsichtbar.«

Nach diesen Worten machte er sich hastig von den umklammernden Händen Henriots los. Indem er ihn hinausstieß, verschloss er die Tür hinter ihm.

Der junge Mann blieb einige Augenblicke nachdenklich stehen. Dann setzte er sich plötzlich in Bewegung, wie ein Mensch, der einen verzweifelten Entschluss fasst, von dem er wieder zurückzukommen fürchtet, ging bis zur Meierei, von der Mathias ihm gesagt hatte, kletterte über eine kleine Mauer, nahm eine schwarze Henne und lief in den Wald.

Inzwischen war das Gewitter losgebrochen. Große Regentropfen fielen auf die Blätter der Bäume und ein heftiger Sturm verfing sich in den Bäumen mit einem entsetzlichen Brausen. Blitze zuckten jeden Augenblick und das Rollen des Donners folgte rasch aufeinander.

Henriot lief im Irrsinn der Verzweiflung mehr, als dass er ging, bis zum Kreuzweg. Hier erfüllte er die geheimnisvollen Förmlichkeiten, welche ihm Mathias anbefohlen hatte. »Geld für meine schwarze Henne!«, rief er. »Ich will dafür tausend Sonnentaler.«

Ein schreckenerregend Donnerschlag ertönte in diesem Augenblick, ein weißes Gespenst und dann eine kleine schwarze Gestalt erschienen zwischen den Bäumen.

Henriot fiel zu Boden.

Der Tag fing zu grauen an, als er wieder zu sich kam.

Als er seine Blicke stumpfsinnig um sich warf, musste er sich einige Minuten sammeln, ehe er sich deutlich an seine Verzweiflung, seine verbrecherischen Absichten und die verhängnisvolle Erscheinung der vergangenen Nacht erinnern konnte. Aber diese Erscheinung, dachte er, ist vielleicht die Wirkung meiner erhitzten Fantasie. Ach ja, ich muss dieses annehmen! Denn denken, dass ich bin, auf immer … für die Ewigkeit … das Eigentum des bösen Geistes … das wäre zu schrecklich. Fort, es ist nichts damit.

Er erhob sich nicht ohne Mühe und zog sich langsam bis zum Fußweg des Dorfes.

Noch einige Schritte hatte er zu tun und befand sich außerhalb des Waldes, als er an einen Leichnam stieß, der mitten im Weg lag. Barmherzigkeit! Es war sein Vetter Gregor Bonneau.

Henriot stieß einen Schrei der Verzweiflung aus. »Es ist also geschehen, ich gehöre dem Teufel mit Leib und Seele. Er hat meinen Vetter erschlagen, so bezahlt er mir die tausend Sonnentaler.«

Er sprach noch, als Soldaten ihn ergriffen und ihm die Arme banden.

»Bei Sankt Hubert!«, sagte ihr Chef, »das ist eine gute Prise, die uns große Belohnung bringen wird. Ihr habt es gehört. Ein, zwei, vier, sechs, zehn Zeugen: Er hat sich dem Teufel unter der Bedingung verkauft, dass er diesen armen Kantor töten solle. Gott sei gelobt! Wir kamen hierher, einen Wilddieb zu fangen, und führen einen Zauberer zurück. Den Leichnam müssen wir hier lassen. Es gehört dem Amtmann, ihn aufheben zu lassen, wir niedrigen Forstdiener haben kein Recht dazu. Allons!

Kameraden, wir führen diesen Menschen zu dem Oberhofrichter, der sich eben im Schloss unter dem Gefolge des Königs befindet.«

Sie setzten sich in Bewegung und die Menge, welche die Festnahme Henriots versammelt hatte, wich eiligst zurück und öffnete einen breiten Weg, so sehr fürchtete man selbst die Kleidung eines Verbrechers zu berühren, der sich dem Teufel verkauft.

Einige Augenblicke später kam der Amtmann, um den Leichnam aufzuheben. Er fand nichts mehr. Er bekreuzigte sich zitternd, er, die Sbirren und die Bauern, welche ihn begleiteten. Denn konnte man zweifeln, dass der Teufel den Leichnam geholt habe, damit kein Beweis mehr gegen den Zauberer bliebe?

