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Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten – Teil 1

Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten, vorzüglich neuester Zeit
Erzählt und erklärt von Gottfried Immanuel Wenzel
Prag und Leipzig 1793

Vorbericht

Gegenwärtige Geschichten hatten das Glück, in verschiedenen geistreichen Gesellschaften zu gefallen. Dies munterte den Verfasser auf, die letzte Feile an das Werk zu legen und das neue Söhnchen seines Geistes vor dem richtenden Publikum aufzuführen.

Es erscheint immer noch zurzeit; denn Aberglaube und die Begierde, natürliche Ereignisse durch übernatürliche Kräfte zu erklären, wohnen noch gewiss mitten unter uns, wenn wir gleich auf Philosophie und Aufklärung pochen.

Es sind nur wenige Jahre, dass es noch in einer der ersten Städte Deutschlands gespukt hat. Die halbe Stadt war fest überzeugt, dass die Seele eines Verstorbenen diesen Unfug triebe.

Und noch kein Jahr ist vorüber, dass man irgendwo auf deutschem Boden einen sehr geschickten Physiker beinahe der Zauberei beschuldigt und recht abscheulich zu verleumden versucht hat.

Der Professor am Katheder, der Gelehrte in der Studierstube, der Schriftsteller am Schreibpult glauben freilich, dass alle Welt schon im Schoß der Weisheit ruhe. Wollten sich die Herren aber von ihrer Höhe zum Volk herablassen in die Stube des Bürgers, in die Hütte des Landmannes treten, zwar wäre ein Besuch im Spiegelzimmer auch nicht unnütz. Sie müssten erstaunen, dass so wenig wahre Aufklärung von ihnen ausfließe.

Also, liebes Büchlein, wandere und stifte Nutzen so viel du kannst. Unterhalte den, der dich zum Zeitvertreib in die Hand nimmt, und belehre da, wo man geneigt ist, Belehrung anzunehmen.

Dies wünscht dir aus dem Grunde seiner Seele der Verfasser.

I.

Die verzauberten Spieler
oder: Das Schloss im Tal

In einer schauerlich-romantischen Gegend stand viele Jahre, einsam und von Menschen verlassen, ein im Geschmack des Altertums gebautes Schloss. Eulen, Uhu und Dohlen nisteten im gotischen Mauerwerk. Disteln, Dornen und Steinhaufen verwehrten jedermann den Zugang. Pfeifend heulte der Wind durch die Zinnen der Türme. Fürchterlich hallte es im Umkreis, wenn Gesimse brachen und in die Tiefe herabrollten. In weiter Ferne herum lag das Land wüst und öde. Schlangen wanden sich zischend durch Klippen und giftiges Geschmeiß summte in Scharen daher.

Stämme, die des Nordwinds Toben brach, verfaulten unbenutzt. Sumpf und Pfütze stanken wie Kloaken voll Unrat. Unken quakten im grünlichen Teich. Dicke Nebel erhoben sich langsam aus Morasten und regneten als Jauche wieder. Der Waldrauch verfinsterte den Himmel und erinnerte den Seher an die Finsternis Ägyptens. Die Donner hatten hier ihre Wohnung aufgeschlagen. Die Erde erbebte, krachte der schwächsten einer nur. Der Horizont brannte wie Schwefelpfuhl, wenn sich ein Blitz entzündete. Stromweise goss sich der Wolke Feuer hernieder, floss über den sandigen Boden und schmelzte im Fluss den Kies. Aus hohlen Klüften brausten ewige Winde, und der Wirbel stieg in Staubsäulen bis an die Decke des Himmels.

So trauerte die Natur hier; trauerte, weil sie ihr Liebling, der Mensch, verließ. Weit in die Ferne atmete kein Sterblicher. Meilenweit vom Wald sang die Amme dem Kind schon die Geschichte des verzauberten Schlosses vor. Sorgfältig warnte der Vater den Sohn, nie zu betreten den Ort, auf den der Fluch des Ewigen lag. In langen Winterabenden erzählte man sich beim dampfenden Kien die schon tausendmal gehörte Sage vom Schloss im Tal. Die Hirten wiederkäuten sie des Sommers auf Fluren und Triften, und die Schenke wiederholte vom Schloss im Tal, so oft der Bauer eine Kanne leerte.

