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Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten – Teil 5

Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten, vorzüglich neuester Zeit
Erzählt und erklärt von Gottfried Immanuel Wenzel
Prag und Leipzig 1793

Die Brautnacht ohne Braut

Die Verlobten beschlossen die Trauung auf dem Land bei einem guten Freund zu vollziehen. Das Gut des Freundes war eine halbe Tagreise von der Residenz entfernt.

Man fuhr mit anbrechendem Tag ab. Es war ein herrlicher Morgen. Der Gesang der Vögel, die leblose schöne Natur, der Purpur des Morgenrots, die aufgehende Sonne, alles dies wirkte in das liebende Paar mächtig stark und erhöhte nur noch mehr die ohnehin schön gespannten Saiten der fühlenden Herzen. Jüngling und Mädchen zerflossen in Empfindung. Tausende der feurigsten Küsse zitterten auf ihren Lippen, und doch schien es, als hätten sie sich nur einmal geküsst. Der Wagen rollte über Steinklippen, sie fühlten die Stöße nicht, Wanderer gingen am Schlag vorbei. Mit freundlichem Blick die Fahrenden grüßend. Sie sahen sie nicht. Die Strahlen der Mittagssonne sengten, wo sie hintrafen. Sie wussten nichts von der Glut. Der bärtige Kutscher und seine wiehernden Freunde seufzten nach Labung. Nur unsere Liebenden hörten des Magens Stimme nicht.

So macht uns Liebe vergessen, dass wir unter dem Mond wohnen, und gibt uns den Vorgeschmack geistiger Seligkeit.

Endlich hielt die Kutsche am Tor des Schlosses. Hätte der Hofhund die Kommenden nicht angekündigt, nicht der Peitsche Knall den Wächter gerufen, das Tor zu öffnen, nicht den Besitzer selbst all das Geräusch ans Fenster gelockt und ihn an die Ankunft seiner Gäste erinnert; Braut und Bräutigam, glaube ich, säßen vielleicht noch in der Kutsche, so sehr hatte Liebe in sie gewirkt.

Mit warmer Freundschaft empfing der Gutsherr das Brautpaar und führte es bald, – er las Verlangen in ihren Blicken, – zum wartenden Priester vor Zeugen und Altar.

Ein köstliches Mahl war bereitet. Man setzte sich und überließ sich der Freude und frohen Scherzen. Ein Bote kam: »Der Nachbar lädt die ganze Gesellschaft zu sich.«

Dieser und der Wirt der Liebenden sind Freunde.

»Wollen wir dahin, schöne Braut? Baron Willings ist ein wackerer Mann. Sie werden viel Vergnügen in seinem Umgang finden, und Dinge sehen, die Sie in Erstaunen setzen sollen. Die ganze Gegend hält ihn für nichts weniger als für einen Zauberer.«

Die Braut antwortete nicht und schien nachdenkend zu werden. Doch der Bräutigam, der eine ganz eigene Vorliebe für geheime Wissenschaften besaß, war entzückt, als er diese Einladung vernahm. Nach Tisch fuhr man ab.

Anmerken muss ich hier, dass Willings vor einiger Zeit um das Fräulein Schöneberg angehalten hatte, von derselben aber nicht gehört und von ihren Eltern abgewiesen wurde. Dadurch fand er seinen Ehrgeiz beleidigt und beschloss die Beleidigung zu ahnden.

Gegen Abend kam man an. Willings war die Freundlichkeit selbst. Selbst das Fräulein überredete sich, der Baron habe längst des Körbchens vergessen. Vergnügungen wechselten mit Vergnügungen ab. Der Neuvermählte war ganz Auge, als er Willings seltene Experimente sah, und der Erste, der einwilligte, beim Baron über Nacht zu bleiben. Die Braut versprach nicht, denn sie lebte nur in ihrem Gewählten.

Es war schon spät in die Nacht, als man zur Ruhe ging. Willings begleitete die Getrauten ins Schlafgemach. Im Vorzimmer verließ er sie. Die Liebenden eilten zum Kabinett. Der Bräutigam trat zuerst ein, mit einem Licht in der Hand.

Kaum hatte er einige Schritte vorwärts getan, so fuhren ihm Blitze entgegen und er stand im Feuer. Hinter ihm polterte es mit starkem Getöse. Der Schreck war außerordentlich. Betäubt und beinahe ohne Bewusstsein stand er da wie verwurzelt in der Erde. Die Kerze war seiner Hand entfallen und erloschen. Finsternis umgab ihn. Als er sich erholt hatte, war sein erster Gedanke – die Geliebte. Er rief, aber keine Stimme antwortete dem Ruf. Der suchende Arm wurde getäuscht. Er schrie nach Hilfe, aber niemand hörte ihn. Die Tür war verschlossen. Kein Fenster konnte er finden. Ungeduld und Verdruss peinigten ihn. Er verfluchte den Baron, dessen Magie er diesen Vorfall zuschrieb.

Eben schlug seine Taschenuhr fünf, als sich plötzlich die Tür des Kabinetts öffnete und der Baron mit der Braut hereintrat.

Sie stürzte in die Arme des Gemahls.

»Ich habe mich gerächt«, sagte der Baron und entfernte sich.

Erklärung:

Das Vorzimmer war ein magisches Gemach mit verborgenen Tapeten und Tafelwerk, deren eines in dem Augenblick, als der Bräutigam in das Kabinett trat, herabfiel und der Braut zu folgen nicht erlaubte. Diese befand sich nun in den Händen dienstfertiger Kammerfrauen, die sie auch aus dem Kabinett genommen haben würden. Der Blitz und das Feuer in demselben rührten vom Kampfer her, der, im starken Weingeist aufgelöst, über einer Kohlpfanne ausdünstete. Sobald der Bräutigam mit dem Licht eingetreten war, entzündeten sich davon die mit Kampfer geschwängerten Dünste des Weingeistes und brachten Blitz und Feuer hervor. Währenddessen wurde die Tür verschlossen.