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Die drei Musketiere 06

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
1. bis 3. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

VI.

Seine Majestät König Ludwig XIII.

Diese Begebenheit machte großes Aufsehen. Monsieur de Tréville äußerte sich laut sehr ungehalten über seine Musketiere und wünschte ihnen in der Stille Glück. Da aber keine Zeit zu verlieren war, um den König zu benachrichtigen, so begab er sich eiligst in den Louvre. Es war schon zu spät. Der König war mit dem Kardinal eingeschlossen. Man sagte, er arbeite und könne in diesem Augenblick niemand empfangen. Abends kam Monsieur de Tréville zum Spiel des Königs. Der König gewann, und da Se. Majestät sehr geizig war, so war sie auch vortrefflicher Laune. Sobald der König Tréville von fern erblickte, rief er ihm zu: »Kommt her, Monsieur Capitaine, dass ich Euch ausschelte. Wisst Ihr, dass Se. Eminenz Eure Musketiere bei mir verklagt hat, und vor lauter Ärger krank geworden ist? Ei, ei, es sind doch leibhaftige Teufel, wahre Galgenstricke, Eure Musketiere!«

»Nein, Sire«, erwiderte Tréville, der mit dem ersten Blick bemerkte, welche Wendung die Sache nahm, »nein, sie sind im Gegenteil ganz gute, lammfromme Jungen, und ich hafte dafür, dass sie keinen anderen Wunsch hegen, als dass ihr Degen nur im Dienste Eurer Majestät aus der Scheide komme. Aber was wollt Ihr? Die Leibwachen des Monsieur Kardinals suchen unablässig Streit mit ihnen, und für die Ehre des Korps sehen sich die armen jungen Leute zur Verteidigung genötigt.«

»Hört Monsieur de Tréville!«, sagte der König, »hört ihn! Sollte man nicht glauben, er spreche von einer religiösen Gemeinschaft? In der Tat, mein lieber Capitaine, ich habe Lust, Euch Euer Patent abzunehmen und es Fräulein von Chemerault zu geben, der ich eine Abtei zugesagt habe. Hofft aber nicht, dass ich Euch aufs Wort glauben werde. Man nennt mich Ludwig den Gerechten, und wir werden sogleich sehen!«

»Gerade, weil ich auf diese Gerechtigkeit baue, Sire, erwarte ich ruhig und geduldig, was Ew. Majestät beliebt.«

»Wartet immerhin, wartet immerhin, ich werde Euch nicht lange warten lassen«, sprach der König.

Das Glück nahm wirklich eine Wendung, und da der König seinen Gewinn zu verlieren anfing, so war es ihm nicht unangenehm, dass er einen Vorwand erhielt, um – man entschuldige den Spielerausdruck, dessen Ursprung wir nicht kennen – um Karl den Großen zu machen. Der König stand bald auf, steckte das Gold, das vor ihm lag und zum größeren Teil von seinem Gewinn herrührte, in die Tasche und sagte: »Vieuville, nehmt meinen Platz ein. Ich habe in wichtigen Angelegenheiten mit Monsieur de Tréville zu verhandeln. Ah … ich hatte achtzig Louis d’or vor mir. Legt dieselbe Summe auf, damit diejenigen, welche verloren haben, sich nicht beklagen können. Vor allem Gerechtigkeit.« Dann wandte er sich gegen Monsieur de Tréville, ging mit ihm zu einer Fenstervertiefung und fuhr fort: »Nun, Monsieur, Ihr sagt, die Leibwachen Sr. Eminenz haben Streit mit Euren Musketieren angefangen?«

»Ja, Sire, wie immer.«

»Und wie kam das? Sprecht, denn Ihr wisst, mein lieber Capitaine, ein Richter muss alle Parteien hören.«

»Ach! mein Gott! Auf die einfachste und natürlichste Weise. Drei meiner besten Soldaten, welche Ew. Majestät dem Namen nach kennt, und deren Ergebenheit Ihr mehr als einmal gewürdigt habt, denn ich kann den König versichern, dass ihnen ihr Dienst sehr am Herzen liegt. Drei von meinen besten Soldaten, sage ich, die Messieurs Athos, Porthos und Aramis, machten eine Lustpartie mit einem Junker aus der Gascogne, den ich ihnen an demselben Morgen empfohlen hatte. Die Partie sollte, wie ich glaube, in Saint-Germain stattfinden, und sie hatten sich bei den Karmeliter-Barfüßern zusammenbestellt, als sie von Monsieur von Jussac, den Messieurs Cahusac und Biscarat und zwei anderen Leibwachen gestört wurden, welche gewiss nicht ohne eine schlimme Absicht gegen die Edikte in so zahlreicher Gesellschaft dahin kamen.«

»Ah! ah! Ihr bringt mich auf den Gedanken, sie haben die Absicht gehabt, sich selbst zu schlagen.«

»Ich klage sie nicht an, Sire, aber ich überlasse es Ew. Majestät zu bedenken, was fünf bewaffnete Männer an einem so öden, verlassenen Ort, wie die Umgegend des Barfüßerklosters ist, tun können.«

»Ja, Ihr habt recht, Tréville, Ihr habt recht.«

»Als sie meine Musketiere erblickten, gaben sie sodann ihren Plan auf und vergaßen ihren Privathass über dem Korpshass; denn es ist Ew. Majestät nicht unbekannt, dass die Musketiere, die ganz und gar nur dem König angehören, die natürlichen Feinde der Leibwachen sind, welche dem Monsieur Kardinal angehören.«

»Ja, Tréville, ja«, sagte der König schwermütig, es ist sehr traurig, glaubt mir, in Frankreich zwei Parteien, zwei Köpfe des Königtums zu sehen, aber dies alles soll ein Ende nehmen. Ihr sagt also, die Leibwachen haben Streit mit den Musketieren gesucht?«

»Ich sage, dass die Sache wahrscheinlich so gegangen ist, aber ich schwöre nicht, Sire. Ihr wisst, wie schwer es ist, die Wahrheit zu erkennen, und wenn man nicht mit dem bewunderungswürdigen Instinkt begabt ist, der Ludwig XIII. den Beinamen »der Gerechte« erworben hat …«

»Und Ihr habt recht, Tréville; aber Eure Musketiere waren nicht allein, es befand sich noch ein Junge bei ihnen.«

»Ja, Sire, und ein verwundeter Mann, sodass drei Musketiere des Königs, worunter ein Verwundeter, und ein Junge nicht allein gegen fünf der furchtbarsten Leibwachen des Monsieur Kardinals standgehalten, sondern auch vier von ihnen zur Erde niedergestreckt haben.«

