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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 33. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel arbeitet in Berlin als Schneidergeselle, näht im Verborgenen und wirft Ärmel ein.

u einer anderen Zeit kam Eulenspiegel nach Berlin, und da er nicht wusste, auf welche Art er sich hier am besten ernähren könnte, so gab er sich für einen Schneidergesellen aus und nahm bei einem Meister Arbeit.

Als er nun auf der Werkstätte saß und nähte, sprach der Meister zu ihm: »Wenn du nähst, so nähe eng und gut, dass man es nicht sieht; denn lange Stiche können nicht helfen.«

Eulenspiegel antwortete: Lange Stiche geben Verdienst und Brot ins Haus; doch ich will auch nähen, dass man es nicht sieht.« Er nahm Nadel, Zwirn und ein Stück Tuch, kroch unter den großen Werktisch und fing zu nähen an.

Der Meister sah das Spielwerk mit an und sprach: »Was soll das für Näherei werden?«

Eulenspiegel antwortete: »Ihr sagtet ja, ich sollte nähen, dass man es nicht sähe. Hier sieht man mich ja nicht.«

Der Meister lachte über das närrische Zeug und sagte: »Kriech nur wieder hervor und nähe, dass es jedermann sieht, aber mache deine Arbeit gut.«

Einige Tage später begab es sich, dass der Meister des Abends müde war und frühzeitig schlafen gehen wollte, hatte aber noch einen groben Rock fertigzumachen. Diesen warf er Eulenspiegel zu und sagte: »Hier, staffiere den Wolf gut aus, und wenn du damit fertig bist, dann kannst du auch zu Bett gehen.« Und ging darauf gleich zu Bett.

Eulenspiegel nahm den Rock, schnitt ihn auf und machte eine ausgestopfte Figur daraus, die einem Wolf ähn­lich sah. Als er sein Kunststück fertig hatte, ging er zu Bett.

Des Morgens, als der Meister in die Werkstätte kam, sah er die Wolfsfigur da stehen und erschrak, denn er glaubte einen lebendigen Wolf zu sehen. Doch er fasste ein Herz, ging näher und besah die Figur, rief Eulenspiegel herbei und sagte zu ihm: »Was hast du toller Kerl wieder gemacht?«

Er antwortete: »Was ihr mir geheißen habt.«

Der Meister sagte: »Du Narr, ich meinte den groben Rock damit und nicht eine Wolfsfigur.«

Eulenspiegel antwortete: »Lieber Meister, hätte ich Eure Gedanken erraten können, so machte ich viel lieber einen Rock als einen Wolf, denn diese Figur hat mich viel Mühe gekostet.«

Der Meister lachte und sagte: »Du bist ein närrischer Kerl, ich will es dir dieses Mal vergeben, aber verursache mir keinen solchen Schreck wieder.«

Ein anderes Mal, als der Meister wieder etwas früher zu Bett gehen wollte, wie sonst der Gebrauch war, und doch noch gern einen Rock fertig haben wollte, worin nur noch die Ärmel fehlten, sprach er zu Eulenspiegel: »Hier, wirf die Ärmel noch in den Rock und dann gehe auch zu Bett.«

Als der Meister fort war, nahm Eulenspiegel den Rock, hing ihn an einen Haken, zündete zwei Talglichte an, stellte auf jede Seite eins, nahm die Ärmel und warf sie immer an den Rock, aber es wollte kein Ärmel hängen bleiben, und die beiden ersten Lichte waren schon abgebrannt. Jetzt trat eine Ruhezeit ein, weil er andere Lichte suchen und diese anzünden musste. Wie er aber jedes an den vorigen Ort gesetzt hatte, fing er aufs Neue an zu werfen, bis es Tag war.

Als der Meister am Morgen in die Werkstube kam und sah Eulenspiegels Possen, sprach er im Zorn: »Was, Schelm, was machst du wieder für Narrenspiel?« Eulenspiegel antwortete schalkhaft: »Das ist fürwahr kein Narrenspiel, die ganze Nacht dazustehen und zu werfen, und doch nichts auszurichten. Sie wollen gar nicht hängen bleiben. Es wäre weit besser gewesen, Ihr hättet mich die Nacht schlafen lassen und gesagt, wie ich die Arbeit bei Tage machen sollte. So hätte ich die Nacht nicht vergeblich gearbeitet.«

Der Meister sprach: »Ist denn das meine Schuld, du Schlingel, dass du alles verkehrt verstehst? Jetzt bezahle mir die unnötig verbrannten Lichte!«

Eulenspiegel antwortete: »Erst will ich auch schlafen, und hernach will ich weiter mit Euch reden.«

Der Meister sagte: »Nun sollst du nicht schlafen, warum hast du solche dumme Streiche gemacht. Bezahle mir sogleich die Lichte, sonst will ich dich Bösewicht schon kriegen!

Eulen­spiegel lief schnell hinaus, nahm seine und seines Meisters Sachen, was er in der Eile von diesen erhaschen konnte, packte sie zusammen und floh, während sein Meister zur Polizei gegangen war, zum Tor hinaus.