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Paraforce Band 51

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Atlantis Teil 36

Guy Rouse trat durch das Vestibül seines Palastes. Es war gefüllt von Menschen, die ihn begrüßen – beglückwünschen wollten, vom Minister bis zum kleinen Abgeordneten. Der Blick Rouses flog über sie hinweg. Er musste sich beherrschen, um nicht laut herauszulachen. Zu jedem trat er heran, drückte ihm die Hand, dankte ihm, sprach ein paar kurze Worte. Mit Mühe machte er sich frei, ging nach oben.

»Shake hands, Miller! Auch hier? Ah, Mr. Stuck!«

Die beiden Riesenarme Teddingtons streckten sich den Freunden entgegen, schüttelten deren Hände, rissen sie zu sich heran.

»Wo wart ihr, ich sah euch nicht? Kam allerdings erst im letzten Augenblick. Eine Minute, bevor Seine Majestät … ah, wollte sagen, Mr. Rouse, eintrat. War unterwegs, als der Brief, derselbe, den auch ihr bekamt, aus dem Hauptquartier hier mich traf. Eben, dass ich noch das Reisegeld zusammenraffte. Wette, dass euch das ebenso schwer wurde. Er drückte mir die Hand wie euch. Alles vergessen! Gute Freunde wie immer! Unser Weizen blüht.«

Miller schaute ihn fragend an, im grämlichen Gesicht einen Zug von Misstrauen.

»Glauben Sie?«, fragte er.

»Glaube es bestimmt!«, erwiderte Teddington. »Der Weizen blüht. Bald wird er reif sein.«

Er machte mit seinen mächtigen Armen eine ausholende Bewegung, als hielte er eine Sense.

»Wir werden mähen … ernten!«

Die beiden anderen lachten.

Doch war es ihre Freude, war es leichtes Missbehagen, was in ihm aufstieg, seine Stirn zog sich in tiefe Falten. Er beugte sich zu ihren Köpfen hinunter, flüsterte:

»Die Ernte unter Dach bringen vor dem Regen!«

Die beiden sahen ihn eine Zeitlang stumm an. Dann – sie hatten verstanden – bestürmten sie ihn mit Fragen.

»Vor dem Regen?«

Teddington zuckte die Achseln, legte den Finger auf den Mund.

»Nach Sonnenschein kommt Regen, mehr weiß ich nicht!«

Die Vertreter der Presse … der große Raum im Oberstock konnte ihre Zahl kaum fassen. Eifrig, Wort für Wort, schrieben sie mit, was Rouse sprach. Es war eine große, wohlangelegte Rede. Die Ereignisse bei der Kanalsprengung … die Schuldlosigkeit aller Beteiligten … das furchtbare Unglück für den Isthmus … für Europa …

Die Möglichkeiten, das alles wieder gutzumachen. Die großen Verbesserungen des amerikanischen, des Weltverkehrs. Daraus sich entwickelnd ungeheure wirtschaftliche Fortschritte. Die glänzende Lage der Vereinigten Staaten gegenüber der ganzen Welt als Schlusswort.

Noch ein paar kurze Worte, Richtlinien für die Leitartikel.

Die Versammelten gingen auseinander … Offiziere, denen der Generalstabschef die Züge eines großen strategischen Planes entwickelt hatte.

Guy Rouse … die New Canal Company … die Presse aller Richtungen füllte ihre Spalten damit.

An der Börse: Solange Rouse sprach, hatten die Geschäfte fast völlig geruht. Alles folgte an den Lautsprechern seinen Worten.

Aktien der New Canal Cy. wie alle Rouse-Werte wurden nicht gehandelt … nein, gestrichen trotz stürmischer Nachfrage, da kein Angebot auf dem Markt.

Nur die ausländischen Börsen gaben ein ungefähres Bild des Riesenbooms in diesen Werten.

 

*

 

Die Morgensonne hob sich über dem Isthmus. Ein kleines U-Boot schoss in schnellster Überwasserfahrt durch die Fluten auf den Kanal zu. »Azuero!« Der Mann im Ausguck schrie es zur Kommandobrücke. »Runter! Fertig zum Tauchen!«, kam der Befehl von der Brücke.

Azuero in Sicht. »Befehl zum Tauchen!«, schrie der Lautsprecher in der Kabine des Kommandanten. Dieser lag ausgestreckt auf seiner Koje.

Mit einem Satz sprang er heraus, ging zur Tür. Ein Offizier stand vor ihm.

»Azuero schon in Sicht?«

»Jawohl, Herr Kapitän! Nehme an, dass wir wieder versuchen wollen, ohne Zoll durchzukommen.«

»Selbstverständlich«, knurrte der Kapitän. »Wissen ja, dass es nicht der Zoll allein ist. Der Teufel hole die New Canal Cy. und ihren Leiter.«

Der Offizier lachte. »Diesen Ausspruch, Kapitän Tredrup, hörte ich schon öfter von Ihren Lippen.«

Tredrup zog ein schiefes Gesicht. »Bande, die! Möchte sie alle an Bord haben. Würde sie mit Vergnügen durch die Torpedorohre ausspucken. Die Gesellschaft um den Zoll zu betrügen, das allein wäre mir schon ein Vergnügen. Aber Sie wissen, wir haben noch außerdem Gründe, uns im Kanal nicht allzu häufig sehen zu lassen.«

Der Offizier nickte.