»Aber das ist ja ein wahrer Sieg!«, rief der König ganz strahlend, »ein vollständiger Sieg!«

»Ja, Sire, ebenso vollständig als der vom Pont de Ce!«

»Vier Mann, worunter ein Verwundeter und ein Junge, sagt Ihr?«

»Kaum ein Jüngling, der sich bei dieser Gelegenheit so vortrefflich benommen hat, dass ich mir die Freiheit nehme, denselben Ew. Majestät zu empfehlen.«

»Wie heißt er?«

»D’Artagnan, Sire. Er ist der Sohn eines meiner ältesten Freunde; der Sohn eines Mannes, der mit Eurem königlichen Vater glorreichen Andenkens manchen Krieg mitgemacht hat.«

»Und Ihr sagt, dieser junge Mensch habe sich gut benommen? Erzählt mir das, Tréville, Ihr wisst, ich liebe Erzählungen von Krieg und Kämpfen.«

Und der König richtete sich auf und strich sich stolz den Schnurrbart in die Höhe.

»Sire«, erwiderte Tréville, »Monsieur d’Artagnan ist, wie ich Euch gesagt habe, beinahe noch ein Kind, und da er nicht die Ehre hat, Musketier zu sein, so trug er bürgerliche Kleidung. Als die Leibwachen des Monsieur Kardinals erkannten, wie jung er war und dass er nicht zu dem Korps gehörte, so forderten sie ihn auf, sich zurückzuziehen, ehe sie angreifen würden.«

»Ihr seht also, Tréville«, unterbrach ihn der König, »dass sie der angreifende Teil gewesen sind.«

»Allerdings, Sire, es unterliegt keinem Zweifel mehr. Sie forderten ihn also auf, sich zu entfernen, er aber antwortete, er sei seinem Herzen nach Musketier und gehöre ganz und gar Seiner Majestät, werde also bei den Messieurs Musketieren bleiben.«

»Wackerer Jüngling!«, murmelte der König.

»Er blieb in der Tat bei ihnen, und Ew. Majestät hat einen so festen Kämpen an ihm, dass er es war, der Jussac den furchtbaren Degenstich beibrachte, worüber der Monsieur Kardinal so sehr erbost ist.«

»Er hat Jussac verwundet?«, rief der König. »Dieser Junge! Das ist unmöglich, Tréville.«

»Es ist, wie ich Ew. Majestät zu sagen die Ehre habe.«

»Jussac, einer der besten Degen des Königreichs!«

»Wohl, Sire, er hat seinen Meister gefunden.«

»Ich will diesen jungen Menschen sehen, Tréville, ich will ihn sehen, und wenn man etwas für ihn tun kann, nun, wir werden sorgen.«

»Wann wird Ew. Majestät denselben zu empfangen geruhen?«

»Morgen um die Mittagsstunde, Tréville.«

»Soll ich ihn allein bringen?«

»Nein, bringt mir alle vier miteinander. Ich will allen zugleich danken. Ergebene Männer sind selten, Tréville, und man muss die Ergebenheit belohnen.

»Um die Mittagsstunde werden wir im Louvre sein.«

»Ah! Über die kleine Treppe, Tréville, über die kleine Treppe, der Kardinal braucht es nicht zu erfahren …«

»Sehr wohl, Sire.«

»Ihr versteht, Tréville, ein Edikt bleibt immer ein Edikt, und es ist am Ende verboten, sich zu schlagen.«

»Aber dieses Zusammentreffen, Sire, liegt ganz außerhalb der gewöhnlichen Bedingungen des Duells. Es ist ein Streit, und es dient überdies zum Beweis, dass fünf Leibwachen des Kardinals gegen meine drei Musketiere und Monsieur d’Artagnan waren.«

»Das ist richtig«, sprach der König, »aber gleich viel, kommt immerhin über die kleine Treppe.«

Tréville lächelte. Da es aber schon viel war, dass er dieses Kind dazu gebracht hatte, sich gegen den Gebieter aufzulehnen, so verbeugte er sich ehrfurchtsvoll vor dem König und verabschiedete sich mit dessen Erlaubnis.

Schon an demselben Abend wurden die drei Musketiere von der ihnen vergönnten Ehre benachrichtigt. Da sie den König schon seit langer Zeit kannten, so gerieten sie dadurch nicht besonders ins Feuer, aber d’Artagnan mit seiner gascognischen Einbildungskraft erblickte darin sein zukünftiges Glück und brachte die Nacht in goldenen Träumen hin. Schon um acht Uhr morgens war er bei Athos.

D’Artagnan fand den Musketier ganz angezogen und zum Ausgehen bereit. Da man sich erst zur Mittagsstunde bei dem König einzufinden hatte, so beabsichtigte er mit Porthos und Athos eine Partie in einem, nahe bei den Ställen des Luxembourg liegenden Ballhaus zu machen. Athos lud d’Artagnan ein, ihn zu begleiten, und obwohl er dieses Spiel nicht kannte, an dem er nie teilgenommen hatte, willigte dieser doch in den Vorschlag ein, da er nicht wusste, was er von neun Uhr morgens bis Mittag mit seiner Zeit machen sollte.

Die zwei Musketiere waren schon eingetroffen und spielten miteinander zum Zeitvertreib, ohne die Regeln zu beobachten. Athos, der in allen körperlichen Hebungen sehr stark war, stellte sich ihnen mit d’Artagnan gegenüber und forderte sie heraus. Aber bei seiner ersten Bewegung bemerkte er, obwohl er mit der linken Hand spielte, dass seine Wunde noch zu neu war, um ihm eine solche Übung zu gestatten. D’Artagnan blieb also allein, und da er sich für zu ungeschickt erklärte, um eine regelmäßige Partie aufrechtzuerhalten, so fuhr man fort, sich Bälle zuzusenden, ohne das Spiel zu berechnen. Aber einer von den Bällen flog, von der herkulischen Faust von Porthos geschleudert, so nahe an d’Artagnans Gesicht vorüber, dass, wenn er ihn getroffen hätte, statt an ihm vorbei zu schießen, seine Audienz verloren gewesen wäre, weil ihn dieser ohne allen Zweifel in die Unmöglichkeit versetzt hätte, vor dem König zu erscheinen. Da nun seiner gascognischen Einbildungskraft zu Folge von dieser Audienz seine ganze Zukunft abhing, so verbeugte er sich höflich vor Porthos und Aramis und erklärte, er würde die Partie nicht eher aufnehmen, als bis er imstande wäre, ihnen Widerstand zu leisten, worauf er seinen Platz auf der Galerie einnahm.