Eine Stunde später hielt der Großprevot Gericht über den jungen Menschen, einmal um einen Beweis seiner Tätigkeit und seines Eifers zu geben; dann weil es zu selten vorkam, Zauberer zu verbrennen, als dass man sich nicht beeilen sollte, es zu tun.

Die Personen, welche nicht hatten in das Innere des Gerichtssaales dringen können, hatten sich vor der Tür zusammengedrängt und lästerten unter sich über das Ereignis, dessen Ausgang sie mit Ungeduld erwarteten.

Ein kleiner dicker, roter Mann in schwarzer Kleidung näherte sich einer der Gruppen und erkundigte sich nach der Veranlassung eines solchen Zusammenlaufes.

»Ein Zauberer! Ein Mann, der sich dem Teufel ergeben hat. Er wird gehängt, er wird verbrannt werden!«, rief man von allen Seiten.

Ein großer Bauer, der den kleinen Mann wenigstens um Kopflänge übertraf, fing an, die Sache weitläufig zu erzählen. Sein Zuhörer zeigte sich nicht sehr aufmerksam. Er unterbrach ihn unaufhörlich, um ihm irgendeine ungereimte Frage zu stellen, lachte ihm auf die unhöflichste Weise von der Welt ins Gesicht. Dann warf er sich, indem er den Bauer, ohne das Ende seiner langweiligen Erzählung abzuwarten, im Stich ließ, mitten in die Menge und stieß rechts und links mit dem Ellenbogen um sich, in der Absicht, bis in den Gerichtssaal zu dringen.

Aber dieser Plan wäre beinahe verderblich geworden für den kleinen Mann. Seine unhöflichen Störungen und sein Lachen hatten viele Leute beleidigt. Die Unzufriedenheit wuchs noch, als man sah, wie er ohne Umstände einen jeden stieß; aber der Unwille stieg aufs Höchste. Schreien, Drohungen erhoben sich von allen Seiten, als er ein junges hübsches Mädchen beim Kinn nahm und sie fröhlich auf die Lippen küsste.

Er würde vielleicht nicht ohne tüchtige Prügel davongekommen sein, wenn ihn nicht zwei Pagen, die zufällig auf der Schwelle des Gerichtssaales standen, mitten in der Menge bemerkt hätten.

»Ei, was machen Sie da? Bei Gott!«, fragten sie ihn. »Platz, ihr Bauern, weicht Kanaillen oder das kostet einem von euch eine Rippe oder das Rückgrat. Tretet ein Meister Franz Rabelais.«

 

***

 

Im linken Flügel des Schlosses Amet befand sich ein Gemach, aus dessen Fenstern man eine köstliche Landschaft gewahrte. Die Tapeten und Möbel waren von äußerstem Reichtum und mit den Namenszügen der Diana von Poitiers und Heinrichs des Zweiten überladen. Überall hatte die Nadel gestickt, überall hin hatte der Pinsel den silbernen Mond Dianes und die Goldlilien des Monarchen gezaubert.

Hier lag halb sitzend auf Kissen von Samt ein ganz nacktes Weib. Ihr schlanker Wuchs, die bewundernswürdigen Umrisse eines üppigen Busens, die blendende Weiße ihrer Haut, die Regelmäßigkeit ihrer Zähne und besonders ihre langen schwarzen gelockten Haare konnten nur der schönen Herzogin von Valentinois gehören. In der Tat, es war Diana.

Es war jene berühmte Frau, deren übernatürliche Schönheit die Zeit zu verschonen schien und welche mit 47 Jahren noch die Frische und die verführerischen Formen der Jugend bewahrte. Es war die unvergleichliche Phébé, bei deren Andenken Brantôme in seinen »galanten Damen« in Entzücken gerät: »Sechs Monate vor ihrem Tode sah ich sie noch so schön, dass ich kein Felsenherz kenne, das sich nicht von solcher Schönheit ergriffen fühlte. Ihre Schönheit, ihre Anmut, ihr äußerer Reiz waren ganz so, wie sie immer gewesen waren.«

Der alte Bildner des Königs, Jean Goujon, gekleidet, wie man es zur Zeit Franz des Ersten war, bildete ruhig das schöne Wesen ab, das sich seinen Blicken ohne den geringsten Schleier zeigte.

