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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Zweiter Teil – Zwanzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Zwanzigste Erzählung

Ein gehörnter Teufel, mit einer Mistgabel bewaffnet, geht einer preußischen Schildwache zu Leibe.

Im ersten Schlesischen Krieg, also im Jahr 1742, erhielt der preußische General de la Motte Fouqué als damaliger Obrist vom Feldmarschall von Schwerin Befehl, mit seinem Grenadierbataillon die Stadt Kremsier (Kroměříž) in Mähren zu besetzen. Zu den Sicherheitsanstalten, welche er gleich nach der Besitznahme dieser Stadt traf, gehörte unter anderen, dass er auf der Mauer unweit der Wohnung eines katholischen Priesters eine Schildwache aufstellte. Es war aber in dieser Gegend der Stadt nicht ganz richtig. Wenigstens sagte man allgemein, der Teufel gehe da leibhaftig um und spuke. Auch machte die preußische Schildwache wirklich schon in der ersten Nacht eine ganz eigene Erfahrung von der Richtigkeit dieser Sage; denn kaum war die Stunde der Gespenster angebrochen, so erschien ihr der Höllenfürst ganz schwarz angetan, mit Hörnern und Klauen, mit einem langen Schwanz und einer Mistgabel versehen.

Der Grenadier, welcher auf dem Posten stand, war ein alter verwegener Schnurrbart, der schon längst gewünscht hatte, mit dem Teufel näher bekannt zu werden. Anstatt sich zu entsetzen und in Angst seinen Posten treulos zu verlassen, wartete er die allmähliche Annäherung des Schreckbildes, das auf das militärisch zugedonnerte Wer da! gar nicht zu achten schien, ruhig ab. Endlich stand es ganz nahe vor ihm, hielt ihm ein dreizackiges Mordgewehr vor und drohte ihm mit einer fürchterlichen Stimme den augenblicklichen Tod.

Da die Schildwache in ihrem Beruf war, so standen ihr vor der scheußlichen Gestalt die Haare wenig oder gar nicht zu Berge. Sie nahm vielmehr den rechten Zeitpunkt wahr, parierte mit dem Bajonett die Mistforke und packte den Satan, der auf das im Feld so folgenreiche Wer da? so verwegen die Antwort verweigert hatte, herzhaft an. Sie hielt ihn unbarmherzig fest und achtete nicht des Zetergeschreis, welches der fast zerdrückte Höllengeist ausstieß. Bald eilten dem braven Grenadier einige seiner in der Nähe befindlichen Kameraden zu Hilfe. So schleppte man den Gott-sei-bei-uns auf den nächsten Wachtposten in Gewahrsam.

Des Morgens darauf wurde der Schreckensfürst mit seiner höllischen Kleidung in Begleitung einer zahllosen Menge Volks durch die ganze Stadt zur Hauptwache abgeführt.

Der Teufel sah nun ein strenges militärisches Verhör über sich anstellen und war so gnädig, auf jede barsche Frage, die man ihm vorlegte, eine kleinmütige, bescheidene Antwort zu geben. Es ergab sich aus dem Verhör, dass das Gespenst niemand anderes als der katholische Geistliche selbst war, vor dessen Wohnung die unerschrockene Schildwache stand. Sie war ihm durch ihr in jeder Viertelstunde gerufenes Wer da? lästig geworden. Er glaubte in seiner Dummheit, dass ein protestantischer Grenadier ebenso leicht ins Bockshorn zu jagen sei als mancher tief in den Aberglauben versunkener gemeine Katholik. Allein es war ihm durchaus nicht geglückt, sie durch die angenommene Teufelsmaske aus der Nähe seiner Wohnung zu entfernen.

Die übrigen geistlichen Herren des Städtchens sahen wohl ein, dass dieser unbesonnene Mensch durch seine Maskerade nicht nur gegen seinen Stand, sondern auch gegen die Garnison und Kriegsgesetze sich gröblich vergangen hatte, flehten daher demütig um seine Freilassung und erboten sich freiwillig zur Auferlegung einer beträchtlichen Geldstrafe.

Der Obrist Fouqué nahm hier Gelegenheit, für seine Grenadiere zu sorgen, die damals, wie alle preußischen Soldaten, noch weiße Gamaschen (Stiefeletten) trugen und nach den ausgestandenen Strapazen des beendeten Feldzuges einer neuen Fußkleidung bedurften. Er ließ die erforderlichen Kosten zur Anschaffung schwarzer Gamaschen für sein ganzes Bataillon berechnen. Sie beliefen sich ungefähr auf hundert Dukaten, welches Sümmchen die katholischen geistlichen Herren im Städtchen für den Unfug ihres Genossen auszahlten.

Der arme Repräsentant des Fürsten der Finsternis musste seine Unbesonnenheit in einem Kloster büßen. Die Grenadiere erhielten schwarze Gamaschen, die ihnen nachher auf ihren Märschen sehr gut zustattenkamen. Jedermann machte sich über diesen Vorgang lustig. Die Soldaten verdankten scherzweise die neue Bekleidung ihrer Füße der Sorgfalt des Teufels von Kremsier. Der König selbst fand den Einfall des Obristen Fouqué in Absicht der schwarzen Gamaschen so zweckmäßig, dass er beschloss, diese bei der ganzen Armee statt der bis dahin üblichen weißen Gamaschen einzuführen.