Unglücklicherweise befand sich unter den Zuschauern ein Mann von der Leibwache Sr. Eminenz, der, noch ganz grimmig über die Niederlage, die seine Kameraden am Tag vorher erlitten hatten, fest entschlossen war, die erste Gelegenheit zu ergreifen, um Rache zu nehmen. Er meinte, diese Gelegenheit biete sich ihm, und sagte, sich an seinen Nachbar wendend: »Man darf sich nicht wundern, dass dieser junge Mensch vor einem Ball bange hat. Er ist ohne Zweifel ein Musketierneuling.«

D’Artagnan drehte sich um, als ob ihn eine Schlange gestochen hätte, und schaute den Mann, der das kecke Wort gesprochen hatte, fest an.

»In Gottes Namen!«, fuhr dieser, seinen Knebelbart auf eine freche Weise kräuselnd fort, »schaut mich an, so lange Ihr wollt, mein kleiner Monsieur. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt.«

»Und da das, was Ihr gesagt habt, zu klar ist, um einer Erläuterung zu bedürfen, so bitte ich Euch, mir zu folgen«, antwortete d’Artagnan mit dumpfer Stimme.

»Wann dies?«, fragte der Garde mit derselben spöttischen Miene.

»Sogleich, wenn es Euch gefällig ist.«

»Und Ihr wisst ohne Zweifel, wer ich bin?«

»Ich, ich weiß es nicht und kümmere mich auch nicht darum.«

»Ihr habt unrecht, denn wenn Ihr meinen Namen wüsstet, wäret Ihr vielleicht minder eilig.«

»Wie heißt Ihr?«

»Bernajoux, Euch zu dienen.«

»Wohl, Monsieur Bernajoux«, erwiderte d’Artagnan ruhig, »ich will Euch vor der Tür erwarten.«

»Geht, Monsieur, ich folge Euch.«

»Beeilt Euch nicht zu sehr, Monsieur, damit man nicht gewahr wird, dass wir miteinander gehen. Ihr begreift, dass bei unserem Geschäft zu viele Menschen lästig wären.«

»Ganz gut«, antwortete der Garde, erstaunt, dass sein Name keine größere Wirkung auf den jungen Menschen hervorgebracht hatte.

Der Name Bernajoux war in der Tat jedermann bekannt, d’Artagnan allein vielleicht ausgenommen; denn er war einer von denjenigen, die am häufigsten bei den täglichen Streitigkeiten vorkamen, welche alle Edikte des Königs und des Kardinals nicht zu unterdrücken imstande gewesen waren.

Porthos und Aramis waren so sehr mit ihrer Partie beschäftigt, und Athos schaute ihnen mit so viel Aufmerksamkeit zu, dass sie nicht einmal ihren jungen Gefährten hinausgehen sahen, der, wie er zu dem Gardisten Sr. Eminenz gesagt hatte, vor der Tür wartete. Nach einem Augenblick folgte ihm Bernajoux. Da d’Artagnan keine Zeit zu verlieren hatte, da die Audienz beim König auf die Mittagsstunde bestimmt war, so schaute er um sich und sagte zu seinem Gegner, als er keinen Menschen auf der Straße erblickte: »Meiner Treu, es ist ein Glück für Euch, obwohl Ihr Bernajoux heißt, dass Ihr es nur mit einem Musketierneuling zu tun habt. Seid indessen ruhig, ich werde mir alle Mühe geben. Legt Euch aus!«

»Ei«, erwiderte der Mann, den d’Artagnan auf diese Art herausforderte, »mir scheint dieser Platz sehr schlecht gewählt, wir wären viel besser hinter der Abtei Saint-Germain oder auf der Schreiberwiese.«

»Was Ihr da sagt, ist sehr verständig«, entgegnete d’Artagnan, »aber leider kann ich nur über wenig Zeit verfügen, da ich gerade um 12 Uhr ein Rendezvous habe. Ausgelegt also, Monsieur, ausgelegt!«

Bernajoux war nicht der Mann, der eine solche Aufforderung zweimal an sich ergehen ließ. Im selben Augenblick glänzte sein Degen in seiner Hand und er fiel gegen seinen Widersacher aus, den er bei seiner großen Jugend leicht einzuschüchtern hoffte.

Aber d’Artagnan hatte den Tag vorher seine Lehre gemacht, und ganz frisch geschliffen durch seinen Sieg, ganz aufgeblasen von seinem zukünftigen Glück, war er entschlossen, keine Handbreit zurückzuweichen. Die zwei Degen waren auch sogleich gebunden, und da d’Artagnan fest auf seiner Stelle blieb, so machte sein Gegner einen Schritt rückwärts. Aber d’Artagnan ergriff den Augenblick, wo bei dieser Bewegung die Klinge von Bernajoux von der Linie abwich, machte seine Klinge los, führte einen Hieb von oben herunter und traf seinen Gegner in die Schulter. Sogleich machte d’Artagnan seinerseits einen Schritt zurück und hob seinen Degen in die Höhe, aber Bernajoux rief ihm zu, es sei nichts, stürzte wie blind auf ihn los und rannte sich selbst in den Degen seines Feindes. Da er indessen nicht fiel, da er sich nicht für besiegt erklärte, sondern nur seine Stellung mehr zur Villa des Monsieur de la Tremouille nahm, in dessen Diensten er einen Verwandten hatte, so bedrängte ihn d’Artagnan, welcher nicht wusste, wie schwer sein Gegner verwundet war, auf das Lebhafteste und hätte ihm ohne Zweifel mit einem dritten Streich den Garaus gemacht, als auf das Geräusch, welches von der Straße bis zu dem Ballspiel hinausdrang, zwei von den Freunden des Gardisten, welche ihn einige Worte mit d’Artagnan wechseln und infolge dessen hinausgehen gesehen hatten, mit dem Degen in der Faust aus dem Ballhaus stürzten und über den Sieger herfielen. Aber sogleich erschienen Athos, Porthos und Aramis ebenfalls und nötigten die zwei Leibwachen in dem Augenblick, wo sie ihren jungen Kameraden angriffen, zum Rückzug. Jetzt fiel Bernajoux zu Boden, und da die Leibwachen nur zu zwei gegen vier waren, so schrien sie: »Zu Hilfe, Villa de la Tremouille!«

Auf dieses Geschrei lief alles, was sich in der Villa befand, heraus und fiel über die vier Kameraden her, welche ihrerseits »Uns zu Hilfe Musketiere!« zu schreien anfingen.

