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Der Welt-Detektiv Band 6

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Atlantis Teil 42

Die Exekution an der Börse. Einen Augenblick nur, dass die hohe Gestalt schwankte, sich unter dem Schlag beugte. Rouse war durch die Tür des Börsensaales ins Freie geschritten. Das Treiben und Brausen der Weltstadt hatte ihn umfangen. Eine Baustelle zu seiner Seite, ein hoher Wolkenkratzer wurde abgerissen, Platz zu machen einem neuen, größeren, schöneren.

Er stand in der Vollkraft seiner Jahre. Warum verzweifeln? Seine Arbeitskraft, seine Energie schien ungebrochen durch den Schlag, den menschliche Erkenntnis nicht voraussehen konnte. Schon fing sein Geist von frischem zu arbeiten an, neue Pläne, neue Ideen zu schmieden zum Wiederaufbau des neuen Hauses an Stelle des gestürzten.

Er war in sein Haus gekommen. Der Weg in der frischen Luft hatte ihm die volle Spannkraft wiedergegeben. Neue Pläne, eben aufgetaucht, sah er schon in Entwicklung. Guy Rouse, der Name sollte nicht verschwinden mit dem Kanal, den der Teufel geholt hatte!

Die beiden Sekretäre konnten kaum dem folgen, was sein Geist, übersprudelnd von neuen Plänen, neuen Ideen, ihnen sagte. Mit jedem Wort wuchs seine Zuversicht. Die sollten sich irren, die da glaubten, ihn begraben zu wissen.

Ein kleines rotes Lämpchen an seinem Schreibtisch war aufgeglüht. Er ging darauf zu. Der Fernschreiber arbeitete. Es war die Chiffre, die nur er allein kannte. Er hob den schmalen Papierstreifen zum Gesicht, las. Als ob seine Hände eine Stromleitung erfasst hätten, klebten sie an dem Streifen.

Christie Harlessen durch U-Boot unbekannter Herkunft befreit, Besatzung des Atolls gefangen weggeführt.

Seine geballten Hände hoben sich über seinen Kopf, als wollten sie den zerschmettern, der das getan hatte; fielen dann in furchtbarem Schlag auf den kleinen Fernschreibapparat, der klirrend in Trümmer ging.

»Christie Harlessen!« Er schrie es wie zu Tode verwundet. Und dann war ihm gewesen wie dem Riesen, dem das Schwert eines Schwachen die Sehnen durchschlagen hatte. Er war zusammengebrochen. Vergessen die Pläne zur Rettung, zum neuen Aufstieg. Er übergab alles einem Sachwalter, hinterließ Vollmacht für alles. Aus den USA flog er mit einer Düsenmaschine nach Europa, zur Riviera, wo der letzte Anker lag, der ihn noch an die Erde band … Juanita.

 

*

 

Der Wipfel der Pinie, an deren Stamm Johannes Harte hingesunken war, bog sich unter den wütenden Stößen des Sturmes, der vom Isthmus her über die See brauste. Grelle Blitze, die aus der dunklen Wolkenwand im Westen aufzuckten, kündeten den nahen Orkan an. Schwere Regentropfen fielen, trafen auch den, der dort unter dem Baum lag.

Er rührte sich nicht. Wie ein Toter lag er da.

Da war es wie schwerer Flügelschlag durch den brausenden Sturm.

Ein Schwingenflieger? Ein großer Vogel? Kein lebendiges Wesen, das sich in diesem Sturm in der Luft halten, ihm entgegen den Weg finden könnte.

Über die Hütte hinweg glitt es zu Boden neben den, der da am Boden lag. Sekundenlang traf das Mondlicht durch die jagenden Wolken hindurch die Erde.

Ein riesiger Vogel? Ein Adler? Die Schwingen weit ausgereckt. Ein gewaltiger Geier, der auf den letzten Atemzug seiner Beute wartete?

Der Liegende schien von Minute zu Minute schwächer zu atmen. Kaum noch hob sich die Brust. Das Dunkle, Graue war an seiner Seite, wie wartend auf den letzten Atemzug.

Das durchbrechende Mondlicht traf sekundenlang das bleiche Gesicht eines Toten … Kein Atemzug. Die Lippen weit geöffnet, der letzte Hauch ihnen entströmt.

Das Dunkle, Graue senkte sich tiefer über den Liegenden hinab, schien ihn ganz zu umgeben.

Ein schwerer Blitz, ein Flammenmeer schien die ganze Atmosphäre. Ein rasender Donner, rollend zu den Kontinenten … über die Erde. Dann plötzlich Ruhe, als hätte eine übermächtige Gewalt in das Rasen der Elemente eingegriffen. Die jagenden Wolken, fast still standen sie am Firmament. Der Sturm war wie durch Zaubermacht gebändigt … ein leises Wehen.