Er hätte nach einer Bronzestatue nicht mit mehr Ruhe und Leidenschaftslosigkeit den Meißel führen können, als er es hier tat.

Nicht so war es mit Heinrich dem Zweiten. Ausgestreckt in einem weiten Lehnstuhl stand er aller Augenblicke auf, um mit der Hand leise über die weißen Schultern Dianes zu gleiten oder ihr einige Zärtlichkeiten ins Ohr zu flüstern.

»Nun denn«, grollte der Bildner in einem mürrischen Ton, »wenn Ew. Majestät ihrem Entzücken kein Ziel setzt, werde ich gezwungen sein, mein Werk unvollendet zu lassen, denn die fortwährenden Bewegungen machen die Arbeit unmöglich.«

Der König, an die Launen des alten Künstlers gewöhnt, lächelte und sagte: »Ich glaube, er beklagt sich! … Er, der bequem die wunderbarste Schönheit der Welt betrachten und einen unendlichen Ruhm erlangen kann, indem er solche Reize in Marmor wiedergibt. Übrigens, Meister Goujon, Eure Statue ist zu weit vorgerückt, als dass ihr sie so lassen könnte. Ihr würdet dabei zu viel Lob und Arbeit verlieren.«

In der Tat, das schöne Werk des Bildners war bald beendet. Indem Goujon Diane alle Sinnbilder der Jagd gab, hatte er sie, um dem König zu gefallen, in diesem Naturzustand dargestellt, welchen man vorzugsweise der Venus zu erteilen pflegt.

Übrigens war nichts Antikes und sehr wenig Ideales in dieser Statue. Die Züge, der Haarschmuck, die Verhältnisse boten ein möglichst genaues Bild der Herzogin von Valentinois dar.

Der Bildner, seine Unzufriedenheit vergessend, hatte den von sich geworfenen Meißel wieder ergriffen. Der König hatte sich wieder in seinen Lehnstuhl gelegt, als die Tür sich hastig öffnete und Rabelais in den Saal stürzte. Diana stieß einen Schrei aus und hüllte sich eiligst wohl oder übel in den Mantel des Königs. Eine plötzliche Röte verbreitete sich über ihr Gesicht bis zum vom kurzen Mantel sehr unvollkommen verhüllten Busen.

Rabelais, ohne die Fassung zu verlieren, ergriff einen Zipfel des Mantels und Jean Goujon musste den Ungestümen, der bei jeder Bewegung einen Reiz Dianes entblößte, freiwillig loslassen.

Der König, an den die Herzogin sich drängte, konnte auf keine Weise dem Bildner beistehen, um den frechen Rabelais hinauszuwerfen.

»Sire, bei der göttlichen Flasche! Ich schwöre diesen Mantel nicht loszulassen, bevor ich nicht die Begnadigung eines armen Teufels erlangt habe, der soeben vom Großprevot zum Feuertod verurteilt worden ist.« Bei diesen Worten zog er wieder leise an dem Mantel.

»Gewährt sie ihm, Sire!«, bat die Herzogin, halb erzürnt, indem sie sich so gut wie möglich, aber immer noch sehr schlecht, den frechen Blicken Rabelais entzog.

»Es sei, wie ihr es wünscht, schöne Freundin …; aber gehe doch, Schlingel!«

»Ich bedarf noch einer Begnadigung«, fuhr Meister François fort, der sich offenbar ein Vergnügen daraus machte, die reizende Diane in ihrer üppigen Nacktheit zu betrachten.

»Welche Gnade? Sprich …«

»Die meine, Sire.«

»Du hast sie auch … Geh nun!«

»Hier, unterzeichnet: Das ist alles, was nötig ist … Gut … Jetzt Euer Siegel …«

Rabelais entfernte sich endlich.

Ungefähr zwei Stunden darauf, kam ein Page in seine Wohnung und meldete ihm, dass er vor dem König erscheinen solle. Rabelais gehorchte sogleich. Der Page führte ihn in einen weiten Saal, wo der ganze Hof im Halbkreis versammelt war.

Im Mittelpunkt dieses Halbkreises neben Diane saß der König, dessen Physionomie eine bleiche, von einem sehr schwarzen Bart noch auffallender gemachte Gesichtsfarbe, einen Ausdruck der Melancholie und Härte gab.

