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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 38. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel gibt sich für einen Brillenmacher aus.

u jener Zeit wurde der römische Kaiserthron durch den Tod des tapferen Kaisers Sigismund erledigt. Die Kur­fürsten verfügten sich zu einer neuen Kaiserwahl nach Frank­furt am Main. Eulenspiegel machte sich deshalb auch auf den Weg nach Frankfurt, weil er hier auf guten Verdienst hoffte und noch nie daselbst gewesen war. Als er in die Gegend von Frankfurt kam, begegnete ihm der Kurfürst von Trier mit seinem Gefolge. Wie dieser den Eulenspiegel in seiner seltsamen Kleidertracht sah, fragte er ihn, wer er wäre.

Eulenspiegel antwortete: »Ich bin ein Brillenmacher und komme jetzt aus Brabant. Weil in jener Gegend nichts zu verdienen ist, wollte ich hier mein Glück versuchen.« Der Kurfürst sagte: »Ich dächte, da deine Kunst so selten ist und der Augenkranken es viele gibt, dass du auch guten Verdienst haben müsstest.«

Eulenspiegel antwortete: »Eure Kurfürstlichen Gnaden haben vollkommen recht, denn der Augenkranken gibt es viele, die meine Brillen sehr nötig hätten, aber sie sagen, sie dürften keine Brillen kaufen.«

Der Kurfürst fragte: »Warum denn nicht?«

Eulenspiegel sagte: »Wollen Eure Kurfürstlichen Gnaden mir eine Antwort nicht ungnädig aufnehmen, so will ich sagen, warum.«

Und der Kurfürst erwiderte: »Sag nur, was deine Meinung ist, ich bin das schon gewohnt und sehe es gern, dass der Mann frei und ungeheuchelt sagt, was er denkt, und sollte es auch keine Lobrede sein.«

Eulenspiegel antwortete: »Die Leute sagen, ihre Priester und Obrigkeiten hätten gesagt, sie brauchten nicht weiter zu sehen, als wo man sie eben hinstellte. Da­durch kommen nun meine Brillen in Verachtung und wer­den nicht mehr gekauft. Ja die großen Herren tragen keine mehr, um bei den niederen Personen keine Lust dazu zu erwecken. Da ich nun die Brillen anfertige, so setze ich öfters eine auf und sehe damit in die Welt. Da werde ich dann sonderbare Dinge gewahr, dass mir oftmals bange wird.«

Da sagte der Kurfürst zu Eulenspiegel: »So gib mir doch auch eine solche Brille, dass ich dergleichen Dinge dadurch erkennen kann.«

»Hier ist eine«, sprach Eulenspiegel. »Aber mit dieser Brille müsst Ihr Euch, gnädiger Kurfürst, erst selbst besehen, sonst möchtet Ihr glauben, an Euch sei alles gut und schön, und dann werdet Ihr manchen Schmutz abzuwischen haben.«

Dem Kurfürsten ge­fiel diese Erklärung der Brille, bezahlte sie ihm, gab ihm noch ein gutes Geschenk und nahm ihn auch mit nach Frankfurt. In Frankfurt machte Eulenspiegel viel Auf­sehen, sein Brillenhandel ging sehr gut, wobei er manchem vornehmen Herrn die Augen und den Geldbeutel aus­wischte, damit sie besser sehen und leichter tragen konnten.