Timetraveller – Episode 26
Satans Botschaft
»Bei allen Heiligen! Was ist das?«
Claire starrte aus dem Glider auf das furchterregende Gebilde, das sich wie in einer Slowmotion aus der Schwärze des Weltraums schälte.
Kens Mund war so trocken wie die Wüste Sahara.
»Das … das …« Er brach ab.
»Der Untergang des Universums!«, stieß Dan hohl aus.
Was sich da langsam auf sie zuwälzte – anders konnte man es nicht bezeichnen – war so grauenhaft, dass die Raum-Zeit-Reisenden wie gelähmt in den Sitzen verharrten. Doch dann fasste sich Francine.
»Wir müssen darunter wegtauchen und von hinten anfliegen! Wenn es uns erwischt, war alles Bisherige vergebens!«
Es war, als hätte dieser Ausruf Ken wieder in die Wirklichkeit katapultiert. Er schlug mit der rechten Faust auf den Notknopf, um das Energieabwehrfeld zu aktivieren.
Der Glider vibrierte.
Zeitgleich aktivierte Francine die Handsteuerung. In letzter Sekunde tauchten sie ab.
Der Strudel des Energielochs ließ den Glider herumwirbeln.
Blitzartig zogen in Kens Kopf die Szenen vorbei, mit denen alles begonnen hatte …
San Francisco, MTRD
»Wir setzen neben dem Thunderbird den Ersatz-Glider ein.«
Ken schaute den ergrauten Teamleiter an wie das achte Weltwunder.
»Es sollen zwei Glider zum Einsatz kommen?«
Der Professor nickte. »Es gibt alarmierende Zeichen aus zwei Sektionen. 4-0-6 Alpha und 7-0-3 Alpha.«
Ken blickte noch irritierter. »Kommen Sie auf den Punkt, Sir!«
»In beiden Welten bahnt sich ein unkontrollierter Hyperraumsprung an.« Der Teamleiter trat an eine Computerkonsole. Sogleich projizierte sich ein dreidimensionales Bild in den Besprechungsraum tief unter der Erde.
Mit einem Laserpointer verwies der ergraute Techniker und Physiker auf zwei Kurven. Eine blaue und eine rote. »Hier ist 4-0-6 Alpha und hier, die rote Spur, 7-0-3.«
Ken trampelte nervös von einem Bein auf das andere. »Himmel Donnerwetter! Ersparen Sie mir Skizzen oder ähnliches! Kommen Sie zu den Fakten!«
»Tue ich doch«, kam es gereizt zurück.
Verstohlen schaute Ken auf die Uhr. Knapp vier Stunden war es her, dass man ihn auf höchste Anweisung mit ROT-Order aus dem verdienten und hart erkämpften einwöchigen Urlaub von Hawaii geholt hatte. Sogar mit einer Regierungsmaschine.
Der Teamchef straffte die hagere Gestalt. »Auf beiden Welten experimentiert jemand mit Aggregaten, die das Raum-Zeitgefüge erschüttern. Wir konnten das messen. Sicher … es gibt solche Erschütterungen und Spannungen immer mal, da wir bei den unzähligen Parallelwelten … und auch Planetensystemen des eigenen Realuniversums nicht wissen, ob andere Lebewesen ähnliche Techniken beherrschen wie wir. Fakt ist – beide Welten bestehen in unterschiedlichen Zeit- und Existenzebenen. Doch sie bewegen sich aufeinander zu.«
Ken verstand immer noch nicht genau, worauf der Wissenschaftler hinaus wollte.
Also fuhr dieser fort: »Wenn sich die Bewegung fortsetzt, werden diese beiden Welten innerhalb der nächsten fünf bis sechs Wochen verschmelzen.«
Ken rieb sich den rechten Nasenflügel. »Sicherlich eine Katastrophe für beide Welten, aber was haben wir damit zu tun?«
Der Physiker stieß die Luft aus. »Sehen Sie sich das an!« Er schaltete ein weiteres 3-D-Bild ein.
