Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jacob von Molay, der letzte Templer 32

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Dritter Teil
König Philipp
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Siebentes Kapitel

Während man Paris ruhig wähnte, während der erquickende Schlaf den arbeitsamen Bürgersmann in seine Arme genommen hatte, um ihn zur neuen Arbeit zu stärken, durfte sich im Tempel nicht einer der Nachtruhe überlassen. Das Generalkapitel, welches Jacob von Molay in der Nacht vom 12. bis zum 13. Oktober hielt, war eines der würdigsten. 144 Ritter, unter denen die vorzüglichsten Komturen sich befanden, bewohnten den Tempel. Sie alle mussten im Kapitel erscheinen, denn schon zu lange trug man sich mit den sonderbarsten Gerüchten. Der Meister wollte dem heimlichen Gedankenaustausch der Brüder mit einem Mal ein Ende machen. Es schien ihm daher nichts zu diesem Zweck geeigneter, als im Kapitel die Wahrheit nach seinem besten Wissen zu offenbaren. Wie aber erstaunten viele Ritter, da sie in dem Großmeister, wenn auch nicht den Lobredner, doch den Verteidiger des Königs fanden! Am heftigsten ergriff diese Entdeckung den geraden und kühnen Montroyal. Er blieb seiner Bewegung nicht Herr, sondern, nachdem der Meister erwiesen zu haben vermeinte, dass der König zu Unbilligkeiten verführt worden sei und sie auf königliche Weise wieder ausgleichen würde, trat er vor den Meister hin und sprach fest: »Herr und Meister! Mir fällt ein, dass ich einst folgendermaßen beschworen worden bin: ›Wir beschwören Euch bei Gott und Maria, unserer lieben Frauen, bei St. Peter und allen Heiligen Gottes, und im Namen des Kapitels, kraft der Obedienz, bei Verlust der göttlichen Gnade und bei der Rechenschaft, die Ihr am Gerichtstage vor dem Angesicht Gottes und aller seiner Heiligen ablegen sollt, wenn Ihr bei dieser Wahl nicht nach Eurer Pflicht verfahrt, dass Ihr denjenigen Bruder des Tempels erwählt, welchen Ihr für den würdigsten und bequemsten, und für den, der bei allen Brüdern, bei dem Orden und dem Heiligen Land der beliebteste ist, und für den unbescholtensten halten werdet …‹ Das war damals, als wir dreizehn zur Wahl berechtigten Männer dem Orden ein neues Oberhaupt geben sollten. Da mich der Wahlkomtur also beschworen hatte, da versetzte ich: ›Im Namen der heiligen Dreieinigkeit, Vaters, Sohnes und heiligen Geistes. Amen.‹ Euch, Herr und Meister, wurde das te deum laudamus angestimmt, Euch trugen wir auf unseren Armen zur Kapelle und haben Euch den Gehorsam niemals verweigert. Jetzt aber wäre es Sünde, wenn ich schweigen wollte, und, auf das gestützt, was ich beschworen habe, will ich Eure Meinung ändern und Euch überzeugen, dass Nachgiebigkeit hier am unrechten Ort ist. Der König, sagt Ihr, sei von seinen Dienern zu Unbilligkeiten gegen uns verleitet worden? König Philipp von seinen Dienern verleitet! Ich dächte doch, dass Ihr ihn besser kennt. Dieser herrschsüchtige König, dieser eigensüchtige, der nicht einmal dem Papst gehorchen will, er sollte sich von seinen Dienern leiten lassen? Am Ende möchtet Ihr mich auch wohl glauben machen, dass seine Diener die Juden vertrieben. Sie sind zwar den Tempelherren ein Gräuel und deshalb war ihre Vertreibung das löbliche Werk dieses christlichen Königs. Ist aber dieses löblich, genießt er den Ruhm davon, so mag er auch die Schuld von dem Benehmen gegen uns tragen. Viel zu laut spricht man schon von den schlimmsten Absichten, die er gegen uns hegt, als dass wir nicht zum Äußersten greifen sollten. Und was, Herr und Meister, hat Euch denn plötzlich so umgewandelt? Ich vermute es wohl; das Hofleben ist kein Kriegerleben. Ich selbst fühle es drückend auf mir lasten. Drum rate ich Euch, die Schiffe wieder zu besteigen, wir alle mit Euch den Ungläubigen wieder anzufallen, dass nicht Mut und Kraft des Ordens in Paris erschlaffen.«