Als die Herzogin den Kühnen, der sie eben erst in einer so sonderbaren Lage überrascht hatte, erblickte, senkte sie das schöne Haupt und verbarg das Gesicht hinter ihren Fächer von Federn.

»Eure Damen haben sich viel Mühe gegeben, um die Natur zu verderben«, sagte Rabelais leise, indem er sich verneigte. »Ihr ward diesen Morgen weit anders geschmückt.«

Die Herzogin antwortete nicht; aber durch den Federfächer glaubte das durchdringende Auge Rabelais‘, ein Lächeln und einen Blick zu bemerken, die nicht allzu viel Zorn ausdrückten.

Der König befahl Rabelais zu erzählen, aus welchen Beweggründen er ein so lebhaftes Interesse an dem Unglücklichen nähme, dessen Begnadigung er diesen Morgen erbeten hätte.

Der Pfarrer von Meudon fing sogleich und ohne sich bitten zu lassen an: »Das Fieber des Durstes – des Durstes nach Wein, meine ich – fing an, mir die Kehle zu verbrennen, gestern um die Vesperstunde. Schnell und bald ein Mittel für mich, rief ich; das Einzige: Gläser zu füllen und Flaschen zu leeren! Nun, als mich diese Krankheit überfiel, war Gregor Bonneau mit mir, Kantor der königlichen Kapelle. Anschließend schöpfte ich Verdacht, dass ich, Franz Rabelais, wohl von ihm angesteckt sein konnte, denn das Durstfieber quält Tag und Nacht den armen Mann. Ob das ansteckende Fieber von ihm komme oder von mir, kümmert mich wenig; es sei dem, wie da wolle. Ich weiß nur noch recht gut, dass wir alle beide anfingen, zu schaudern. Für dringendes Übel ist schnelle Hilfe nötig! Wir schrien beide um die Wette: Kellner, schenk ein, schenk ein, schenk ein! Schenk ein ohne Wasser, ungemischt und vom guten; voll und gestrichen, überlaufend, ohne zu verschütten, denn es ist eine zu kostbare Flüssigkeit, als dass man ein einziges Tröpfchen davon verlieren dürfte … Ach, falsches Fieber, willst du nicht vergehen? … Da, noch ein Glas; dann noch ein anderes, und noch dieses … Meiner Treu! Gevatterin, Ihr seid verdutzt, verwirrt, närrisch sogar! Solange wurde eingeschenkt, getrunken und wieder getrunken, bis das Fieber verging und Vernunft, Gleichgewicht und Mäßigung Arm in Arm mit sich führte. Gregor ging, ich weiß wohl zu wem; und ich ging in den Wald spazieren, wo mich eine gewisse …«

Ein alter Herr, Freund Rabelais, zog ihn leise am Mantel, als stummes Zeichen, die Zügellosigkeit seiner Zunge zu mäßigen, denn Heinrich II. war von Natur von einem ernsten und gemessenen Charakter. Seine romantische Leidenschaft für Diane und die Treue, welche er seiner Herrin bewahrte, vermehrten noch die Abneigung, die er gegen die Ausschweifung und die Zoten hatte.

Die kluge Herzogin von Valentinois schmeichelte dieser Sittenprahlerei, um die Herrschaft, die sie über den Monarchen hatte, noch zu vermehren. Sie gab allem, was um sie war, den Charakter der Zurückhaltung, welcher sonderbar kontrastierte mit dem haltlosen Hofleben der Königin Marie von Medicis. Hier gab es nur freie Reden, verliebte und öffentliche Intrigen. So fand man durch eine sonderbare Laune bei der Konkubine eine würdevolle Dekenz, und bei der gesetzmäßigen Gemahlin eine freche Schamlosigkeit.