Nun gesellte sich zu den beiden Linien noch eine orange Parabel dazu, die sich an einem konzentrierten Punkt mit der blauen und roten Linie schnitt.
»Es wird zu einer Implosion in den beiden Sphären kommen. Es entwickelt sich im Raum-Zeitgefüge ein Schwarzes Loch. Dieses Loch wird dann einen Sog entwickeln, der alles herum einsaugt und – wer weiß wo – wieder ausspuckt.«
Ken verdrehte die Augen. »Ja … und?«
»Durch diese Saugkraft wird eine Randenergie erzeugt, die sich – bildhaft erklärt – wie die Heckwelle eines Schiffes entwickelt und in einem weiten Winkel streut. Diese Welle entspricht einer Kraft von 2 Milliarden Tonnen TNT. Beispielhaft erklärt.«
Nun ahnte Ken etwas und er wurde leichenblass. Er starrte auf die Linien. »Ein Ausläufer der Welle wird das Energiegefüge der Zeitströme durchbrechen wie ein Tsunami und unsere Welt treffen.«
Der Wissenschaftler nickte. »Wenn unsere Welt oder besser … unser Welten-Existenzbereich mit allem drum und dran nicht zerstört wird, kann es unsere gesamte Galaxis irgendwo hinschleudern. In eine andere Zeitebene – an die Grenze eines uns völlig unbekannten Universums …« Er machte eine ausladende Armbewegung. »Vielleicht ergibt es auch einen neuen Urknall. Jedenfalls wird nichts mehr sein, wie es jetzt ist.«
Ken musste sich setzen. Er tastete nach einem der weißen Lederstühle.
Er schluckte trocken. »All right«, presste er dann hervor. »Sie wollen also, dass wir mit zwei Glidern starten. Jeder zu einer der Welten.«
»Richtig! Denn das verrückte Unternehmen nur auf einer der Welten zu stoppen, wäre Nonsens.«
»Aber«, hob Ken an. »Wer immer das macht – es müssen auch Physiker sein – ich meine … die müssen doch die Gefahr erkennen?«
Der grauhaarige hagere Mann zuckte mit den Achseln. »Vor allem ist es mir schleierhaft, wie zeitgleich auf unterschiedlichen Welten in unterschiedlichen Existenzebenen derselbe Ablauf stattfinden kann. Aber nach den Messungen und Erschütterungen im Raum-Zeitgefüge muss es so sein.«
Ken erhob sich. »Sind die anderen schon informiert?«
»Nein. Das überlassen wir Ihnen. Auch die Aufteilung der Crew.«
Ken fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. »In Ordnung! Claire ist rasch erreichbar. Dan ist mit Claire zu Besuch bei Freuden in Oklahoma. Nur Francine ist mit unbekanntem Ziel verreist.«
Der Teamchef runzelte die Stirn. »Was heißt mit ›unbekanntem Ziel‹? Jedes TT-Mitglied muss erreichbar sein.«
Ken lächelte missglückt. »Wir bekamen zwei Wochen Urlaub bewilligt nach dem letzten riskanten Unternehmen. Naja … Francine hat ihren eigenen Kopf und sie musste sich über etwas klar werden.«
»So!«, kam es knapp. »Über was musste sich die Dame klar werden?«
Ken blies die Backen auf. »Keine Ahnung. Aber wir werden sie finden!«
Der Japaner wusste nur zu gut, worüber sich die Kollegin klar werden musste. Tauchte doch auch vor seinem geistigen Auge immer wieder Ria auf. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte – er hatte sein Herz an sie verloren und hoffte, sie eines Tages wiederzusehen. Doch jetzt musste er Francine suchen, um das Team komplett zu bekommen. Für Gefühlsduselei war keine Zeit.
Eine Farm in Kensington, England
Die Person, von der gesprochen wurde, stand zur selben Zeit an einem großen Panoramafenster und starrte in den mit Sternen übersäten Himmel.