Ein heller Schimmer am Osthimmel kündigte den Anbruch des neuen Tages an. Der Kampf der Gestirne, die der Nacht wichen. In grauem Zwielicht Luft, Meer und Erde. Der Schatten am Boden war klein, wie in sich zusammengebrochen … kleiner werdend … ein Schimmer nur noch und verschwindend in Morgendämmerung.

Wende! Neugeburt!

Ein Zittern ging durch die Gestalt des am Boden Liegenden. Die Lippen bebten, sogen die Morgenluft ein. Wie aus Todesschlaf erwachend, hob sich seine Brust. Die Hände griffen nach hinten, streckten sich zu Boden, der Körper, dem Druck folgend, hob sich. Er stand auf, schaute sich um.

Da brach über die Kimme der See der rote Feuerball der Sonne, die finsteren Gewalten der dunklen Nacht vor sich hin in die Flucht treibend.

Der Mann stand, die Arme weit ausgebreitet, als wolle er die Siegerin empfangen. Er stand, harrte, bis sie leuchtete in strahlender Größe, die Sonne, Licht des Tages, das Licht der Tat. Und sich beugend vor der Majestät, schlug er die Hände vor die Augen, neigte sich vor ihr.

Die Tat! Vom Schicksal geboten. Er, der Diener. Die neue, noch größere Tat.

Seine Schultern, wie hatten sie gebebt unter der Bürde der letzten … kleineren.

Jetzt! Die Gestalt stand hoch aufgerichtet, wie gewachsen im Sonnenlicht. Das große, das ganz große Werk lag noch vor ihm, dem Vollbringer des Größten. Seine Arme strafften sich. Er blickte auf seine rechte Hand.

Drei Ringe … wo gestern zwei waren!

Sein Auge starrte nach allen Seiten, als könnte er es nicht fassen …

Wo kam der dritte Ring her, aus dem die neue Kraft zu dem neuen, größeren Werk erwuchs?

Atlantis! Da war es. Das Wort, das der Alte in Pankong zu ihm gesprochen hatte. Das letzte große Ziel seines Lebens, bevor er einging ins letzte Paradies.

Atlantis! Einst die Königin, die Herrscherin der Welt. Untergegangen durch Schicksalsspruch. Neu erstanden, erweckt zu neuem Leben für die Menschheit … durch dich!

»Atlantis!« Seine Lippen murmelten die Worte vor sich hin. »Schlafend im Dunkel des Meeresgrundes, gehoben durch dich zum Licht des Tages, neue Stätten der Menschheit bereitend!«

Er schritt zur Hütte. War er es, der gestern noch schwächetaumelnd aus der Hütte wankte? Ein anderer! Ein Größerer, ein Stärkerer … ein neuer Mensch! Die Inkarnation eines Starken!

Werkzeug des Schicksals? Fast Meister des Schicksals jetzt.

Das Flugzeug aus der Halle! Die Apparate hinein. Die starken Schultern spürten kaum die Last der Instrumente.

Von Norden her eilte in schneller Fahrt ein U-Boot. Die Freunde!

Das Flugzeug sprang an, gehoben von der energetischen Gewalt des Strahlers. In sausendem Flug stieg es auf, die Bahn der Sonne überholend, verschwand in Mittagshöhe.

 

*

 

Kurs Nordost steuerte das U-Boot durch den Atlantik der Heimat, Europa, Hamburg zu. Seit dem Tag ihrer Abfahrt von Saltadera hatten sie kaum Schlaf gefunden. Was die Wellen des Äthers ihnen aus der Welt, aus Europa zutrugen, war zu viel des Guten, Schönen für ihr Ohr.

Sie kamen nicht los von den Bildern, die der Fernseher zeigte. Wie durch Zauber war das Los der Millionen von Nordeuropa geändert. Schiffe auf der See, beladen mit Flüchtlingen, auf das große Geschehnis hatten sie gewendet, Kurs zur Heimat genommen. In den Hafenstädten in den südlichen Teilen Europas! Die Geflohenen drängten zu jeder Fahrgelegenheit, zurückzukommen zur verlassenen Heimat. In den Hafenstädten der Nordküste herrschte ein einziger Freudentaumel.

Menschen, weinend, lachend, umarmten sich. Der Golfstrom im alten Bett bewegt sich nach Norden … Wärmespender … Lebensspender!