Alles dieses trat schnell vor den Geist Rabelais und ließ ihn erkennen, wie gut die geheime Erinnerung des alten Herrn gewesen war. Der König hatte den mutwilligen Streich von diesem Morgen verzeihen können. Niemand hatte ihn gesehen; er würde sich aber unfehlbar über zotige Reden erzürnt haben, die in Gegenwart seines ganzen Hofes geführt wurden. Rabelais unterbrach sich also ein wenig und ergänzte das, was er verschwieg, durch eine zweideutige Gebärde und ein listiges Lächeln. Darauf fuhr er fort: »Die Glocken des Schlosses schlugen schon zwölf, als wir noch im Wald verirrt waren. Aber endlich erinnerte der Regen, uns fortzumachen, und dank der Patronin der Sünder und … Sünderinnen, wir gelangten ohne Zwischenfall in das Dorf, ohne jemand gesehen zu haben, außer einem einzigen Menschen, von dem Euch später gesagt werden wird. Das Geheimnis unserer nächtlichen Promenade ergötzte ungemein meinen Gefährten … oder meine Gefährtin. Ich habe nicht gesagt, welches von beiden, ob er oder sie es war.

Als heute um die dritte Nachmittagsstunde die Trunkenheit und der Schwindel aus meinem Kopf wichen, kehrte die Vernunft dahin zurück. Nie schien sie mir so gewichtig und so schwer, sie machte sich o breit in meinem Gehirn, dass dasselbe davon schmerzlich aufschwoll. Freie Luft war mir nötig.

Indem ich an dem Amtshaus vorüberging, war vor der Tür ein Haufen mitleidiger Menschen, die sich an einer schönen Neuigkeit ergötzten. Man hielt nämlich über einen Zauberer Gericht, der ohne Zweifel gehängt und verbrannt würde … Die Gerechtigkeit ist zuweilen eine drollige, lachenerregende Sache! … Ich setzte mich auf den Ehrenplatz hinter den Großprevot Trinquamelle.

Messire Trinquamelle hatte soeben eine Menge Zeugen abgehört. Alsdann schnäuzte er sich mit dem Geräusch eines Ordensgeistlichen und fragte den Zauberer: ›Was ist daran, Bösewicht?‹

Der Zauberer, schreiend wie ein Hirsch in den letzten Zügen, begann zu antworten: ›Ja, es ist wahr, ich habe mich mit Leib und Seele dem Teufel verkauft um tausend Sonnentaler. Er hat mir sie auf treulose Art mit der Erbschaft meines, diese Nacht getöteten Vetters bezahlt. Ich habe den Tod eines meiner Verwandten verursacht, ja; aber der Himmel ist mein Zeuge, dass ich es nicht auf diese Art meinte. Ich wollte nur tausend Sonnentaler haben, um Marie zu heiraten, Marie, die ich so sehr liebe.‹

In diesem Augenblick erhob ich mich, um die Gestalt des armen Jungen bequemer zu sehen. Bei meinem Anblick fiel er in Ohnmacht.

›Das ist‹, sagte er, ›das ist der Teufel, der meine Seele gekauft hat. Er verbirgt sich hinter den Richter. Ich habe ihn im Wald gesehen. Er folgte einem weißen Gespenst. Gnade, Gnade, er will mich in die Hölle holen.‹

Alle sahen mich lachend an; denn Gott sei Dank, François Rabelais ist gekannt als ein guter, vielleicht störriger Teufel, aber nicht als ein Seelenkäufer. Wie der artige Page, der da hinter Ew. Majestät steht und auch im Tribunal war, zu sagen beliebte, dass wenn meine Tasche dick wäre von tausend Sonnentalern, ich sie nicht ablegen würde in einem Wald, um Seelen zu kaufen, sondern der Weinhändler würde sie ganz und ungeteilt bekommen.

Messire Trinquamelle zuckte die Achseln, lud mich zum heutigen Abendessen, was ich ausschlug. Danach, als er hörte, dass man zur Tafel ging, beeilte er sich, das Urteil zu sprechen, damit die Mahlzeit nicht kalt wäre, wenn er käme.

Henriot Maurepain wurde verurteilt, gleichen Tages gehängt zu werden um die Vesperstunde, worauf sein Körper verbrannt und die Asche in den Wind geworfen werden sollte.

