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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Zweiter Teil -Vierzehnte Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Vierzehnte Erzählung

Der Rathenow’sche Poltergeist im Haus des Kaufmanns Herrn Stollenberg

Als um das Jahr 1780 in dem Haus des Kaufmanns Herrn Stollenberg zu Rathenow, dessen Frau Schwiegermutter gestorben war, wurde dasselbe plötzlich der Wohnsitz eines Spukes. Wenn er mit den seinen des Abends zu Bett gegangen war, um von des Tages Last und Hitze auszuruhen, so hatte der häusliche Poltergeist es anders über ihn beschlossen; denn in der Tat ging die Unruhe nicht selten nun erst recht an. Oft kaum eingeschlafen wurde er durch ein spukhaftes Umherwandern im Haus plötzlich wieder aufgeschreckt.

Schaudervoll war es anzuhören, wie das Ungetüm von der Bodentreppe herab tapste, sodass die armen Dienstmägde in dem neben der Treppe befindlichen Bretterabschlag dermaßen in Angst und Schrecken gesetzt wurden, dass sie sich fest einriegelten und den Kopf ins Deckbett hüllten. Leiseren Trittes pflegte es dann wohl im Haus einige Mal auf- und abzugehen oder auf Tisch und Bänke, auf die Tonnen und Kisten, die gewöhnlich den Flur dieses blühenden Handlungshauses anfüllten, umherzuschreiten. Aber vorzüglich schaudererregend war es den Ohren der Horchenden, wenn hierauf das Gespenst nach seiner alten Gewohnheit so lange heftig an die gut zugemachte Küchentür stieß und schlug, bis diese aufsprang. Sah es nun auf diese Art endlich offene Bahn zur Küche vor sich, so trieb es in derselben sein störendes Wesen zum großen Verdruss derer fort, die gerne schlafen wollten. Oft währte dies bis gegen den Morgen oder doch gewiss bis zum Verlauf der eigentlichen Spukstunde.

Herr Stollenberg, dessen Schlafkammer an die Küche grenzte und mittelst eines Fensters in Verbindung mit dem Hausflur stand, sprang gewöhnlich gleich anfangs raschen Entschlusses zum Bett hinaus und eilte dem Polterer entgegen, um ihm – wo nicht den Hals zu brechen, doch wenigstens das lästige Handwerk zu legen. Allein so sehr er, über den Volkswahn erhaben, auch zu den denkenden, helleren Köpfen gezählt zu werden verdiente, so wollte es ihm doch mit seiner Untersuchung lange nicht glücken. Immer lief sie fruchtlos ab, und immer polterte das spukende Etwas, vorhin beschriebendermaßen von Neuem. So genau er auch den Boden, den Hausflur, die Küchen und jeden Winkel des Hauses durchsuchte, so fand sich doch nirgends eine Ursache des Spukens. Ja, was noch mehr war, der rachsüchtige Poltergeist tobte, wie es ihm wenigstens vorkam, nach einer vorhergegangenen Untersuchungsnacht jedes Mal desto ärger.

Die Küche hing mittelst eines schmalen Ganges mit einem Hintergemach zusammen, welches unter anderen zum Aufbewahren leerer Tonnen und anderer Gefäße benutzt wurde. Hier war es, wo es dem Gespenst einst beliebte, um Mitternacht ein unerhörtes und ganz sonderbares Geräusch zu machen. Erst schmiss es dem Anschein nach ein Stück Holz oder einen Stein bald gegen die eine, bald gegen die andere Tonne, deren hohlklingende Töne grausend in die Ohren der Horchenden hallten. Dann wieder begann ein Schurren mit den Füßen, als ob der Geist den tollen Einfall bekäme, auf dem mit Ziegelsteinen gepflasterten Fußboden gleichsam schlittern zu wollen.

Es konnte fast nicht fehlen, die Ladendiener, die Lehrburschen, der Hausknecht, die Dienstmägde, alle sagten nun nachgerade laut, was sie sich bisher nur ins Ohr geflüstert hatten: »Die verstorbene Großmutter (so nannten sie Herrn Stollenbergs Schwiegermutter) hat im Grab keine Ruhe.« Indessen war durch das ungeheure Toben in dieser Nacht alles im Haus wach geworden, und Herr Stollenberg nahm sie alle in Anspruch, mit ihm nochmals das ganze Haus auf das Genaueste zu durchsuchen. Er selbst stellte sich, mit einem Besenstiel bewaffnet, an die Spitze der Hausgenossen, und so ging nun der Zug vorwärts.

Die Küchentür hatte man, so oft es im Haus umgegangen war, jedes Mal geöffnet vorgefunden. Dieses Mal aber war sie zur Verwunderung aller, verschlossen geblieben. Man musste durch die Küche und deren zwei Türen, um zum Hinterflur zu gelangen, wo das Schmeißen und Schurren sich hören ließ. Herr Stollenberg, als der Vorderste, steckte aus rühmlicher Vorsicht den Kopf fein behutsam vorweg und lauschte erst zwischen den anfangs nur wenig geöffneten Türen; indessen, ohne so auch nur die kleinste Entdeckung zu machen. Endlich wagte er es entschlossen durch den Eintritt in den Tummelplatz des schmeißenden Gespenstes dem spukenden Etwas seinen ganzen Körper insofern preiszugeben, als der Besenstiel ihm keinen Schutz gewährte. Und siehe! Er und sein ganzes Gefolge lachten überlaut auf, als man den mächtig großen schwarzen Hauskater in völliger Katzenseligkeit vor sich erblickte. Auf den Hinterfüßen stehend hielt er mit den Vordertatzen eine Mausefalle, worin einem vor Angst halb toten Mäuschen das kleine Herz pochte. Ehe man es sich versah, ließ er deren Gefängnis auf den Fußboden fallen und gab ihm spielend mit der einen Tatze einen so derben Schlag, dass es auf das Steinpflaster hinschurrte und gegen die hell tönenden leeren Tonnen fuhr. Wie ein Falke hinter die Mausefalle her, wiederholte er dieses Spiel, bis man ihm endlich das vor seinem unmittelbaren Angriff gesicherte Mäuschen preisgab.

So war nun die natürliche Ursache des Gepolters der unruhigsten Nacht in dem Hauskater glücklich entdeckt. Aber wer ging des Nachts die Treppe und den Hausflur auf und ab? Wer öffnete mit Geräusch die Küchentür? Unmöglich kann doch ein Kater, meinte man, die jeden Abend wohlbedächtig zugemachte und eingeklinkte Tür öffnen. Mithin wäre also auf das eigentliche Gespenst noch immer Jagd zu machen. So dachten alle im Haus, aber sie alle irrten. Denn einige Tage darauf hörte und sah Herr Stollenberg ganz von ungefähr den Kater von der Treppe herabtapsen, als käme leisen Trittes ein Mensch herab. Er sprang, da er die Küchentür zugemacht fand, auf einen danebenstehenden Koffer, hing sich von da aus mit der einen Tatze an den unteren Teil des Handgriffes zum Auf- und Zumachen und schlug mit der anderen ziemlich derb und so lange auf das breite Eisen, welches bei dergleichen Klinkschlössern den Hebel macht, bis die aufgeklinkte Tür, vermöge ihrer eigenen Schwere, einkerbig aufging. Jetzt war es ihm nun freilich ein Leichtes, die Tür mit der Pfote weiter aufzumachen und in der Küche ungehindert seiner Nahrung nachzugehen.