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Oberhessisches Sagenbuch Teil 10

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Die Spinnerin auf der Altenburg bei Sichenhausen

In Kaulstos war ein armer Mann, ich hab ihn noch recht gut gekannt. Man hieß ihn nur den Katzenhannes, der ging nach Seemen zu einem Juden und wollte ihn um Frist bitten, weil er kein Geld zum Bezahlen hatte. Also schlug er den gewöhnlichen Weg dahin über die Altenburg ein. Hart vor dem Seemerwald sah er eine ihm unbekannte uralte Spinnerin sitzen, die trällerte Wolle auf einem hübschen braunen Rädchen. Vor ihr lag ein Knottentuch mit Frucht, als wäre die gewaschen und sollte in der Sonne getrocknet werden. Die Alte hatte eine weiße Hülle auf dem Kopf und sah ihn an, ohne ein Wort zu verlieren, deutete aber mit der Hand immer auf die Frucht. Im Vorbeigehen griff der Katzenhannes auch danach und steckte ein paar Körner, die ihm wie Weizen vorkamen, in die Tasche. Darauf ging er seines Weges. In Seemen sagte er zu dem Juden: »Schmul«, sagte er, »wenn ich so viel Gold hätte, wie Körner auf dem Tuch lagen, das ich auf der Altenburg sah, dann wäre meine Schuld längst berichtigt.«

»Gottes Wunder«, antwortete der Jude, »was hast du gesehen?«

Da erzählte ihm der Katzenhannes umständlich die Begebenheit, aber der Jude wollte es nicht glauben und hielt es für einen Aufbrand.

Da langte der andere in seine Tasche und sprach: »Nun sieh einmal, was das für schöner Weizen gewesen ist!«

Aber es war das purlautere, funkelneue Gold, was er hervorzog. Jetzt hätten die beiden keine zehn Gäule gehaltenSie liefen in einer Hast zur Altenburg und suchten und suchten nach der wunderbaren Frau, doch um sonst. Sie hatten das Nachsehen und die schöne Gelegenheit war für immer verpasst.


Die alte Frau im Schershain

Ein Grebenhainer Mann ging über der Ahlmühle im Oberwald und kam an den Platz, wo ehedem das Dörflein Schershain gestanden, das im Dreißigjährigen Krieg durch das Soldatenvolk so jämmerlich untergegangen ist.

Da saß eine alte Frau neben einem Tuch, auf dem Knotten lagen und spann gar emsig. Er bot ihr also freundlich die Zeit, wie es sich gehört. Es war aber gegen Mittag hin, doch sie kümmerte sich nicht um seinen Gruß und spann fort. Nun wurde er stutzig und besah sie sich genauer, allein er kannte sie nicht. Neben ihr lag ein großes Schlüsselbund. Im Vorbeigehen raffte er aus Langweile eine Handvoll Knotten auf und steckte sie in seine Tasche. Als er heim kam, waren es ebenso viele Goldkörner.


Der Fraustein bei Windhausen

Der Fraustein liegt unterhalb des Bilsteinkopfs bei Windhausen und war früher größer, denn jetzt, sintemal er aus einer einzigen ungeheuren und zusammenhängenden Felsplatte bestand. Jedes Mal, wenn es im Ort Mittag läutet, dreht er sich um sich selber herum. Auf dem Weg nebenan lässt sich eine weiße Frau sehen, die wohnt im Kindchesborn und erschreckt die Kinder, wenn sie mit ihren Gelzen daherkommen. Auch sieht man manchmal daselbst einen gespenstigen Hund umherstreichen, der ist wild und erschrecklich, und hat feurige Augen, so groß wie ein Teller.


Die Pfingstweide vor Klein-Eichen

Wenn man die Anhöhe herabsteigt, die zwischen Groß- und Klein-Eichen liegt, so hat man eine grasige Niederung vor sich, welche die Pfingstweide heißt. Nebenan hat früher das Bornwäldchen gestanden und in dieser Gegend sollen anfangs die Leute von Klein-Eichen zuerst angesiedelt gewesen sein, ehe sie neben Lardenbach in den Grund bauten. An diesem Platze ist es nie recht geheuer gewesen. Ehemals stand daselbst ein uralter, unten geborstener Lindenbaum, gerade über einer Quelle, deren Wasser durch den hohlen Stamm sich zuletzt einen Ausweg suchte und mit leisem Gemurmel weiterfloss. Aus diesem Born kam immer im Herbst um die Mittagszeit ein grau oder weiß gekleidetes Weibchen hervor, das sah man dann im Wässerlein des Tals seine Wäsche halten. Jetzt ist es aber schon gar lange her, seitdem man von diesem Waschweibchen nichts mehr gesehen und gehört hat.