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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 21

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

21. Wie Rübezahl einen mutwilligen Menschen vom Henkertod befreit.

In einem Städtlein unterm Gebirge war einmal ein Schuhknecht, der bei einem Meister arbeitete, welcher gar ein leutseliger Mann war und seinen Knechten manche Freude gönnte. Also gingen diese oft ins Gebirge und trieben ihren Mutwillen dabei, wie das nun junge Leute machen, und trieben es manchmal zu bunt. Unter anderem forderten sie auch Rübezahl förmlich heraus, und es war dabei keiner ungebührlicher und kecker als obiger Schuhknecht. Denn nicht genug, dass er den Bergherrn mit allerlei Spottnamen bezeichnete, so forderte er ihn auch auf, herunterzukommen und sehen zu lassen, was er denn für Künste könne. Das alles duldete der Berggeist lange Zeit, weil ihm der Schuhknecht nimmer zurechtkam. Nun trug es sich zu, dass der Meister den Gesellen abdankte. Dieser, da er einmal feirig war, beschloss weiter zu wandern und übers Hochgebirge nach Böhmen zu gehen.

Da dachte er nun freilich nicht an Rübezahl, sondern nur ans Unterkommen und ans liebe Brot, wie es auch bei dem schlimmsten Umtriebler ist, wenn der liebe Gott den Brotkorb hoch hängt, und braucht da ein verständiger und edler Mensch gar nicht erst zu strafen.

Packte also der Mensch seine Siebensachen in sein Felleisen. Während er das aber tat, kam Rübezahl unsichtbar und steckte demselben einen silbernen Becher, etliche silberne Löffel und mehrere Schaumünzen und Raritäten in sein Felleisen noch mit hinein. Der Schuhknecht, so davon nichts wusste, schnürte wohlgemut sein Bündel, nahm Abschied von seinem Meister und wanderte davon. Nun war der Meister eine Art von gelehrtem Schuster und hatte eine besondere Liebhaberei, denn er sammelte Schaustücke und Merkwürdigkeiten. Kaum war der Schuhknecht weg, so ging er in seine Kammer, um der dort aufgehobenen Sammlung einige neue Schaustücke hinzuzufügen. Er erschrak aber nicht wenig, als er sogleich mehrere wichtige Stücke – es war darunter ein Hosenknopf von Noah, so er bei einer gewissen Gelegenheit verloren hatte — vermisste. Er fragte und suchte im ganzen Haus umher und fand nichts. Da fiel ihm plötzlich der Gewanderte ein und er dachte: Sollte der die Sachen haben? Er rannte also hinter dem Gesellen her, traft ihn auch nach einigen Stunden an und beschuldigte ihn des Diebstahls. Der Schuhknecht aber war guten Muts, versicherte seine Unschuld und öffnete selbst sein Ränzlein, damit der Meister suchen könne. Der war jedoch kaum über den Umschlag hinein, so fand er auch das Gesuchte.

Der Jüngling war wie vom Donner gerührt, beteuerte laut seine Unschuld und sagte, es müsse jemand ihm zum Possen die Sachen in sein Felleisen geschoben haben. Ja, da war aber nicht zu helfen. Der Schuster ließ die Ortsgerichte kommen, diese nahmen eine Verhandlung über den Hergang auf und schickten den Gesellen gefänglich zur Stadt zurück.

Damals ging es nun bei solchen Gelegenheiten kurz her, und der arme Teufel, obwohln er seine Unschuld wiederholt beteuerte, wurde zum Galgen verurteilt, weil man die Sachen bei ihm gefunden hatte. Als er nun in der letzten Nacht vor seinem vermeintlichen Tod trostlos und ohne Schlaf in seinem Kerker saß, da öffnete sich die Tür. Rübezahl trat ins Gefängnis und fragte den armen Sünder, was er da mache. »Ach Gott«, wehklagte der Arme, »ich bin angeklagt, einen Diebstahl begangen zu haben und soll morgen gehenkt werden, so ich doch kein Dieb und so unschuldig bin, wie die Sonne am Himmel, so doch voller Flecken ist.«

»Sieh, mein Freund«, sagte hierauf Rübezahl, »hieran bist du selbst schuld, denn hättest du in deinem Übermut nicht so oft mich übel behandelt und mit Schimpfworten überhäuft, so dürftest du jetzt nicht dafür leiden, denn ich bin Rübezahl. Doch ich will dich deshalb nicht verderben, sondern Gnade vor Recht gehen lassen. Hierauf löste er seine Fesseln, schlüpfte selbst in die Ketten und machte ihn hierauf unsichtbar und brachte ihn so zum Gefängnis hinaus. Wer war froher als mein Schuhknecht!

Indessen wurde es Morgen, und in aller Frühe erschien schon ein Geistlicher, welcher den armen Sünder zum Tode vorbereiten sollte. Er ermahnte ihn also in sich zu gehen, inbrünstig zu beten, seine Sünden aufrichtig zu beichten und zu bereuen, und darauf nach erhaltener Absolution das heilige Abendmahl zu nehmen, denn, setzte er hinzu, sein letztes Stündlein sei einmal da.

Rübezahl horchte hoch auf, drehte, wie es die Vögel machen, den Kopf bald auf die, bald auf jene Seite, schwieg eine Weile still, und sagte dann: »Papperlapapp.«

Der Geistliche traute seinen Ohren kaum und entsetzte sich. Er fing aber doch seine Ermahnungen von Neuem an, wiewohl vergeblich, denn so oft er wieder begann, so oft erschallte auch das Papperlapapp. Als nun nichts weiter als Papperlapapp aus dem armen Sünder herauskommen wollte, so führte man ihn endlich zum Tor hinaus und hing ihn da unter lauter Papperlapapp-Geschrei an den hellen, lichten Galgen.

Kaum war jedoch der Henker von der Leiter herunter, so verwandelte sich der Leichnam auf einmal in eine Schütte Stroh, die jedermann mit offenem Mund und unverkennbarem Entsetzen anstarrte. Die Weiber fassten sich zuerst und nahmen Reißaus, und die Männer liefen auch bald, wie sie es gewöhnlich machen, den Schürzen nach.

So rächte sich Rübezahl doch immer noch auf eine billige Weise, aber schöner wäre es freilich gewesen, wenn er nicht so weit gegangen wäre.

Merke: Man muss seinen Mutwillen niemals zu weit treiben; aber schön ist es dagegen, wenn man erfahrene Beleidigungen vergibt und vergisst.