Dieser Ruf fand in der Regel Gehör, denn man kannte die Musketiere als Feinde Sr. Eminenz und liebte sie wegen ihres Hasses gegen den Kardinal. Auch ergriffen die Leibwachen der Kompanien, welche nicht dem Herzog Roth gehörten, wie ihn Aramis genannt hatte, in der Regel bei diesen Streitigkeiten Partei für die Musketiere des Königs. Von drei Gardisten von der Kompanie des Monsieur des Essarts, welche vorübergingen, kamen also zwei den vier Kameraden zu Hilfe, während der andere zur Villa des Monsieur de Tréville lief und daselbst »Zu Hilfe, Musketiere, uns zu Hilfe!« rief. Da gewöhnlich die Villa des Monsieur de Tréville voll von Soldaten dieser Waffe war, welche ihren Kameraden schnell zu Hilfe eilten, so wurde das Gefecht allgemein, aber die Oberhand blieb auf der Seite der Musketiere. Die Leibwachen des Kardinals und die Leute des Monsieur de la Tremouille zogen sich in die Villa zurück, dessen Tor sie noch zeitig genug schlossen, um ihre Feinde zu verhindern, dass sie mit ihnen einbrachen. Den Verwundeten hatte man gleich anfangs und zwar, wie gesagt, in sehr schlimmem Zustand weggebracht.

Die Aufregung hatte unter den Musketieren und ihren Verbündeten den höchsten Grad erreicht, und man beratschlagte bereits, ob man nicht, um die Unverschämtheit der Bedienten des Monsieur de la Tremouille zu bestrafen, welche einen Ausfall auf die Musketiere des Königs zu machen gewagt hatten, Feuer an die Villa legen sollte. Ein Vorschlag zu diesem Ende wurde gemacht und mit Begeisterung aufgenommen, als es zum Glück elf Uhr schlug. D’Artagnan und seine Gefährten erinnerten sich ihrer Audienz, und da sie es bedauert hätten, wenn ein so schöner Streich ohne sie ausgeführt worden wäre, so suchten sie die Köpfe zu beschwichtigen, was ihnen auch gelang. Man begnügte sich, einige Pflastersteine an die Tore zu werfen, aber diese widerstanden und man war der Sache müde. Überdies hatten diejenigen, welche man als Anführer des Unternehmens betrachten musste, seit einigen Augenblicken die Gruppe verlassen und gingen zur Villa des Monsieur de Tréville, der sie, bereits von diesem neuen Handgemenge unterrichtet, erwartete.

»Rasch in den Louvre«, sagte er, »in den Louvre, ohne einen Augenblick zu verlieren. Wir müssen den König zu sehen versuchen, ehe uns der Kardinal zuvorgekommen ist. Wir erzählen ihm die Sache als eine Folge der gestrigen Angelegenheit, und beides wird zugleich durchgehen.«

Monsieur de Tréville begab sich in Begleitung der vier jungen Leute zum Louvre, aber mit großem Erstaunen vernahm der Capitaine der Musketiere, der König sei zum Wald von Saint-Germain auf die Hirschjagd gezogen. Monsieur de Tréville ließ sich diese Nachricht zweimal wiederholen, und jedes Mal bemerkten seine Gefährten, wie sich sein Antlitz verdüsterte.

»Hatte Se. Majestät schon gestern die Absicht, diese Jagd zu machen?«, fragte er.

»Nein, Ew. Exzellenz«, antwortete der Kammerdiener, »der Oberjäger meldete diesen Morgen, man habe in vergangener Nacht einen Hirsch zu Sr. Majestät Vergnügen bestellt. Anfangs antwortete der König, er werde nicht gehen, aber er konnte der Lust nicht widerstehen, die ihm diese Jagd gewähren sollte, und er entfernte sich nach dem Frühstück!«

»Und hat der König den Kardinal gesehen?«, fragte Monsieur de Tréville.

»Aller Wahrscheinlichkeit nach«, antwortete der Kammerdiener, »denn ich habe heute früh den Wagen Sr. Eminenz angespannt gesehen. Ich fragte, wohin sie ginge, und man antwortete mir: nach Saint-Germain.«

»Man ist uns zuvorgekommen«, sagte Monsieur de Tréville. »Messieurs, ich werde den König diesen Abend sprechen. Euch aber rate ich nicht, Euch dahin zu wagen.«

Dieser Rat war zu vernünftig und kam überdies von einem Mann, der den König zu gut kannte, als dass die vier jungen Leute ihn zu bekämpfen gesucht hätten. Monsieur de Tréville forderte sie auf, nach Hause zu gehen und Nachricht von ihm zu erwarten.

In seine Villa zurückgekehrt, bedachte jedoch Monsieur de Tréville, dass es für ihn das Klügste wäre, zuerst Klage zu führen. Er schickte deshalb einen seiner Bedienten zu Monsieur de la Tremouille mit einem Brief, worin er ihn bat, die Leibwache des Monsieur Kardinals aus seinem Haus zu entfernen und seinen Leuten einen Verweis darüber zu geben, dass sie die Frechheit gehabt hätten, einen Ausfall gegen die Musketiere zu machen. Aber bereits durch seinen Stallmeister unterrichtet, mit dem Bernajoux, wie man weiß, verwandt war, ließ ihm Monsieur de la Tremouille antworten, es sei weder an Monsieur de Tréville noch an seinen Musketieren, sich zu beklagen, sondern im Gegenteil an ihm, dessen Leute von den Musketieren angegriffen und verwundet worden seien und dem sie seine Villa hätten in Brand stecken wollen. Da jedoch der Streit zwischen diesen beiden hohen Messieurs lange hätte dauern können, indem natürlich jeder auf seiner Meinung beharren musste, so ersann Monsieur de Tréville ein Auskunftsmittel, durch das er die ganze Sache zu beenden beabsichtige. Es bestand darin, Monsieur de la Tremouille selbst aufzusuchen.

Er begab sich also sogleich in seine Villa und ließ sich melden.

Die zwei Messieurs begrüßten sich sehr höflich, denn wenn auch keine Freundschaft unter ihnen bestand, so achteten sie sich doch gegenseitig. Beide waren Männer von Herz und Ehre, und da Monsieur de la Tremouille, ein Protestant, den König nur selten sah und keiner Partei angehörte, so erfasste er seine gesellschaftlichen Verhältnisse gewöhnlich ohne Vorurteil. Dieses Mal war jedoch sein Empfang, obwohl höflich, kälter als in Regel.