»Gewiss! Aber rätselhaft bleibt mir’s. Bei jeder Fahrt von den vielen, die wir durch den Kanal machten, staunte ich. Die Kette der Zollkutter der New Canal Cy. quer über den Kanal, so gut organisiert! Lässt doch sonst nicht die kleinste Barke ohne Abgabe den Kanal passieren. Selbst für U-Boote gilt’s sonst für unmöglich, unangehalten durchzukommen. Die paar, die es versuchten, brachten die Wasserbomben schnell zur Räson.«

Tredrup strich sich mit dem Zeigefinger über die Nase. Der Offizier hatte recht. Er sprach aus, was er im Stillen oft dachte. Wie kam es, dass er mit seinem Boot immer ungesehen durchschlüpfen konnte? Ja, früher war der geheimnisvolle J. H. mitgefahren, der vom Leuchtturm in Wibehafen. Da hatte ihn das nicht weiter gewundert. Aber auch jetzt, wo er allein von Saltadera aus durch den Kanal in den Stillen Ozean fuhr auf der Suche nach Christie Harlessen … auch da! Immer war er ungesehen, unbemerkt durch den Kanal gekommen.

Er stand da und sann. Die Erklärung dafür? Wie hatte er sich vom ersten Mal an den Kopf zerbrochen, sie zu finden. Er hatte sie nicht gefunden. Der Mann vom Leuchtturm? Irgendwie musste es mit ihm zusammenhängen. Anders war es nicht möglich.

Der Lautsprecher rief: »Kanal erreicht. Bootstiefe hundert Meter.«

»Hundert Meter«, murmelten seine Lippen. Ein plötzlicher Gedanke schoss durch sein Hirn.

»Setzen Sie Kurs genau auf Kanalmitte!«

Der Offizier ging.

Tredrup stand, wartete.

»Kurs liegt auf Mitte«, kam die Rückmeldung des Offiziers.

Kanalmitte. Elfhundert Meter tief an dieser Stelle der Seekarte, wenn das Schiffahrtsamt richtig gemessen hat. Tredrup trat an den Tisch. Ein Knopf. Darüber ein kleines Messinstrument. Tiefenlot, Echo-Behm, stand in die Platte eingraviert.

Seine Hand ging zum Knopf, zuckte zurück. Er drehte sich um, als suche sein Auge einen, der die Bewegung gesehen. Sein Blick ging über die Wände der engen Kabine. Wer könnte hier hineinsehen? Nur Gott! Kein Mensch, kein Sterblicher kann es!

Seine Brust hob sich in tiefen Atemzügen. Wieder ging seine Hand zu dem Kopf.

»Keiner kann es sehen! Auch er nicht!«

Da hatten seine Finger den Knopf berührt. Sein Blick flog zum Zeiger.

Achthundertzwanzig Meter!

Als habe sein Auge ein Menetekel geschaut … Er wich unwillkürlich von dem Apparat zurück. Achthundertzwanzig? Elfhundert sollte es sein! Seine Lippen bebten. Differenz beinahe zweihundert Meter, unter Berücksichtigung der Bootstiefe. Ein Irrtum des Schifffahrtsamtes? Unmöglich! Doch vielleicht ein Riff auf der Kanalsohle. Sein Auge ging zum Fahrtmesser. Zweitausend Meter war das Boot inzwischen weitergeglitten.

Er stürzte zum Tisch. Wieder ein Druck auf den Knopf. Der Zeiger des Echolots spielte … stand. Achthundertzwanzig Meter Tiefe. Tredrup starrte wie hypnotisiert auf den Zeiger. Kein Irrtum … das Instrument war unbedingt zuverlässig. Die Sohle des Kanalbetts lag neunhundertzwanzig Meter unter dem Wasserspiegel. Heute, in dieser Minute, wo vor einem halben Monat elfhundert waren, amtlich gemessen.

Und dann, als ging ein jäher Schreck durch seine Glieder … Er starrte um sich her, als wäre da einer, der ihn sähe. Mit einem Sprung war er zur Tür, stieß sie auf.

»Wo sind wir?«, schrie er den Ersten Offizier an, der ihm entgegentrat.

Der sah ihn einen Augenblick erstaunt an. Der Kommandant? Seine eiserne Ruhe? Sprichwörtlich war sie in der kurzen Zeit geworden, seit er den Befehl führte. Was war mit ihm!

»Die erste Kette der Zollboote hinter uns, wollte ich eben melden.« Tredrup nickte wie geistesabwesend

 »Sei gewarnt!«, hatte Uhlenkort gesagt, als sie Abschied nahmen.