Francine wippte auf den nackten Fußspitzen. Die Hände hatte sie vor der Brust verschränkt. Man hätte bei oberflächlicher Betrachtung glauben können, sie bete.
Doch in ihr toste anderes. Sie sehnte sich nach Paros. Zu Lyntaia. Ihr Herz schlug schneller, wenn sie an die Amazone dachte.
Sie würde alles geben, wenn sie jetzt mit einem Glider einfach ›rüberfliegen‹ könnte.
Die junge Frau seufzte. Dann wandte sie sich vom Fenster ab und schritt zu der halb runden Couch hinüber. Sie ließ sich darauf sinken.
Sie wollte sich eben ein Glas Rotwein einschenken, als der Boden um sie herum zu vibrieren begann. Das Weinglas erzitterte, rutschte im Zeitlupentempo zum Rand des Tisches … und wenn Francine es nicht aufgefangen hätte, wäre es samt Inhalt auf den Teppich gestürzt.
»Zounds!«, rief die junge Frau aus. »Was ist das?«
Das erdbebenähnliche Vorkommnis ließ nach und alles wurde wieder ruhig.
Francine stand auf und wollte sehen, ob sich draußen etwas ereignet hatte. Vor allem, ob es Schäden an dem alten Farmhaus gab.
Das Anwesen gehörte einem Onkel von ihr, der sich allerdings mehr in Frankreich aufhielt. Zu gern hatte er ihr auf die Bitte das Haus für zwei Wochen überlassen.
Es gab einen Verwalter. Dieser lebte zwei Meilen entfernt. Von ihm hatte sie die Schlüssel erhalten.
Francine öffnete die breite Terrassentür.
Wie versteinert blieb sie stehen.
Direkt neben dem Ginsterbusch stand eine Gestalt. Nur als Schattenriss erkennbar.
Groß … und in eine Art Raumanzug gekleidet.
Die junge Agentin musste schlucken. Waren Außerirdische gelandet? Eine Invasion?
Im aufkommenden Wind sah sie langes Haar wehen. Dann sprach die Gestalt sie an.
Das Timbre ging Francine unter die Haut und um sie herum schien alles zu verschwimmen.
»Hallo Schwester«, kam es leise und mit dem Ton einer so genannten ›Mitternachtsstimme‹.
Francine konnte es nicht glauben.
Lautlos und hilflos formten ihre Lippen den Namen.
Victoria.
Oklahoma
Dan tanzte ausgelassen mit Claire.
Es war ein wunderschöner Spätnachmittag. Trotzdem spürte man, dass der Herbst nahte. Doch hier nannte man es eher den Indianersommer. Die Luft zeigte sich mild.
Da spürte Dan die Vibration seines Mobiltelefons. Er hielt im Tanzen inne und angelte danach. Claire verdrehte die Augen. »Junge! Wir haben Urlaub!«
Doch dann sah sie Dans ernstes Gesicht, als er in das Gerät rief: »Was sagst du da?«
»Was ist los?«, fragte Claire. Dan winkte kurz ab. Endlich sagte er: »Okay! Wir kommen mit der nächsten Möglichkeit.« Er klappte das Gerät zu.
Claire schaute irritiert. »Es war Ken.« Dann setzte er der Freundin und Kollegin den Sachverhalt auseinander.
»Um Himmels Willen!«, rief diese aus.
»Was passiert?«, erkundigte sich ein junger Mann neben ihnen mit besorgtem Gesicht.
Dan lachte kurz auf. »Nein, nein … nur ein böser Scherz.« Dann manövrierte er Claire in eine ruhigere Ecke.
»Weißt du, wo Francine sich aufhält?«
Claire zögerte. Dan umfasste ihre Schultern. »Es ist wichtig!«
»Ja, ja! Ich habe eine Telefonnummer, unter der sie erreichbar ist.«
Dan legte den Kopf schief. »Na! Ruf sie an!«
Claire zog ergeben das Handy aus ihrer Handtasche und betrat die Terrasse.
Doch Francine meldete sich nicht.
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