»Monsieur«, sagte Monsieur de Tréville, »jeder von uns glaubt, er habe sich über den anderen zu beklagen, und ich bin gekommen, damit wir diese Angelegenheit gemeinschaftlich ins Reine bringen.«

»Gerne«, erwiderte Monsieur de la Tremouille, »aber ich habe Euch zu bemerken, dass ich gut unterrichtet bin, und dass alles Unrecht aufseiten Eurer Musketiere zu suchen ist.«

»Ihr seid ein zu vernünftiger und gerechter Mann, Monsieur«, sagte Monsieur de Tréville, »um den Vorschlag nicht anzunehmen, den ich Euch machen will.«

»Macht ihn, ich höre.«

»Wie geht es Monsieur Bernajoux, dem Vetter Eures Stallmeisters?«

»Sehr schlecht. Außer dem nicht besonders gefährlichen Degenstich, den er in den Arm bekommen hat, ist ihm noch ein anderer durch die Lunge beigebracht worden, und der Arzt prophezeit das Schlimmste.«

»Hat der Verwundete sein Bewusstsein behalten?«

»Vollkommen.«

»Spricht er?«

»Mit einer Schwierigkeit, aber er spricht.«

»Nun gut, Monsieur, gehen wir zu ihm. Beschwören wir ihn im Namen Gottes, vor den er vielleicht bald gerufen wird, die Wahrheit zu sagen. Er soll Richter in seiner eigenen Sache sein, und was er sagt, werde ich glauben.«

Monsieur de la Tremouille überlegte einen Augenblick und willigte dann ein, da man nicht wohl einen billigeren Vorschlag machen konnte.

Beide gingen in das Zimmer hinab, wo der Verwundete lag. Als dieser die edlen Messieurs eintreten sah, versuchte er es, sich auf seinem Bett zu erheben, aber er war zu schwach. Erschöpft durch diese kurze Anstrengung fiel er beinahe bewusstlos zurück.

Monsieur de la Tremouille näherte sich ihm und ließ ihn an flüchtigen Salzen riechen, die ihn wieder ins Leben zurückriefen. Monsieur de Tréville forderte Monsieur de la Tremouille auf, den Kranken selbst zu fragen, damit man ihn nicht beschuldigen könne, er habe einen Einfluss auf denselben ausgeübt.

Es geschah, was Monsieur de Tréville vorhergesehen hatte. Zwischen das Leben und den Tod gestellt, dachte Bernajoux nicht einen Augenblick daran, die Wahrheit zu verschweigen, und erzählte den zwei Messieurs den Vorfall ganz genau, wie er sich ereignet hatte.

Das war alles, was Monsieur de Tréville haben wollte. Er wünschte Bernajoux eine baldige Wiedergenesung, nahm von Monsieur de la Tremouille Abschied, kehrte sogleich in seine Villa zurück und ließ die vier Freunde benachrichtigen, dass er sie zum Mittagessen erwarte.

Monsieur de Tréville empfing sehr gute, jedoch antikardinalistische Gesellschaft. Man begreift leicht, dass sich das Gespräch während des ganzen Mittagessens um die beiden Niederlagen drehte, welche die Leibwachen Sr. Eminenz erlitten hatten. Da nun d’Artagnan der Held dieser zwei Tage gewesen war, so fielen ihm alle Glückwünsche zu, die ihm Athos, Porthos und Aramis nicht nur als gute Kameraden, sondern auch als Männer überließen, an denen die Reihe in dieser Beziehung schon oft genug gewesen war.

Gegen sechs Uhr äußerte Monsieur de Tréville, er sei verpflichtet, sich zum Louvre zu begeben. Da jedoch die von Sr. Majestät bewilligte Audienzstunde vorüber war, stellte er sich, statt den Eingang bei der kleinen Treppe zu fordern, mit den vier jungen Leuten im Vorzimmer auf. Der König war noch nicht von der Jagd zurückgekommen. Unsere jungen Leute warteten, unter die Schar der Höflinge gemischt, kaum eine halbe Stunde, als sich alle Türen öffneten und man den König ankündigte.

Bei dieser Ankündigung bebte d’Artagnan bis in das Mark seiner Knochen. Der nächstfolgende Augenblick sollte aller Wahrscheinlichkeit nach über sein ganzes Leben entscheiden. Seine Augen waren voll Furcht auf die Tür geheftet, durch welche Se. Majestät eintreten musste.

Ludwig XIII. erschien zuerst in dem Vorzimmer. Er trug ein noch ganz bestaubtes Jagdgewand, hatte große Stiefel an und hielt eine Peitsche in der Hand. Auf den ersten Blick erkannte d’Artagnan, dass im Geist des Königs ein Sturm tobte.

So sichtbar auch diese Stimmung bei Sr. Majestät war, so hielt sie die Höflinge doch nicht ab, sich in den königlichen Vorgemächern an seinem Weg aufzustellen. Für sie ist es immer noch besser, mit einem zornigen Auge, als gar nicht gesehen zu werden. Die drei Musketiere zögerten also nicht und traten einen Schritt vor, während d’Artagnan im Gegenteil hinter ihnen verborgen blieb. Aber obwohl der König Athos, Porthos und Aramis persönlich kannte, ging er doch an ihnen vorüber, ohne sie anzuschauen, ohne mit ihnen zu sprechen, als ob er sie nie gesehen hätte. Als die Augen des Königs sich einen Moment auf Monsieur de Tréville hefteten, hielt dieser den Blick mit solcher Festigkeit aus, dass der König sein Gesicht abwandte, worauf Se. Majestät unter fortwährendem Gemurre sich in ein inneres Gemach zurückzog.

»Die Sache steht schlimm«, sagte Athos lächelnd, »und man wird uns dieses Mal noch nicht zu Ordensrittern machen.«

»Wartet hier zehn Minuten«, sprach Monsieur de Tréville, »und wenn Ihr mich nach Ablauf dieser Zeit nicht herauskommen seht, so kehrt in meine Villa zurück, denn es ist unnütz, dass Ihr dann länger hier verweilt.«

Die jungen Leute warteten zehn Minuten, eine Viertelstunde, zwanzig Minuten. Als sie sahen, dass Monsieur de Tréville nicht wieder erschien, entfernten sie sich, sehr unruhig über das, was geschehen würde.