Die Riesenorganisation, mit einem Ruck zum Stocken gebracht, versagte dem plötzlichen Ereignis gegenüber. Jetzt! Keiner der Flüchtlinge schien es erwarten zu können, dass er wieder dorthin zurückkehrte, wo das leere Haus, die verlassene Arbeitsstätte war. Mit Gewalt suchte man sich jeder Fahrgelegenheit zu bemächtigen. Mit Gewalt musste wieder eingeschritten werden, um ein Chaos zu verhindern.

Die großen Tageszeitungen der Welt hatten Reporterflugzeuge entsandt, die dem Golfstrom zur Seite folgten. Die blaue Wellenwand, wie sie sich langsam nach Norden zu bewegte, zeigten die Funkbilder der Fernsehgeräte. Andere Zeitungen hatten ihre Agenten in schnellen Flugzeugen nach Norden gesandt. Die zeigten im Funkbild, wie die Bewohner eines Dorfes zurückkehrten, sich freudig in das alte Nest drängten, zeigten, wie neues Leben sich überall zu regen begann, wie auch in den Landschaften, die noch nicht geräumt, aber zur Räumung verurteilt waren, wie mit Zauberschlag Jammer, Trauer gewichen, wie Aufatmen durch alles ging, die Hände sich mit doppeltem Fleiß zu rühren begannen in gewohnter Arbeit an alter Stätte.

Freude und Jubel überall! Das sterbende Europa war zu neuem Leben aufgewacht, erweckt durch die große Tat …

Wer wusste von der Tat? Wer kümmerte sich um den, der das Werk getan hatte? Die Natur hatte sich selbst für das gerächt, was frevle Hand ihr angetan. Keine andere Meinung herrschte in Europa, in der Welt. Dann wurden langsam andere Stimmen laut. Man achtete ihrer kaum. Sie sagten: Unmöglich, dass die Natur aus sich selbst heraus das gestörte Gleichgewicht der Kräfte hergestellt hatte. Die Sialscholle, einmal zerrissen, abgedrängt von den aufstrebenden Simamassen, konnte niemals wieder dahin zurückkehren, wo sie gelagert hatte. Gewiss, dass ihre Masse, wuchtend auf den im Erdboden begrabenen Sedimentärschichten und anderen Sialmassen, diese nach unten drückte, bis sie, unter die benachbarten Massen gedrängt, Ausgleich suchend, sich hoben.

Nicht die Natur selbst, eine andere Macht musste hier am Werk gewesen sein. Die gleiche Macht, die auch die anderen Wunder vollbracht: Vineta, Black Island gehoben. Menschenmacht? An der Frage scheiterte jeder.

Telenergetische Konzentration? Das Wort, schon vor längerer Zeit aufgetaucht, beschäftigte unablässig alle führenden Geister der physikalischen Wissenschaft, theoretisch längst erkannt! Doch nie war es gelungen, die Nullpunktenergie auszulösen. Die Wissenschaft, so weit vorgeschritten, stand doch erfolglos vor diesem letzten Hindernis. Schon war die Mehrzahl der Gelehrten der Meinung, dass dieses Welträtsel dem menschlichen Geist ewig verschlossen bliebe. Denn diese Erkenntnis, weitergeführt bis zur Konstruktion des technischen Mittels, des wirkenden Instruments, müsste, der Allgemeinheit in die Hände gegeben, zur Katastrophe, zum Chaos führen.

Jeder Einzelne der Beherrscher der Übrigen. Kein Diener mehr, nur Herren im Kampf um die alleinige Macht. Tod, Vernichtung für alles Lebende, Umwälzung der Natur. Keine Grenzen mehr für menschlichen Geist, für menschliche Kraft … für menschliche Schwäche.

Das Ende der Menschheit.

Nie konnte Schicksalsmacht solche Waffen in schwache Menschenhand legen. Das Schicksal … Gott, der Lenker aller Dinge? Sein Werk? Die einzige Erklärung.

Da brachten Zeitungen vom Osten eine neue Wendung. Reisende, die durch Gebiete gekommen waren, wo einst die Wiege der Menschheit gestanden, hatten dort mit den Weisen, Alten, den Bewahrern jahrtausendealter Kultur und Wissenschaft gesprochen, bei ihnen Erkenntnis, Lösung des Rätsels gesucht.

Da war die Antwort gekommen.

»Warum sucht ihr nicht bei dem, das euch am nächsten liegen müsste?«

Und wieder ging es durch die Welt wie damals, als die Prophezeiung des Unglücks bekannt wurde, anknüpfte an die mysteriösen Buchstaben J. H. Sein Werk, Menschenwerk? Gab es noch Wesen, die zwischen Gott und den Menschen standen, er müsste es sein.