Und hier war es auch, wo man sie einen Reisenden zum Nachtisch gab. Wirt und Gast beteuerten die Wahrheit der Sage und beriefen sich aufs amtliche Archiv, wo sie zum ewigen Gedächtnis aufbewahrt wird. Der Fremde hörte die Bauern geduldig an, die Abenteuer auf Abenteuer, Widersprüche auf Widersprüche häuften.

Es gibt keine Lüge, die nicht ein Quentchen Wahrheit enthielte, dachte er und eilte zum Amtmann.

Der Amtmann las die Geschichte wie folgt:

»Die Freiherren von …, ehemalige Besitzer des Schlosses im Tal, standen im Ruf der schwarzen Kunst. Sie riefen Verstorbene aus dem Reich der Schatten hervor. Die Erde öffnete sich auf ihr Geheiß und gab die vergrabenen Schätze her. Der Menschen Geheimnisse wussten sie und wahrsagten künftige Dinge. Kranke genasen, näherten sich nur die Zauberer ihnen. Am Letzten der Familie hat der Böse seine Beute sichtbar genommen. Man fand ihn an einem abgelegenen Ort des Gebäudes erdrosselt und Spuren von Krallen im Gesicht. Man verscharrte den Unglücklichen und bemerkte bald danach, dass seine Seele am Ort der Sünde gestraft werde. Es spukte im Schloss und in der Gegend ums Schloss.

Schloss und Gegend verließ jedermann. In der Folge wagte es ein Frevler, den Ort der Gefahr und des Schreckens zu betreten. In ein fernes Gewölbe führte ihn die Neugierde. Der Kühne öffnete die Pforte, und siehe: Drei Männer im ritterlichen Gewand saßen am Tisch mit Spielkarten in Händen. Der Ungläubige trat einen Schritt näher. Ein schmaler Gang führte unmittelbar zum Tisch. Die Ritter warfen die Karten weg; noch einen Schritt, und einer von ihnen hob sich vom Sitz und zog den Säbel. Die zwei anderen taten es auch. Weiter vorzuschreiten gebrach es am Mut des Frevlers. Er kehrte zurück. So wie er näher der Pforte kan, so setzten sich die Gespenster. Blass einer Leiche gleich, zitternd und bebend eilte der Fremde zu den seinen.

Die Nachbarschaft war vor dem Schloss versammelt, erwartend mit Ungeduld des frechen Unternehmens Ausgang und vernahm die Erzählung mit Schauder. Wo noch eine Hütte in der Nähe stand, da meideten die Einwohner sie. Menschen und Vieh wanderten aus der Gegend.«

Soweit der Amtmann.

Der Reisende kam in der Hauptstadt des Landes an und erzählte in Gesellschaften die abenteuerliche Geschichte vom Schloss im Tal. Ein Offizier hörte sie und beschloss, den Zauber zu sehen. Er kam in die Nähe des Schlosses. Geistliche und Laien, Amtmann und Bauer waren dem Wunsch des Kriegers entgegen. Der Offizier beharrte auf seinem Entschluss und drang mit Gewalt durch. Ein Trupp Soldaten räumte Dornen, Disteln und Steine aus dem Weg. Der Offizier stand vor dem Gewölbe. Brecheisen und Hacken sprengten die Pforte und hoben sie aus ihren Angeln. Der Offizier trat ein. Beängstigt harrten Pfarrer, Amtmann und Volk vor dem Eingang des Gewölbes und sahen von fern die verzauberten Spieler. Der Offizier blieb im schmalen Gang stehen und warf forschende Blicke um sich. Die Gespenster bewegten sich nicht. Nun tritt er einen Schritt vor sich, und sie blicken ihn bedeutend an; noch einige Schritte, und die Unholden werfen die Karten weg. Der eine zieht den Säbel, verlässt Sitz und Tisch, die zwei anderen tun ein Gleiches. Der Offizier geht unerschrocken weiter, und die Verzauberten sinken in die Erde. Tisch und Stühle sind verschwunden.