Monsieur de Tréville war keck in das Kabinett des Königs getreten und hatte Se. Majestät, in einem Fauteuil sitzend und mit dem Griff seiner Peitsche auf seine Stiefel klopfend, in sehr übler Laune gefunden, was ihn nicht abhielt, den König mit dem größten Phlegma nach seinem Befinden zu fragen.

»Es steht schlecht, Monsieur, sehr schlecht«, erwiderte der König«, ich langweile mich.«

Dies war in der Tat die schlimmste Krankheit Ludwigs XIII., der häufig einen seiner Höflinge am Arm nahm, in ein Fenster zog und zu ihm sagte: Monsieur so und so, langweilen wir uns miteinander.«

»Wie! Ew. Majestät langweilt sich«, sprach Monsieur de Tréville, »habt Ihr heute nicht das Vergnügen der Jagd genossen?«

»Ein schönes Vergnügen! Auf meine Ehre, ganz entartet, und ich weiß nicht, ob das Wild keine Fährte mehr hat oder ob die Hunde keine Nase mehr haben. Wir treiben einen Zehnender auf, wir reiten ihm sechs Stunden nach, und als er eben im Begriff ist, haltzumachen, als Simon eben das Horn an den Mund setzen will, um Halali zu blasen, krack, verschlägt die ganze Meute die Spur und schießt einem Spießer nach. Ihr werdet sehen, dass ich genötigt bin, auf diese Jagd Verzicht zu leisten, wie ich auf die Beize verzichtet habe. Ach! Ich bin ein sehr unglücklicher König, Monsieur de Tréville, ich hatte nur noch einen Geierfalken, er ist vorgestern gestorben.«

»In der Tat, Sire, ich begreife Eure Verzweiflung, und das Unglück ist groß, aber ich denke, es bleibt Euch noch eine gute Anzahl von Falken und Sperbern übrig.«

»Und kein Mensch, um sie abzurichten. Die Falkner verschwinden und nur ich allein verstehe noch die Kunst der Jägerei. Nach mir wird alles aus sein, und man wird nur noch mit Fuchs- und Marderfallen jagen. Wenn ich noch Zeit hätte, Schüler zu bilden! Aber nein, da ist der Monsieur Kardinal, der mir nicht einen Augenblick Ruhe lässt, der mir von Spanien vorschwatzt, von Österreich, von England! Apropos Kardinal, Monsieur de Tréville, ich bin unzufrieden mit Euch.«

Monsieur de Tréville erwartete den König auf dieser Stelle. Er kannte ihn von lange her, er wusste, dass all diese Klagen nur eine Vorrede, nur eine Art von Aufregung waren, um sich selbst zu ermutigen, und dass er dahin kommen wollte, wohin er endlich gelangt war.

»Und wodurch habe ich das Unglück gehabt, Ew. Majestät zu missfallen?«, fragte Monsieur de Tréville, das tiefste Erstaunen heuchelnd.

»Erfüllt Ihr auf diese Weise Eure Aufgabe, Monsieur?«, fuhr der König fort, ohne unmittelbar auf die Frage des Monsieur de Tréville zu antworten. »Habe ich Euch dafür zum Capitaine meiner Musketiere ernannt, dass sie einen Menschen ermorden, ein ganzes Quartier in Aufruhr bringen und Paris niederbrennen wollen, ohne dass Ihr mir ein Wort davon sagt? Doch während ich mich ereifere, Euch anzuklagen«, fuhr der König fort, »sitzen die Ruhestörer ohne Zweifel bereits im Gefängnis, und Ihr kommt, um mir anzuzeigen, dass Gerechtigkeit gepflogen worden ist.«

»Sire«, antwortete Monsieur de Tréville ruhig, »ich komme im Gegenteil, um diese von Euch zu verlangen.«

»Und gegen wen?«, rief der König.

»Gegen die Verleumder«, sprach Monsieur de Tréville.

»Ah! Das ist doch ganz neu«, versetzte der König. »Werdet Ihr mir nicht zugestehen, dass sich Eure drei verdammten Musketiere, Athos, Porthos und Aramis und Euer Junker von Bearn wie Wütende auf den armen Bernajoux geworfen und denselben dergestalt misshandelt haben, dass er wahrscheinlich noch in dieser Stunde verscheiden wird? Werdet Ihr nicht zugeben, dass sie hierauf die Villa des Herzogs de la Tremouille belagert haben und dasselbe in Brand stecken wollten, was in Kriegszeiten vielleicht kein sehr großes Unglück gewesen wäre, insofern es ein Hugenottennest ist, jedoch in Friedenszeiten ein ärgerliches Beispiel geben würde? Sagt, wollt Ihr all dies ableugnen?«

»Und wer hat Euch dieses schöne Märchen geliefert, Sire?«, fragte Monsieur de Tréville ruhig.

»Wer mir dieses schöne Märchen geliefert hat, Monsieur? Wer anders als derjenige, welcher wacht, wenn ich schlafe, welcher arbeitet, wenn ich mich belustige, welcher alles lenkt, innerhalb und außerhalb des Königreichs, in Frankreich wie in Europa?«

»Ew. Majestät beliebt ohne Zweifel von Gott zu sprechen«, sagte Monsieur de Tréville, »denn ich kenne nur Gott, der so hoch über Ew. Majestät steht.«

»Nein, Monsieur, ich spreche von der Stütze des Staates, von meinem einzigen Diener, von meinem einzigen Freund, vom Monsieur Kardinal.«

»Se. Eminenz ist nicht Se. Heiligkeit, Sire!«

»Was wollt Ihr damit sagen, Monsieur?«

»Dass nur der Papst unfehlbar ist, und dass sich diese Unfehlbarkeit nicht auf die Kardinäle erstreckt.«

»Ihr wollt behaupten, er täusche mich? Ihr wollt behaupten, er verrate mich? Ihr klagt ihn also an. Seht, sprecht, gesteht freimütig, dass Ihr ihn anklagt.«

»Nein, Sire, aber ich sage, dass er sich selbst täuscht, ich sage, dass er schlecht unterrichtet gewesen ist, ich sage, dass er sich beeilt hat, die Musketiere Sr. Majestät anzuklagen, gegen die er ungerecht ist, und dass er seine Nachrichten nicht aus guten Quellen geschöpft hat.«

»Die Anklage kommt von Monsieur de la Tremouille, vom Herzog selbst. Was habt Ihr hierauf zu erwidern?«

»Ich könnte erwidern, Sire, er sei zu sehr bei der Sache beteiligt, um unparteiischer Zeuge bei dieser Frage zu sein, aber weit entfernt hiervon, Sire. Ich kenne den Mann als einen loyalen Edelmann und ich stelle die Sache seinem Ausspruch anheim, jedoch unter einer Bedingung.«

»Unter welcher?«

»Dass Ew. Majestät ihn kommen lässt, ihn selbst Auge in Auge ohne Zeugen befragt, und dass ich vor Ew. Majestät sogleich erscheinen darf, sobald der Herzog da gewesen ist.«

»Gut so!«, rief der König, »und Ihr fügt Euch in das, was Monsieur de la Tremouille aussprechen wird?«

»Ja, Sire.«

»Ihr unterwerft Euch der Genugtuung, die er fordert?«

»Vollkommen.«

»La Chesnaye!« rief der König, »la Chesnaye?«

Der vertraute Kammerdiener des Königs, der sich immer in der Nähe der Tür aufhielt, trat ein.

