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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 45. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel erschreckt einen großprahlerischen Wirt in Eisleben mit einem toten Wolf.

ach der vorigen Begebenheit kam Eulenspiegel nach Eisleben und hielt sich daselbst eine Zeit lang auf. Als er daselbst herbergte, kamen drei reisende Kaufleute aus Niedersachsen, welche nach Nürnberg wollten, spät abends an. Der Wirt fragte die Reisenden, warum sie denn so spät ankämen. Die Kaufleute erzählten, dass sie unterwegs in sehr großer Lebensgefahr gewesen waren. Ein sehr großer Wolf habe sie verfolgt, und sie wären nur mit Mühe entkommen. Der Wirt, der gewöhnlich über alles einen beißenden Spott führte, äußerte sich auch diesmal auf eine spöttische Weise und lachte die drei Reisenden aus, dass sie sich vor einem Wolf gefürchtet hätten. Dies verdross die Männer, die doch Todesangst ausgestanden hatten, und sie dachten an eine Wiedervergeltung.

Der prahlerische Wirt sagte: »Wenn mir auch zwei Wölfe begegneten, so wollte ich sie allein verjagen.«

Eulenspiegel, der dies alles mit anhörte, merkte, dass die Kaufleute über diesen Spott sich innerlich ärgerten, und sagte zu ihnen, als sie in der Stube allein waren: »Habt nur Geduld, ich will unserem Wirt für den heutigen Spott bezahlen.«

Dann gab er ihnen an, wie er es machen wolle, bat sich aber dafür eine kleine Belohnung aus. Den Kaufleuten gefiel der Vorschlag und gaben Eulenspiegel Geld im Voraus. Nun fragte Eulenspiegel, wann sie wieder zurückkämen, und sie sagten, in vierzehn Tagen.

»Gut«, sagte Eulenspiegel, »dann will ich auch wieder hier sein.«

Am anderen Morgen bezahlten die Kaufleute für sich und auch für Eulenspiegel die Zeche und reisten weiter.

Der spöttische Wirt rief ihnen noch im Weggehen nach: »Gebt Acht, dass euch kein Wolf erhascht!«

Die Reisenden antworteten: »Wenn uns die Wölfe fressen, so kommen wir nicht wieder.«

Eulenspiegel reiste auch ab, und zwar zum Harzgebirge, wo es damals viel Wölfe gab, machte Jagd auf einen großen Wolf und erlegte ihn. Es war aber gerade sehr kalt und deshalb fror der Wolf steif. Mit diesem steif gefrorenen Wolf, welchen er in einem großen Sack verborgen hielt, reiste er wieder nach Eisleben zurück. Die Kaufleute und Eulenspiegel trafen zu gleicher Zeit bei ihrem vorigen Wirt ein.

Eulenspiegel sagte heimlich zu den Kaufleuten, dass er in der folgenden Nacht den Spaß machen wolle. Der großprahlerische Wirt hatte die Kaufleute des Abends aufs Neue zum Besten wegen ihrer Furcht vor den Wölfen. Als sie gegessen hatten, gingen sie sowie der Wirt und alle seine Leute zu Bett. Wie nun alles im Haus ruhig war, nahm Eulenspiegel seinen Wolf, schlich sich in die Küche und stellte hier denselben hin, welcher, da er steif gefroren war, recht gut stand, steckte ihm auch zwei Kinderschuhe in das Maul und schlich sich wieder in seine Schlafkammer. Einige Minuten später riefen die Kaufleute dem Wirt zu, dass er ihnen doch Bier zum Trinken geben möge, denn sie hätten noch großen Durst. Der Wirt rief seine Magd, um das Bier zu holen. Diese, als sie in der Küche ein Licht angezündet hatte, und den Wolf erblickte, fing ein lautes Geschrei an, lief mit dem Licht davon und ließ sich nicht sehen. Nun wurde der Hausknecht gerufen, um zu sehen, was vorgefallen wäre. Wie dieser auch Licht in der Küche angezündet hatte und den Wolf da stehen sah, lief er gleichfalls mit großem Geschrei davon und ließ das Licht in der Küche stehen. Als der Wirt das Geschrei seines Hausknechtes hörte, stand er geschwind auf, um nachzusehen, was vorginge. Als er in die Küche kam und den Wolf sah, fing auch er ein lautes Geschrei an, dass man glaubte, der Wolf hätte ihn schon beim Kragen. Er kam in großer Angst zu seinen Gästen, erzählte ihnen mit Zittern, dass ein großer Wolf in der Küche stände und schon ein Kind gefressen haben müsse, denn die Füße desselben hingen ihm noch mit den Schuhen aus dem Maul, und wer wisse, ob er nicht auch die Magd und den Knecht gefressen habe, denn beide wären nicht zu sehen. Die drei Kaufleute und Eulenspiegel standen also auf und gingen, mit dicken Knitteln bewaffnet, mit dem Wirt in die Küche, konnten sich aber des Lachens nicht enthalten. Als sie nun in die Küche kamen, trat Eulenspiegel zu dem Wolf hin, klopfte ihn auf den Rücken und stieß ihn nach vielem Betasten mit dem Fuß um. Aber der Wirt war entflohen, wie Eulenspiegel zum Wolf trat. Nun rief Eulenspiegel den Wirt und seinen Knecht, welche sich im Keller verkrochen hatten, wieder herbei. Auch die Magd wurde hervorgesucht, welche man in der Kinderstube fand. Jetzt fingen die Fremden ein lautes Gelächter an.

Eulenspiegel sprach zum Wirt: »Herr Wirt, Ihr hattet vor vierzehn Tagen ein so großes Wort, dass Ihr Euch nicht vor zwei lebendigen Wölfen fürchtet, und nun habt Ihr Euch vor einem toten Wolfe so sehr erschrocken?! O, wo ist Eure Herzhaftigkeit! Kann ein toter Wolf Euch mit Eurem Gesinde in die Winkel des Hauses jagen, was mag nicht ein lebendiger Wolf können! Ein anderes Mal seid nicht so großprahlerisch bei Euren Gästen und verspottet den nicht, der in wirklicher Gefahr sich befindet.«

Der Wirt schämte sich seiner Spottreden und bat die Kaufleute um Verzeihung.

Da mit diesem Spaß fast die ganze Nacht verstrichen war und der Tag schon anbrach, so aßen die Kaufleute ihre Biersuppe, bezahlten alles und reisten weiter. Eulenspiegel begleitete sie bis nach Aschersleben, wo er blieb.