Ich entfernte mich, das Schicksal des sogenannten Zauberers bemitleidend, den man im schlimmsten Fall für einen Verrückten halten musste. Aber wie hatte er mich für den Teufel ansehen können? Das setzte mich in Verlegenheit … Plötzlich erinnerte ich mich. Es war der Mann, den wir gestern Abend im Wald begegnet waren, ich und Mathurine … Verdammt sei meine Zunge, mein Geheimnis ist verraten.«

Unschuldige Ursache des Unglücks des armen Schelmes, musste ich ihm redlicherweise helfen. Ihr wisst Sire, wie mir seine Begnadigung gütigst gewährt wurde von Ew. Majestät auf Vermittlung der Frau Herzogin. Ihr erinnert Euch auch, womit ich für mein gutes Werk belohnt wurde, wenn man eine glühende Erinnerung Belohnung nennen kann, die mir drei Nächte Schlaf rauben wird; eine Erinnerung, die mir, um sie zu löschen, mehr als dreißig Flaschen Lacryma Christi kosten wird … Wenn es derjenigen, die das Übel verursacht hat, gefiele, Arznei dafür zu geben, würde sie sehr willkommen sein! Amen.«

»Mein Kellermeister wird sie zu euch bringen lassen, Meister Rabelais«, unterbrach ihn die schöne Diane, deren Wangen sich noch dieses Mal mit einer schamhaften Röte bedeckten.

»Hört, hört, jetzt kommt das Merkwürdigste. Als ich aus dem Schloss ging, begegnete ich meinem Freund, dem Kantor Bonneau, welcher bleich und abgezehrt war, als ob er seit zwei langen Wochen nur gutes reines Wasser getrunken hätte. Er war bei Anbruch des Tages mitten im Wald erwacht, in welchem er seit gestern geschlafen hatte, an der Stelle eben, wo er tottrunken hingefallen war.

Ich fing an, in dieser Geschichte klar zu werden.

›Komm mit mir‹, sagte ich zu ihm, ›lass uns ein Werk der Barmherzigkeit üben und einen armen Narren aus den Klauen der Gerechtigkeit ziehen.‹

›Topp!‹, sagte er, ›und wie nennt sich der Gefangene?‹

›Du sollst es bald wissen.‹

Wir traten in den Kerker. Bei unserem Anblick stieß Henriot ein lautes Geschrei aus. ›O, Erbarmen mit mir! Der Teufel, der Teufel, die Seele meines gemordeten Vetters!‹

Alles wurde erklärt: Der arme Schelm hatte mich und das weiße Gespenst im Wald gesehen, in dem Augenblick, wo er den Teufel rief. Am Morgen hatte er an seinen Vetter gestoßen, der tief im Schlaf lag, von Wein und Liebetrunken, welches zwei berühmte Schlafmittel sind, wenn es deren gibt. Ich, ein Mediziner, empfehle sie als solche, diesen edlen Herren, so wie Euch, meine Damen. Wenn das Herz Euch davon sagt, werdet Ihr immer das Letzte dieser Mittel in meiner Offizin finden, vorausgesetzt jedoch, dass Ihr weder hässlich noch sauertöpfisch seid, denn alsdann würde es ohne Wirkung sein.«

Es ist wohl nicht nötig, hinzuzufügen, dass Henriot Maurepain in Freiheit gesetzt wurde und dass er Marie heiratete, die von der Herzogin von Valentinois ausgestattet wurde. Die edle Dame vergaß auch nicht, den Abend noch die versprochenen dreißig Flaschen Lacryma Christian Rabelais zu senden.

Aber doch gab es Leute, und der Oberhofrichter Trinquamelle gehörte zu diesen, welche behaupteten, dass der Teufel bedeutend sein Spiel dabei gehabt habe.

›Satan kann wohl‹, sagte er, ›Gregoire wieder aufgeweckt haben, so wie er ihn getötet hatte. Die Unterbrechung Rabelais‘, der gewiss nicht für sehr orthodox gilt, gibt meinem Verdacht viel Gewicht. Nach diesem wäre es, selbst wenn das Urteil irrtümlich gefällt worden wäre, noch nicht nötig gewesen, davon abzustehen. Man könne nie zu viel Achtung hegen vor einer Sache, über die Gerichtspersonen und zumal der Großprevot gerichtet haben.‹

Glücklicherweise gab es in einigen Tagen danach eine schöne Exekution von Ketzern und Zauberern, unter denen sich der alte Sünder Mathias befand. Das befriedigte den Eifer der Unzufriedenen und man ließ den jungen Gatten und Rabelais in Ruhe.