Wo war er? Wer kannte ihn?

Auf ihrer Fahrt durch den Atlantik vernahm Uhlenkort alles, hörte alles.

Wo war der Freund jetzt? Seine Gedanken wanderten zurück bis zu dem Tag, an dem sie sich als Jünglinge zum ersten Mal sahen. Eine Fahrt auf dem Rhein. Hilferufe vom Ufer. Ein Ertrinkender. Er war in den reißenden Strom gesprungen, hatte den Ertrinkenden unter Aufbietung aller Kräfte gerettet. Das Band zwischen ihnen, durch die Tat geknüpft, war fester geworden von Jahr zu Jahr. J. H. war sein Freund seit diesem Tag.

Schicksal, rätselhaftes! Ließ den, der zum Höchsten bestimmt war, in Todesnot geraten, damit er ihn rettete, sein Freund würde. Dieser hatte ihm das, was er getan, tausendfach wiedervergolten. Christie! Dessen Hand hatte sie ihm wiedergegeben.

Er war in Saltadera auf den Strand gesprungen, um ihn zu umarmen, ihm zu danken. Der Freund war fort. Wie ein Schlag hatte ihn die Erkenntnis getroffen. Der Freund war fort. Mit dem Flugzeug entwichen.

Wohin? Zu neuer Tat, zu der das Schicksal ihn rief? Nicht anders konnte es sein!

In der gestrigen Nacht hatte Uhlenkort auf Deck gestanden, das Nachtglas vor den Augen. Hatte nach Westen hinübergeschaut, wo die blaue Welle des Golfstroms sich den Weg nach Norden bahnte. War dann in leichten Schlaf versunken. Die Geschehnisse der letzten Tage und Wochen – zu stark hatte alles an seinen Nerven gezerrt. Der Schlaf, der ihn so lange mied, kam wieder. Leichte, wohlige Träume hatten ihn umfangen. Hamburg … Christie.

Da plötzlich war er aufgewacht. Ein sausender kühler Luftstrom war über seinen Kopf hinweggestrichen. Er war aufgesprungen, hatte um sich geschaut. Die See war ruhig. Nur leise kräuselten sich die Wellen des Ozeans vor dem Rumpf des Schiffes.

Da, im Süden hinter ihnen … ein Dunkles … ein Vogel … ein Flieger. Der Freund, der ihn begrüßte? Jetzt? Schon längst hatte die Sonne den höchsten Stand überschritten. Sein Glas war zum Himmel gerichtet. Er konnte sein Auge nicht losmachen. Ein kleiner dunkler Punkt kreiste in unendlicher Höhe dort oben.

Ein Flieger? Der Freund? Was tat er da? War es neue Tat? Was konnte das sein?

Das Heck des Bootes hob sich plötzlich stark in die Höhe. Das Schiff geriet in wildes Schwanken.

»Hallo!« Tredrups Stimme traf sein Ohr. »Hallo! Sie wollen mit, die warmen Wasser der Drift, Diener des Stromes, des Lebensspenders für die Alte Welt. Du, Uhlenkort, suchst wohl noch immer den Freund da oben?« Er lachte. »Sinnestäuschung, Uhlenkort! Meine Augen, schärfer als deine, sehen den dunklen Punkt nicht, der da oben kreist, wie du meinst.«

Uhlenkort schaute ihn an. Was war mit ihm geschehen? Das Geheimnis des Freundes! Kein Sterblicher außer ihm, der J. H. nähergekommen als Tredrup seit jenen Tagen, wo sie in Saltadera gelandet waren. Wie weggewischt alles, was dessen scharfer, kluger Geist gedacht, geahnt …

Verstellung? Uhlenkort hatte zuerst gedacht, hatte dann die Meinung geändert. Tredrup verstellte sich nicht. Harmlos, wie ohne Ahnung von alledem, was vorher geschah. Ein Teil seines Gedächtnisses schien ausgelöscht von Schicksals Hand. Nicht anderes konnte er sich’s erklären … Keinen Wissenden außer ihm selbst gab es.

Tredrup setzte sich zu ihm. Sein Auge, schärfer als das des Liebenden, hatte den Zustand Christies tiefer durchschaut.

»Zuviel, Uhlenkort, für ein junges Mädchen! Hamburg, die Verwandten, das Wiedersehen in der Heimat. Zuviel Freude auf einmal! Sie muss das Überstandene langsam überwinden. Auch zu große Freude kann schaden. Wir fahren an den Säulen des Herkules vorbei zur Riveria, lassen sie dort oder bleiben bei ihr und kehren dann erst nach Hamburg in die Heimat zurück, wenn sie wieder ist, wie sie war!«