»Ich habe Euch aussprechen lassen, Montroyal, Eure Rede war kühn; doch die gute Meinung entschuldigt sie. Begebt Euch zurück an Euren Platz und seid versichert, dass ich jedes Eurer Worte genau erwägen werde. Manches, was Ihr gesagt habt, leuchtet auch mir ein, doch die Verhältnisse gestalten sich zuweilen ganz sonderbar. Um das zu würdigen, kann ich von dem Krieger Montroyal nicht heischen. Ich hingegen muss den Krieger und den Staatsmann in mir vereinigen. Wenn ich in Frankreich nicht an der Spitze des Ordensheeres mit dem Schwert darein schlagen kann, so muss ich doch gegen Absichten ankämpfen, die dem Orden gefährlich werden könnten. Ihr sagtet, der König sei eigensüchtig, – wohl denn. Huldigt man der Leidenschaft eines Menschen, so hat man den Menschen selbst für sich gewonnen. Habe ich König Philipp für uns gewonnen, so sind König und Papst auf unserer Seite und dann Trotz geboten aller weltlichen Ritterschaft! Schon habe ich mir etwas ausgesonnen, was den König uns befreunden wird. Er schuldet dem Orden noch eine bedeutende Summe. Seine stets leeren Kassen verhindern ihn an der Bezahlung. Wer weiß, ob dieses nicht ihn seinen Dienern ein zu williges Ohr leihen lässt. Der Orden ist reich genug, um solch eine Summe sich desjenigen Königs Freundschaft zu erkaufen, in dessen Reich die meisten Güter des Ordens liegen. Ein Opfer, das sehe ich ein, müssen wir bringen, und Ihr sollt sehen, liebe Brüder und Herren, dass ich mich nicht verrechnet habe.«

Der Dauphin aber nahm den Platz ein, welchen Montroyal verlassen hatte.

»Mitnichten, Herr und Meister, werdet Ihr mit dieser Summe den Sturm beschwören, der sich gegen uns erhebt. König Philipp ist zu habsüchtig, als dass er sich mit ihr begnügen sollte. Auch ist es nicht der König allein, der uns ob Glanz, Größe und Reichtum beneidet. Hinterlistig handeln die Hospitaliter gegen uns, ja, es hat sich vieles gegen uns verschworen und wer weiß, wie weit man selbst den neuen Papst mit hinein verwickelt hat!«

»So weit, lieber Bruder Dauphin, dürfen wir noch nicht gehen. Die Sache wird sonst so verwickelt, dass nicht herauszufinden ist. Es könnte aber sein, dass man die Privilegien des Ordens zu schmälern gedächte; dass man die Quellen seines Reichtums verstopfen wollte. Dafür aber haben wir unsere verbrieften und gesiegelten Beweise für die Rechtmäßigkeit, wir haben sie zum Lohn für die Tapferkeit des Ordens, und darin wird uns gewiss kein Papst antasten.«

»Man kann das nicht wissen, hoher Herr«, behauptete der Dauphin, »ich habe so etwas Eigenes erfahren und ich denke, es passt wohl in ein Generalkapitel.«