»La Chesnaye«, sprach der König, »man gehe sogleich und hole mir Monsieur de la Tremouille. Ich will ihn noch diesen Abend sprechen.«

»Ew. Majestät gibt mir ihr Wort, dass sie niemand sehen wird, als Monsieur de la Tremouille und mich?«

»Niemand, auf mein adliges Wort!«

»Morgen also, Sire.«

»Morgen, Monsieur.«

»Um welche Stunde, wenn es Ew. Majestät gefällig wäre?«

»Wann es Euch beliebt.«

»Aber ich müsste Ew. Majestät aufzuwecken befürchten, wenn ich zu früh käme.«

»Mich aufwecken! Schlafe ich? Ich schlafe nicht mehr, Monsieur. Ich träume nur zuweilen, das ist das Ganze. Kommt also so früh, wie Ihr wollt, um sieben Uhr etwa; aber nehmt Euch in Acht, wenn Eure Musketiere schuldig sind.«

»Wenn meine Musketiere schuldig sind, Sire, so sollen die Schuldigen in die Hände Ew. Majestät überliefert werden, welche nach Gutdünken über sie verfügen wird. Fordert Ew. Majestät noch mehr, so mag sie sprechen, ich bin bereit, ihr zu gehorchen.«

»Nein, Monsieur; nein! Man hat mich nicht ohne Grund Ludwig den Gerechten genannt. Morgen also, Monsieur, morgen.«

»Gott beschütze Ew. Majestät bis dahin.«

So wenig der König schlief, schlief Monsieur de Tréville doch noch viel schlechter. Er hatte noch an demselben Tag den drei Musketieren und ihrem Gefährten Nachricht geben lassen, dass sie sich am anderen Morgen um halb sieben Uhr bei ihm einfinden sollten. Er nahm sie mit sich, ohne eine Versicherung, ohne ein Versprechen, und ohne ihnen zu verbergen, dass ihr Glück und sogar das seine davon abhing, wie die Würfel fielen.

Unten an der kleinen Treppe angelangt, hieß er sie warten. Wenn der König gegen sie aufgebracht wäre, sollten sie sich entfernen, ohne gesehen zu werden. Wenn er sie empfangen wollte, so dürfte man sie nur rufen.

Im Privatvorzimmer des Königs traf Monsieur de Tréville la Chesnaye, der ihm mitteilte, man habe den Herzog de la Tremouille am vorigen Abend nicht in seiner Villa getroffen, er sei zu spät nach Hause gekommen, um sich noch in den Louvre zu begeben. Er sei erst vor einem Augenblick erschienen und befinde sich eben jetzt bei dem König.

Dieser Umstand war Monsieur de Tréville sehr angenehm, denn er war nun überzeugt, dass keine fremde Meinung zwischen die Angabe des Monsieur de la Tremouille und ihn einschleichen könne.

Kaum waren zehn Minuten abgelaufen, so öffnete sich in der Tat die Kabinettstür des Königs, und Monsieur de Tréville sah den Herzog de la Tremouille herauskommen, der auf ihn zutrat und zu ihm sagte: »Monsieur de Tréville, Se. Majestät hat mich kommen lassen, um sich zu erkundigen, wie sich die Dinge gestern Morgen in meiner Villa zugetragen haben. Ich habe die Wahrheit gesprochen, das heißt, dass meine Leute den Fehler gemacht haben, und dass ich bereit sei, mich bei Euch zu entschuldigen. Da ich Euch gerade hier finde, so nehmt diese Entschuldigung gefälligst an und haltet mich stets für einen Eurer Freunde.«

»Monsieur Herzog«, sagte Monsieur de Tréville, »ich hegte ein solches Zutrauen zu Eurer Rechtschaffenheit, dass ich bei Sr. Majestät keinen anderen Verteidiger als Euch selbst haben wollte. Ich sehe, dass ich mich nicht getäuscht habe, und ich danke Euch dafür, dass es noch einen Mann gibt, von dem man, ohne sich zu irren, sagen kann, was ich von Euch gesagt habe.«

»Gut! Gut!«, sprach der König, der all diese Komplimente zwischen den Türflügeln mit angehört hatte. »Nun sagt ihm, Tréville, da er Euer Freund zu sein behauptet, dass ich zu den seinen zu gehören wünsche, dass er mich vernachlässige, dass ich ihn bald drei Jahre nicht mehr gesehen habe, und dass ich ihn überhaupt nur sehe, wenn ich ihn holen lasse. Sagt ihm das in meinem Namen, denn das sind Dinge, die ein König nicht selbst sagen kann.«

»Ich danke, Sire, ich danke«, sprach der Herzog, »aber Ew. Majestät mag wohl glauben, dass nicht diejenigen, ich sage dies nicht in Beziehung auf Monsieur de Tréville, dass nicht diejenigen, welche sie zu jeder Stunde des Tages um sich sieht, ihr am meisten ergeben sind.«

»Ah! Ihr habt gehört, was ich gesprochen habe; desto besser, Herzog, desto besser«, sagte der König und trat bis vor die Tür. »Ah! Ihr seid es, Tréville, wo sind Eure Musketiere? Ich habe Euch vorgestern befohlen, sie zu bringen, warum habt Ihr es nicht getan?«

»Sie sind unten, Sire, und mit Eurer Erlaubnis wird Chesnaye sagen, dass sie heraufkommen.«

»Ja, ja, sie sollen sogleich kommen. Es ist bald acht Uhr und um neun Uhr erwarte ich einen Besuch. Geht, Monsieur Herzog, und kommt gewiss wieder. Tretet ein, Tréville.«

Der Herzog verbeugte sich und ging. In dem Augenblick, wo er die Tür öffnete, erschienen die drei Musketiere und d’Artagnan, von la Chesnaye geführt, oben an der Treppe.

