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Marcus Gärtner (Hg.) – Das ist ja wohl der Horror!

Marcus Gärtner (Hg.)  – Das ist ja wohl der Horror!

Diese Gruselanthologie aus dem Rowohlt Verlag enthält insgesamt 13 Beiträge, die meist aus der Feder bekannter Autoren stammen. Dabei sind die Geschichten (und Gedichte) durchaus nicht immer so furchtbar gruselig, dass dem Leser das Blut in den Adern gefriert, sondern es befinden sich auch durchaus humorvolle und witzig gemeinte Texte darunter, die ihm eher ein Schmunzeln als den Angstschweiß entlocken dürften.

Allen voran trägt Ralf König mit einem Gedicht und Illustrationen zum Buch bei, das als Comic in Reimform gelten kann und eine Kette des Fressens und Gefressenwerdens von Leiche, Hexe, Werwolf, Vampir und Vampirjäger im Moor offenbart, die eher heiter als schaurig ist.

Weitere eher lustige Texte über einen Waver, der seit den 80er Jahren New Wave hört und einen Grabstein in seiner Souterrainwohnung beherbergt, über einen 52-jährigen Doktor Der Meteorologie, der seine Ehefrau aus dem Fenster schubst, während sie dieses putzt, und über das Abenteuer einer Heavy-Metal-Band in einem Eifeldorf, wo alle menschlichen Bewohner Werschweine sind, tragen Jenny Zylka, Sven Stricker und Anselm Neft bei.

Eher witzig sind auch die Geschichten von Till Raether, Thomas Gsella und Georg Klein über ein Kind, das im Alter von vier Jahren seine Eltern – nur im Spiel – tötet und ihnen die Köpfe absägt. Es landet schließlich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Weiterhin über einen Mann, der in einem Badezimmer im Keller dem Teufel begegnet, der sich ihm in Form eines Liliputaners nähert und über einen Mann, bei dem Witze, wann auch immer sie ihm durch den Kopf ziehen, zur manchmal schlimmen Realität werden.

Aber auch durchaus eher ernst gehaltene Horrorstorys bietet dieses interessante Buch, wie z.B. die Erzählung von Doris Knecht über eine Frau, die eine andere sieht, die so ist und aussieht, wie sie selbst, ja, sie selbst ist und ihr immer wieder begegnet, die Story Rosa Mantel von Kirsten Fuchs, in welcher eine Aufsteigerin in der U-Bahn mit einer Obdachlosen zusammentrifft oder die Geschichte Das Unheimchen über eine pensionierte Unternehmerin mit einer Insektenphobie von Frank Schulz.

Da die vorliegende Sammlung so vielfältig ist, ist auch für fast jeden Leser etwas dabei, und sie vermag deshalb sehr gut zu unterhalten. Der Verlag schreibt in seinem Klappentext, Horror sehe heute anders aus als zu den Zeiten, in denen noch Gespenster mit rostigen Ketten durch staubige Verliese rasselten, und die Geschichten tragen dieser Tatsache Rechnung, denn der Horror darin ist entweder humorvoller, wie es der Verlag auch beschreibt, oder schlicht modernerer Natur als die Erzählungen anderer Zeiten, da er in der gegenwärtigen Kultur angesiedelt ist.

Kurzum, Marcus Gärtner hat hier eine Anthologie herausgegeben, die den Leser unserer Zeit anspricht, da sie in seiner eigenen Umgebung spielt und nicht mit angestaubten Gruselmomenten operiert, von denen jeder genug hat. Man würde sich heute mehr von solch erfrischend aktuellen Sammlungen dieses Genres wünschen, die noch dazu literarisch interessant sind und nicht ganz so splatterhaft daher kommen.