»So teilt es mir und den Brüdern mit.«

»Wohlan denn. Als die Kardinäle in Perugia ins Konklave gegangen waren, da wählten nicht die Kardinäle den Papst, sondern König Philipp. Er beschied den Erzbischof von Bourdeaux zur Abtei St. Jean d′Angeli. Kaum hatte er ihm Hoffnung gemacht, St. Peters Stuhl zu besteigen, so ergriff den ehrgeizigen Erzbischof die Freude so allgewaltig, dass er dem König zu Füßen fiel. Aber König Philipp hatte andere Absicht als nur diejenige, den Erzbischof zu erhöhen. Zuvörderst ließ er ihn den unverbrüchlichsten Eid schwören, dass, wenn er Papst geworden war, er dem König vier Bedingungen erfüllen wollte. Denkt, liebe Brüder und Herren, der Papst leistete den Eid, von welchem niemand entbunden werden kann. Darauf teilte ihm der König die drei ersten Bedingungen mit; die vierte aber verschwieg er ihm, bis er als Oberhaupt der Christenheit dastand. Nun verlangte Philipp, denkt nur, liebe Herren und Brüder, verlangte von ihm die gänzliche Aufhebung des Tempelherrenordens! Nein, nicht Aufhebung, – das Wort ist Beschönigung – König Philipp verlangte von ihm, dass man den Tempelherrenorden ausrotten sollte!«

Es konnte nicht fehlen, dass in einer so bedeutenden Versammlung, bei einer Versammlung von Männern, die sich größtenteils für unantastbar hielten, die Mitteilung des Dauphins für unglaublich gehalten wurde. Hier schüttelte man ungläubig den Kopf, dort belächelte man den Dauphin; hier raunte man einander zu, dass es der Würde des Kapitels nicht angemessen sei, dergleichen mit anzuhören, dort gab man der Mutmaßung Raum, es sei ein vom Dauphin selbst erfundenes Märchen. Der Meister nur sah ernst vor sich hinaus in die Versammlung, bis Peyraud seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Der trat dem Dauphin gegenüber und fragte kalt und entschlossen: »Wisst Ihr denn auch, lieber Herr und Bruder, was der Heilige Vater darauf erwidert hat?«

»Wie sollte ich? Doch was ich mitteilte, habe ich von guter Hand.«

»Nun denn, wie mögt Ihr denken, dass der Papst seine Einwilligung geben werde, die beste Stütze des römischen Stuhles auszurotten? Wie Ihr es zu nennen beliebt. Liebe Brüder und Herren, lasst Euch das nicht anfechten; man hat über den Orden schon so manches Unwahre verbreitet, warum nicht auch dieses?«

Peter von Poulogne nahm das Wort. »In so ernster Sache darf mit wenigen Worten, wie diese, nicht leichtfertig abgehandelt werden. Unser lieber Bruder von Auvergne würde schwerlich im Kapitel dergleichen vorgebracht haben, wenn er nicht Zeugnis für einige Wahrheit derselben hätte. Ob der Heilige Vater in das Verlangen des Königs eingeht oder nicht, das gehört noch nicht hierher; uns aber steht es zu, den König ob seiner Absichten gegen uns zu erforschen. Klug und vorsichtig müssen wir zu Werke gehen; fei es nun wahr oder nicht. Im ersten Fall können wir uns wahren, im anderen würden wir den König beleidigen, wenn wir ihm solches zutrauten oder solches glaubten. Es gibt eine leichte Hülle, welche feindliche Parteien noch nicht zum völligen Gang des Rechtes oder auch des Unrechtes bestimmt. Ist aber erst diese Hülle gefallen, ist die Schuld mit einem Namen belegt, so hören Billigkeit und Nachsicht auf, und das Recht wohnt leider bei den Stärkeren. Freilich werden Jahrhunderte kommen, in welchen dieses nicht der Fall ist, Jahrhunderte, da die Völker einsehen, dass die Könige ihrethalben von Gott eingesetzt sind, nicht aber die Völker um der Könige willen geschaffen. Das, liebe Brüder und Herren, ist aber jetzt noch nicht der Fall. König Philipp, ein gar mächtiger Herr, sein gutes Vernehmen mit dem Papst dürfte ihm sogar zu dem Gelingen einer Ungerechtigkeit verhelfen. Darum Vorsicht und Klugheit. Ich weiß recht gut, dass man in Paris anders lebt als im Lager vor einer Stadt, welche Ungläubige verteidigen. Es herrscht hier andere Sitte als da, wo alles Beute ist, was man findet. Hier deutet man uns vieles, gar vieles.« Er warf einen flüchtigen Blick auf den Dauphin. »Wie man es deutet, lieben Brüder und Herren, wird ein jeder selbst wissen. Weit entfernt von mir, dass ich Vergehen und Sünden entschuldigen möchte, keineswegs! Aber so manches, was ungesehen versündigt wurde, konnte eine reuige Beichte sühnen. Das ist nicht der Fall in Paris. Wir sind Tempelherren, der König ist Herr, und wie gern ein Selbstherrscher alles neben ihm Stehende, das nicht den Rücken krümmen braucht vor ihm, zur Seite schafft, das ist gar zu bekannt, als dass ich es Euch noch erklären sollte. Drum Vorsicht und Klugheit! Ist einer unter Euch, der seiner Leidenschaft, seinem sündigen Beginnen gern frönen möchte, er bezwinge sich um das Heil des Ganzen willen.«

