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Der Welt-Detektiv Band 6

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Interessante Abenteuer unter den Indianern 92

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Farmer’s Bruder

Während des zweiten Krieges mit England wurde die Nation der Seneca, welche in der Nähe von Buffalo wohnen, von der amerikanischen Regierung dazu verwandt, sich der Armee anzuschließen, die im Begriff stand, unter dem Oberbefehl des Generals Brown in Kanada einzudringen. Der oberste Häuptling dieses Stammes wurde Farmer’s Bruder genannt; derselbe war ein starker, athletischer Krieger. Der Schnee von mehr als achtzig Wintern war über seinem Haupt hingegangen, und dennoch hatte er seine Körperkräfte in ausnehmend hohem Grad behalten. Er besaß den vollen Mut seiner jungen Gefährten und war durch die Aussicht auf eine frische Ernte von Lorbeeren, die er im Geist erblickte, ungewöhnlich aufgeregt.

Dieser berühmte Häuptling stand im Krieg zwischen England und Frankreich in Diensten des letztgenannten Landes. Er zeigte einst dem Schreiber dieses Berichtes den Ort, wo er mit einer Abteilung von Indianern im Hinterhalt gelegen hatte, die Annäherung einer Sicherheitswache, welche die englischen Wagen, die zwischen den Niagara-Fällen und der britischen Garnison verwendet wurden, erwartend. Das Fort daselbst hatte sich dem Sir William Johnston unterworfen. Der zu diesem Zweck ausersehene Platz ist unter dem Namen Devil’s Hole (Teufelsloch) bekannt. Derselbe liegt drei und eine halbe Meile unterhalb des berühmten Wasserfalls, auf der den Vereinigten Staaten gehörigen Seite des Engpasses. Man kann sich kaum ein schauerlicheres Loch denken. Eine große Schlucht, entstanden durch das Einstürzen des senkrechten Ufers, verdunkelt durch die ausgebreiteten Zweige der Birke und Zeder, die unten Wurzel gefasst hatten, sowie das dumpfe Gemurmel der Sturzbäche in den Erdspalten, das dem feierlichen Donner des Wasserfalles selbst noch zugefügt ist, vereinigen sich, um die Szene wahrhaft schrecklich zu machen. Die englische Abteilung ahnte nichts vom schrecklichen Geschick, das ihr bevorstand. An keine Gefahr denkend, pfiffen die englischen Fuhrleute ihren trägen Ochsengespannen lustig etwas vor. Bei ihrer Ankunft auf jenem Platz stürmten Farmer’s Bruder und seine Bande aus dem Dickicht, das sie verborgen hatte, und begannen ein schreckliches Gemetzel. So unerwartet geschah der Angriff, und so sehr waren die Engländer aller Geistesgegenwart beraubt, dass bloß ein schwacher Widerstand geleistet wurde. Die Wache, die Fuhrleute, die Ochsen und die Wagen wurden in den Abgrund gestürzt. Zwei derselben entkamen jedoch. Ein Herr Stedman, welcher zu Schlosser über den Fällen wohnte, und der ein schnelles Pferd ritt, bewerkstelligte seine Flucht; ebenso einer der Soldaten, der durch die hervorstehende Wurzel einer Zeder aufgefangen wurde, welche ihn so lange trug, bis die Wilden den Platz verlassen hatten, worauf er sich nach Fort Niagara begab und die Nachricht des Unglücksfalles hinterbrachte. Ein kleines Flüsschen, das sich in den Abgrund ergießt, war buchstäblich mit dem Blut der Besiegten gefärbt. Dasselbe hat seitdem stets den Namen Bloody Run geführt.

Im Revolutionskrieg bewies Farmer’s Bruder seine Feindseligkeit gegen die Amerikaner bei jeder Gelegenheit, die sich darbot. Mit demselben Eifer nahm er im letzten Krieg gegen seine früheren Feinde, die Engländer, Partei.

Eine andere Anekdote von diesem Häuptling wird seine schnelle Entschlossenheit und die Entschiedenheit seines Charakters dartun. Kurz vorher, ehe die Armee der Vereinigte Staaten den Niagara überschritten hatte, bemerkte Farmer’s Bruder zufällig einen Indianer, welcher sich unter die Seneca gemischt hatte, und den er augenblicklich als zu den Mohawk gehörig erkannte, einem Stamm, der in Kanada wohnte und in Diensten des Feindes verwendet wurde. Er ging auf ihn zu und redete ihn in der indianischen Sprache folgendermaßen an: »Ich kenne dich wohl. Du gehörst zu den Mohawk, du bist ein Spion. Hier ist meine Büchse, mein Tomahawk, mein Skalpiermesser. Ich überlasse dir die Wahl. Welche von diesen Waffen soll ich gebrauchen? Aber ich bin in Eile!«

Der junge Krieger, welcher einsah, dass Widerstand vergeblich sein würde, zog vor, mit der Büchse abgefertigt zu werden. Er erhielt den Befehl, sich auf das Gras niederzulegen. Dies tat er und der Häuptling, den linken Fuß auf die Brust seines Schlachtopfers setzend, feuerte den Inhalt seiner Büchse durch dessen Kopf. Man muss hierbei bemerken, dass dieses Verfahren durchaus nicht im Widerspruch mit den Gebräuchen zivilisierter Nationen steht, sobald es sich um einen Spion handelt; denn auch bei Letzteren werden Spione hingerichtet, sobald sie überführt sind.

Farmer’s Bruder besaß viele schätzbare Charakterzüge. Er war gegen diejenigen, denen er einmal Treue versprochen hatte, ein unwandelbarer Freund, ebenso wie er ein bitterer Feind gegen diejenigen war, welche er bekämpfte. Eher würde er seinen letzten Blutstropfen vergossen haben, ehe er Verrat an der Sache, der er sich angeschlossen hatte, begangen hätte. Er liebte es, seine Heldentaten aufzuzählen und sprach nach Art der Wilden gerne lange und ausführlich von der Anzahl von Kopfhäuten, die er in seinen Gefechten mit den Weißen genommen hatte.

In Gesellschaft mit mehreren anderen Häuptlingen besuchte er einst den General Washington, welcher ihm eine silberne Medaille zum Geschenk machte. Er hatte dieselbe beständig um den Hals hängen. Die Gabe war so kostbar in seinen Augen, dass er oft erklärte, er würde sie nur mit seinem Leben verlieren. Bald nach den Schlachten von Chippewa und Bridgewater bezahlte dieser Veteran den Tribut der Natur im Seneca-Dorf. Aus Achtung für seine Tapferkeit wurde er vom 5. Infanterieregiment der Vereinigten Staaten mit militärischen Ehrenbezeugungen bestattet.