»Kommt, meine Braven, kommt«, sagte der König, »ich muss Euch schelten.«

Die Musketiere näherten sich unter Verbeugungen, d’Artagnan hinter ihnen.

»Wie Teufel!«, fuhr der König fort, »Ihr vier habt sieben Leibwachen Seiner Eminenz in zwei Tagen kampfunfähig gemacht! Das ist zu viel, Messieurs, zu viel. Auf diese Art wäre Seine Eminenz genötigt, seine Kompanie in drei Wochen zu erneuern, und ich, die Edikte in aller Strenge in Anwendung zu bringen. Zufällig einen, da wollte ich nichts sagen, aber sieben, ich wiederhole es, das ist zu viel.«

»Sire, Ew. Majestät sieht wohl, dass sie ganz zerknirscht und reumütig erscheinen, um ihre Entschuldigungen vorzubringen.«

»Ganz zerknirscht und reumütig! Hm!«, rief der König, »ich traue ihren heuchlerischen Gesichtern nicht ganz. Ich sehe besonders da hinten ein Gascognergesicht. Tretet näher, Monsieur.«

D’Artagnan begriff, dass das Kompliment an ihn gerichtet war, und näherte sich, seine verzweiflungsvollste Miene annehmend.

»Wie, Ihr sagtet, es sei ein Jüngling? Es ist ein Kind, Monsieur de Tréville, ein wahres Kind. Hat dieser dem Jussac den bösen Degenstoß gegeben?«

»Und Bernajoux die zwei schönen Streiche.«

»Wahrhaftig!«

»Abgesehen davon«, sprach Athos, »dass ich, wenn er mich nicht den Händen Biscarats entrissen hätte, sicherlich nicht die Ehre haben könnte, in diesem Augenblick Ew. Majestät meine untertänigste Reverenz zu machen.«

»Es ist also ein wahrer Teufel, dieser Bearner, Ventre-saintgris! Monsieur de Tréville, wie mein königlicher Vater gesagt haben würde. Bei diesem Gewerbe muss man viele Wamse durchlöchern und viele Degen zerbrechen. – Die Gascogner sind wohl stets arm, nicht wahr?«

»Sire, ich darf wohl behaupten, dass man noch keine Goldmine in ihren Bergen gefunden hat, obwohl ihnen der Monsieur im Himmel dieses Wunder als Belohnung für die Art und Weise schuldig wäre, wie sie die Ansprüche Eures königlichen Vaters unterstützt haben.«

»Damit ist gesagt, dass sie mich selbst zum König gemacht haben, Tréville, insofern ich der Sohn meines Vaters bin. Ganz wohl, ich sage nicht nein. La Chesnaye, seht nach, ob Ihr in allen meinen Taschen vierzig Pistolen findet, und wenn Ihr sie findet, bringt sie mir. Und nun, junger Mann, legt die Hand auf das Herz und sprecht, wie hat sich die Sache zugetragen?«

D’Artagnan erzählte das Abenteuer des vorigen Tages mit allen Einzelheiten; wie er aus Freude, Se. Majestät zu sehen, nicht habe schlafen können und drei Stunden vor der Audienzzeit zu seinen Freunden gekommen sei; wie sie sich miteinander in ein Ballhaus begeben haben, und wie er, weil er Furcht geäußert hatte, einen Ball ins Gesicht zu bekommen, von Bernajoux verspottet worden sei, was dem Spötter selbst beinahe sein Leben und Monsieur de la Tremouille seine Villa gekostet habe.

»Es ist gut so«, murmelte der König, »ja, so hat mir der Herzog die Sache erzählt. Armer Kardinal! Sieben Menschen in zwei Tagen und zwar seine liebsten; aber damit ist es genug, Messieurs, versteht Ihr? Es ist genug. Ihr habt Eure Rache für die Rue de Ferou und noch mehr genommen; Ihr müsst zufrieden sein.«

»Wenn Ew. Majestät es ist«, sagte Tréville, »wir sind es.«

»Ja, ich bin es«, fügte der König bei, nahm eine Faust voll Gold aus la Chesnayes Händen, übergab sie d’Artagnan und sagte: »Hier, zum Beweis meiner Zufriedenheit.«

Damals waren die stolzen Ideen, wie sie jetzt der äußere Anstand heischt, noch nicht in der Mode. Ein Edelmann nahm unmittelbar aus der Hand des Königs Geld an und fühlte sich nicht im Geringsten dadurch gedemütigt. D’Artagnan steckte also die vierzig Pistolen ohne alle Umstände in die Tasche und bedankte sich im Gegenteil ganz untertänig beim König.

»So! So!«, sprach der König und schaute auf die Pendeluhr. »Es ist nun halb neun Uhr und Ihr müsst Euch entfernen. Ich habe Euch gesagt, ich erwarte jemand um neun Uhr. Ich danke Euch für Eure Ergebenheit, Messieurs. Ich kann stets darauf zählen, nicht wahr?«

»Oh! Sire«, riefen die vier Gefährten einstimmig, »wir lassen uns für Ew. Majestät in Stücke hauen.«

»Gut, gut; aber bleibt ganz, das ist mehr wert, Ihr seid mir so nützlicher. Tréville«, fügte der König mit halber Stimme hinzu, während sich die anderen entfernten, »da kein Platz bei den Musketieren offen ist, und ich überdies als Bedingung der Aufnahme in dieses Korps ein Noviziat festgesetzt habe, so bringt diesen Jungen in die Kompanie der Garden des Monsieur des Essarts, Eures Schwagers. Ah! Bei Gott, Tréville, ich freue mich auf die Grimasse, die der Kardinal machen wird. Er wird wütend sein, aber daran ist mir nichts gelegen, ich bin in meinem Recht.«

Und der König begrüßte Monsieurn de Tréville mit der Hand. Dieser ging und suchte seine Musketiere auf, die er in einer Teilung der Pistolen mit d’Artagnan begriffen fand.

Richelieu war, wie Se. Majestät gesagt hatte, wirklich wütend, so wütend, dass er acht Tage die Spielpartie des Königs nicht besuchte, was den König nicht abhielt, ihm das freundlichste Gesicht von der Welt zu machen und ihn, so oft er ihm begegnete, mit dem schmeichelhaftesten Ton zu fragen: »Nun, Monsieur Kardinal, wie geht es dem armen Bernajoux und dem armen Jussac, Euren Leuten?«