Peter von Boulogne durfte so sprechen, seine Weisheit war anerkannt, und keinen von all den Rittern berührten seine Worte unangenehmer als gerade Peyraud. Man konnte es an seiner Miene bemerken, deren er in diesem Augenblick nicht Herr geblieben war. Dem Anschein nach wollte er Peter von Boulogne etwas entgegensetzen. Das Herannahen eines wachthabenden Bruders verhinderte ihn vermutlich daran. Der nahte sich ihm eilig, und kaum hatte er ihm einige Worte zugeflüstert, so befahl ihm Peyraud: »Lasst den Wahnsinnigen hinwegbringen! Die Pforten zum Kapitel sind niemand geöffnet, wer nicht Tempelherr ist. Sei es, was es wolle, bis morgen hat es Zeit, dann mag er sich bei unserem Herrn und Meister melden.«

»Der Mann aber spricht von Gefahr …«

»Pah! Gefahr! Wer weiß, welcher Unsinn ihn hergeführt hat – hinweg mit ihm!«

»Was ist es, das Euch so aufjagt?«, fragte der Meister. »Wer ist es, der in den Tempel zu so später Stunde eingedrungen ist?«

»Lasst es auf sich beruhen; es taugt nicht hierher.«

»Das bleibt sich gleich«, bestand der Meister auf sein Verlangen. »Ich aber will wissen, muss wissen, was sich im Tempel zuträgt. Man bringe mir den Mann hierher! Großes, wahrlich, muss es sein, was ihn hierher getrieben hat, und wenn nicht, so können wir uns des untröstlichen Anblicks eines Wahnsinnigen bald entledigen. Man bringe ihn, sofort und ohne Säumen!«

»Herr und Meister«, wagte Peyraud das Wort. Er schien auf glühenden Kohlen zu stehen.

»Nicht weiter, Peyraud! Es ist mein Wort, und dem will ich gehorsamt wissen!«

Es waren zu aufmerksame Beobachter im Kapitel, als dass es noch einer ferneren Mahnung des Meisters bedurft hätte. Der Dauphin selbst schritt der Tür zu, und nach wenigen Augenblicken führte er den Waffenschmied von Beziers herein. Der blendende Lichtstrom, der die Halle erfüllte, mochte Florian einigermaßen überrascht haben, denn weit geöffneten Mundes und starren Blickes stand er sprachlos vor dem Meister. Er war nun in eine Versammlung geführt worden, die für jedermann unzugänglich gehalten wurde. In langen Reihen um ihn her saßen 144 Männer in weißen Mänteln mit roten Kreuzen, vor ihm der Meister, den er schon gesehen hatte. Es war wohl nicht zum Verwundern, dass dies alles Florians Geistesgegenwart ganz und gar aus den Angeln riss. Beinahe kindischrasch warf er den Kopf von der einen zur anderen Seite hin und seine Gesichtsmuskeln verzogen sich, ohne, dass er es selbst wusste, in alle möglichen Formen.

»Sagte ich es nicht?«, triumphierte Peyraud. »Wer vergütet uns die verlorene Zeit? Der Wahnsinnige ist vermutlich seinem Kerker entsprungen …«

»Halt! Halt!«, fiel ihm der Meister ins Wort. »Ich kenne den Mann. Schweigt jetzt, lieber Herr und Bruder, ich werde mit dem Mann ein Wort sprechen.«

»Nach Eurem Belieben«, murmelte Peyraud durch Zähneknirschen.