»Der Zauber ist gelöst!«, rief der Offizier und trat lachend aus dem Gewölbe heraus.

Aufklärung

Die ehemaligen Besitzer des Schlosses im Tal waren Physiker und Naturkenner. Der Unverstand des Volks machte Zauberer aus ihnen und dichtete ihnen Taten an, von denen sie vielleicht nie geträumt haben mochten.

Der Letzte der Familie wurde ein Raub des Bösen, denn man fand ihn erdrosselt mit Spuren von Krallen im Gesicht. Wahrscheinlich war sein Tod das Werk eines mordenden Bösewichts. Die Lage des Schlosses und die Beschaffenheit jener Zeit führen leicht auf diese Erklärung. Der Blöde, der Abergläubische verfiel nun ebenso leicht auf den Teufel, dem er gewöhnlich Hexen und Zauberer als Beute ausliefert.

Von dieser Zeit an spukte es im Schloss und in der Gegend. Wie konnte es anders kommen? Wenn eine ganze Familie im Ruf der Zauberei steht, wenn der Letzte daraus sogar vom Teufel geholt wird, so muss wohl notwendig Spukerei erfolgen.

Das liebe Völklein war darauf gefasst. Seine Einbildungskraft, voll von dergleichen Bildern, sah schon Geister und Gespenster. Nun bedurfte es bloß eines ungefähren Getöses im Gebäude, und Schloss und Gegend wimmelten sogleich von solch einem luftigen Gesinde.

Ein Kühner geht ins Schloss und sieht spielende Ritter, deren einer ihm mit Gewehr entgegen eilt, je näher er ihm kommt. Der Mut entfällt ihm und er flieht zitternd aus dem Gewölbe. Ein Faktum, das erst der Sache Authentizität gab und sie ins amtliche Archiv brachte. In unseren Tagen hätte man, wie es sich vermuten lässt, Untersuchungen angestellt, aber damals dachte man an so was nicht.

Ein Offizier entschließt sich, die Geister zu sehen, denn die schwarze Kunst der ehemaligen Besitzer des Schlosses, der schmale, unmittelbar zum Tisch führende Gang im Gewölbe , die den Schritten des Gehenden entsprechenden Bewegungen der Spieler – alles diess lässt ihn vermuten, dass die ganze Sache wohl ihren Grund in der Mechanik haben möge. Auch täuscht er sich nicht. Mutig geht er auf die Gespenster los – sie versinken. Man untersuchte den Fußboden und fand Räderwerk und Stahlfedern, die der Eintretende mit jedem seiner Schritte in Bewegung und somit auch die blechernen Ritter in Aktivität setzte. Der schmale Gang war absichtlich angelegt worden, denn er verhinderte die eintretende Person anderswohin zu treten, wo nämlich keine Maschinerie angebracht war. Die Gespenster versanken. Dies machte der letzte Fußdruck. Der Mechaniker hatte hier für zwei Fälle gesorgt; einmal, damit ja nicht die Sache einen Mangel am Wunderbaren hätte. Der eine Ritter geht mit gezogenem Säbel dem Kommenden entgegen, welches machte, dass Furchtsame nicht weiter zu gehen wagten, sondern flohen. Wagten sie sich wirklich bis an den Tisch, so versank alles. Dies machte wieder, dass auch dann der Kühne nicht bemerkte, aus was für einem Stoff die Gespenster gebildet sind.

Nun zog man neuerdings das Räderwerk auf, und die Gespenster standen wie zuvor da, bereit, Blöde zu schrecken und Aufgeklärte zu unterhalten.