Im Anschluss sollen die drei noch nicht beschriebenen Geschichten des Buches etwas intensiver besprochen und ihre Autoren genauer vorgestellt werden:

Heinz Strunk – Schwarzes Loch

Ein Geschäftsmann kommt mit dem Taxi am Nachmittag vor dem Hilton Düsseldorf an und checkt ein. Es ist ein anonymer, 12-stöckiger Kasten aus dem Jahr 1957. Er bekommt ein abgelegenes Zimmer im 12. Stock, das unmodern eingerichtet ist und stinkt. Im Zimmer hat er kein W-Lahn und keinen Handyempfang. Er beschwert sich an der Rezeption. Dann hat er seinen Geschäftstermin.

Als er in das Zimmer zurückkommt, will er etwas trinken und fernsehen. Vorher will er die Zähne putzen. Aber seine elektrische Zahnbürste ist weg. Auch der Schlafanzug. Er trinkt mit schmutzigen Zähnen und sieht in Unterwäsche fern. Er schläft ein.

Zwei Stunden später wacht er auf. Der Fernseher läuft noch. Als er ihn ausschalten will, ist die Fernbedienung weg, die er neben sich gelegt hatte. Er zieht den Stecker und schläft wieder ein.

Am nächsten Morgen fehlen fast all seine Sachen. Er duscht. Als er sich den Anzug anziehen will, den er in den Schrank gehängt hat, ist dieser auch weg. Was ist in diesem Hotelzimmer nur los?

Der Autor:

Heinz Strunk arbeitet als Schriftsteller, Schauspieler und Musiker. Er hat bisher diverse Bücher veröffentlicht. Der Titel Der Goldene Handschuh war für den Leipziger Buchpreis nominiert. 2016 bekam er als Autor den Wilhelm-Raabe-Preis.

Tex Rubinowitz – Der Mann im Wald

Der Erzähler ist Schüler auf einen Internat in London. Er hat dort einen portugiesischen Freund namens Zeto. Dieser reißt eines Tages morgens um 11 Uhr die Tür zu seinem Zimmer auf und fragt nach der Notfallnummer. Er hat im Wald beim Internat einen Mann in einer rostigen Öltonne gefunden, der total verbrannt und an dem alles verkohlt ist.

Sie rennen hin, nachdem sie die Sanitäter gerufen haben. Der Mann fordert, sie sollen ihn erlösen, also töten. Als die Sanitäter endlich da sind, tragen sie ihn in ihren Wagen. Wer hat ihm dies angetan, und warum?

Der Autor:

Tex Rubinowitz lebt seit 1984 in Wien und ist Witzezeichner, Musiker, Maler und Schriftsteller. Im Jahr 2014 bekam er den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Text Der Mann im Wald basiert auf einer Geschichte von Tobias Bach.

Dirk Stermann – Die sechste Krankheit

Ein Radiomoderator einer Talkshow lernt über seine Sendung eine Frau namens Martina erkennen, die offenbar Leukämie hat und bald sterben muss. Die Spender, die für eine Rückenmarksspende in Frage gekommen wären, ihre Eltern und ihr Bruder, sind alle tot. Dann stirbt auch noch ihr Mann auf dem Weg zum Krankenhaus. Aber sie hat seinen Samen, lässt sich künstlich befruchten und hofft, dass sie trotz ihrer Krankheit das Kind noch bekommen kann, denn sein Rückenmark könnte ihr Leben retten. Aber das Kind stirbt in ihrem Körper. Alle Hoffnung ist dahin, oder?

Der Autor:

Dirk Stermann wurde in Duisburg geboren und lebt heute in Wien. Er ist einer der beliebtesten Radiomoderatoren und Kabarettisten Österreichs und auch in Deutschland durch Fernseh- und Radioshows und auch Bühnenauftritte und Kinofilme einem breiteren Publikum bekannt.

Quellen:

  • Heinz Strunk, Ralf König, Doris Knecht u.a., Das ist ja wohl der Horror! – Angst- und Bangegeschichten, herausgegeben von Marcus Gärtner, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, November 2017.
  • www.rowohlt.de

Bild:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Taschenbuch Verlags.

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