Der Meister verließ seinen Sitz, erfasste Florians Hand und fragte zutraulich und freundlich: »Was ist dein Begehr, Florian? Was willst du hier? Und warum kommst du in so später Stunde zu uns?«

»Warum?«, zischelte Florian, sich dicht an den Meister drängend. »Warum ich hierher komme? Ist es möglich, dass Klugheit so genau mit Dummheit gepaart sind? Seht, mir ist mein guter Engel in dieser Nacht erschienen, meine Margot. Nun hat sie mich wieder verlassen, da war ich wieder allein mit mir selbst und mit meinem Gewissen. Aber mein Gewissen ist grausam«, brach Florian in Tränen aus, »grausam, denn es war nicht meine Schuld, was Nogareto ausgesponnen hat. Und wie ich nun allein war … mir ist, als wenn meine alten Augen weinten … das ist nur Schwäche, Ihr Herren … ja, was wolle ich denn sagen? … Richtig! Mein Gedächtnis bleibt mir doch treu. Als ich nun wieder allein war, da schweiften im Dunkel der Nacht kohlschwarze Raben umher, mit dem unheimlichen Gefieder, welches jeder verabscheuen muss. Auch schwarze Falken habe ich bemerkt, mit den gierigen Klauen und krummen haarscharfen Nägeln … Ein Edelfalke führte den Zug an, gekrönt, feurig und bewährt zu eines jeglichen Verderben! Ich wollte davonschlüpfen, da hörte ich aber, wem die Jagd gelten sollte, und komme warnend zu Euch.«

»Warnend?«, fragte der Meister. »Wie soll ich das verstehen, Florian? Lass die Bilder hinweg, sprich deutlich; was hier gesagt wird, bleibt jedermann verborgen, außer uns.«

»Ich will es glauben, will glauben, dass es verborgen bleibe … Aber sagt mir, wie weit ist es in der Nacht?«

»Die vierte Stunde ist vorüber.«

»Und wieviel Körnchen Sand können wohl noch rinnen, bis der Tag ist angebrochen?«

»Sonderbare Frage, Florian. Wer vermöchte die Körnchen wohl zu zählen?

»Sagt das nicht, hoher Herr, manchem Menschen schwinden Jahre hin, ohne dass er sie bemerkt; und mancher zählt Sekunden. Warum sollte man denn nicht auch in Zeiten der Not die Körnchen einer Uhr zählen können, zählen müssen?« Und mit furchtbar erhobener Stimme fügte er hinzu: »Hängt an jedes Körnchen Sandes einen Schwertstreich und Ihr seid dennoch verraten, verkauft, verloren!«

»Florian, du scheinst aufgeregt zu sein«, unterbrach der Meister das Schweigen, welches sich auf die ganze Versammlung herniedergesenkt hatte. Doch der Waffenschmied ließ ihn nicht weitersprechen.

»Herr!«, sprach er. »Mag nun kommen, was da wolle, das gilt mir gleich! Es ist wohl zum Verrücktwerden eingerichtet, aber ich werde doch nicht verrückt. Was kümmert mich der König? Was kümmert mich Frankreich? Wenn ich meine Margot habe, so ziehe ich in alle Welt, ziehe nach Deutschland, treibe wieder mein Gewerk bis an meines Lebens Ende. Der Balthasar, mein Geselle, ist mit dem Grafen Hugo hinweggezogen. Er wird sich seines alten Meisters noch erinnern. Doch ich bin so plötzlich weggegangen aus meinem Haus, habe mein Geld nicht zu mir gesteckt. Ihr Herren könntet mir wohl so viel geben, dass ich eine Schmiede in Deutschland anlegte, dann gehe ich noch in dieser Nacht davon und Florian kann nicht mehr gegen Euch zeugen.«

»Mit deiner Tochter?«, fragte der Dauphin.

»Hei! Das versteht sich doch wohl von selbst; werde sie dem König Philipp nicht lassen. König Philipp weiß seinen Vorteil ausfindig zu machen. Es soll mich nur wundern, wie er mit Euch, Ihr Herren, umspringen wird. Bei dem dreieinigen Gott!«, fuhr Florian plötzlich auf. »Der Sand ist beinahe verronnen! Auf! Auf! Ihr Ritter und Herren! Der Tag bricht an und mit ihm Euer Verderben! Der König naht und seine Reisigen! Umzingelt ist das Haus – Ihr alle seid gefangen!«

Ein dumpfes Geräusch, von der Straße heraufdringend, eignete sich nur zu leicht des halb wahnsinnigen Geschwätzes Inhalt einige Wahrheit anzupassen. Diesem Geräusch gesellte sich bald ein anderes zu: Harnische dröhnten aneinander, die Schäfte von Hellebarden klapperten und die lauten Befehle der Hauptleute drangen bis zum Ohr der Versammlung. Im selben Augenblick stürzten schon die Wächter herein, laut verkündend, dass die königlichen Garden, mit sämtlichen Rittern untermischt, den Tempel umzingelt hätten. Am Tor verlange der Befehlshaber des Königs Eintritt in den Tempel, mit ihm wären zehn Geharnischte.

Es gibt Ereignisse im Leben, welche entweder die Tatkraft erschlaffen oder auch wohl die Willenskraft auf eine ungeheure, nicht früher zu berechnende Stufe schleudern. In solchem Augenblick kämpfen Geist und Körper einen ungleichen Kampf. Das bewies sich hier bei Jacob von Molay. Er war zurückgesunken auf seinen Ehrensessel. Keiner Bewegung mächtig, rief er mehrmals: »Zu den Waffen! Zu den Waffen! Meine Rüstung!«

Doch die Einigkeit fehlte hier im Tempel. Der größte Teil der Ritter sah nur zu gut ein, dass gegen die Übermacht nichts auszurichten war; dass man sie auf eine unehrenhafte Weise überlistet hatte. Um größeres Verderben abzuwenden, wurde dem königlichen Hauptmann das Tor geöffnet.

»Im Namen des Königs!«, sprach er, als er mit seinen zehn Geharnischten die Halle betrat, »im Namen des Königs! Ihr Herren, Ihr seid meine Gefangenen. Ritterliche Haft darf ich Euch verbürgen. In meine eigene Hand gebe jeder von Euch sein Schwert ab. Die Schwerter sollen treu aufbewahrt werden, hat unser allergnädigster König befohlen, und zur Zeit zurückerstattet werden. Doch säumt nicht, denn kaum wird eine Stunde verstreichen und Seine Majestät nimmt selbst Besitz von dem Tempel.«

»Was? Wir unsere Schwerter? Unsere Schwerter, die in Sarazenenblut geheiligt sind! Unsere Schwerter, die dem Kreuz vorangeflammt sind! Wir sollen unsere Schwerter lassen? Nimmermehr! Eher lassen wir das Leben!«

So rief es und donnerte es wild tosend durch die Halle. Gleich der Woge einer zischenden Brandung stürmte jeder Ritter auf den königlichen Hauptmann ein. Im Nu aber hatten die zehn Geharnischten einen Kreis um ihn geschlossen und streckten den Tempelherren ihre Schwerter entgegen.

»Im Namen des Königs! Zurück!«, riefen sie einstimmig.

»Ergebt Euch, Ihr Herren!«, tönte des Hauptmanns Stimme herüber. »Zögert Ihr noch zwei Minuten, so wird der Tempel gestürmt! Den Befehl haben die Garden. Dreitausend Mann und wohlbewaffnet!«

Eines jeden Auge hing an Jacob von Molay. Seine Stirn zog sich zwar in furchtbardräuende Falten.

Mit beiden Händen schien er sie hinwegwischen wollen und sprach zu den harrenden Rittern: »Ergebt Euch, lieben Brüder und Herren«, indem er selbst zuerst das Schwert vom Gehänge nahm und es dem Hauptmann reichte.