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John Sinclair Classics Band 7

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 7
Die Tochter der Hölle

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 05. 12. 2017, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 04. 06. 1974 als Gespenster-Krimi Band 38.
www.john-sinclair.de
Kurzinhalt:
Vor zweihundert Jahren starb die Gräfin Elisabeth Barthony eines grausamen Todes – bis sie durch die Neugier zweier junger Leute wiedererweckt wird. Voller Rachedurst kehrt die Hexe aus dem Reich des Teufels zurück in die Welt der Lebenden, um die Nachfahren jener zu bestrafen, die für ihren Tod verantwortlich waren. Nur einer kann die Mordgier dieses grausigen Ungeheuers stoppen – John
Sinclair, der Geisterjäger von Scotland Yard!

Leseprobe

»Hier muss es irgendwo sein«, flüsterte Laura Patton. »Leuchte mal, Jim.«

Jim Cody, der junge Reporter, sah sich unbehaglich um.

»Angst, Jim?«, fragte Laura etwas spöttisch.

»Quatsch!«

Jim knipste die Taschenlampe an, die er in der rechten Hand hielt. Der starke Strahl geisterte durch die kahlen Büsche und zuckte über die verfallenen Mauern der alten Abtei.

»Noch ein paar Yards«, sagte Laura.

Die beiden jungen Leute schoben sich durch das Gebüsch. Laub knisterte unter ihren Füßen. Dann erreichten sie einen schmalen, mit Steinplatten ausgelegten Weg.

Laura krallte ihre rechte Hand in Jims Arm.

»Jetzt haben wir es bald geschafft, Jim.« Die Stimme des Mädchens klang vor Nervosität ganz heiser.

Auch Jim Cody musste sich selbst gegenüber eingestehen, dass er nervös war.

Laura Patton bückte sich plötzlich. Mit beiden Händen begann sie den Dreck und das Laub, das auf den Steinplatten lag, wegzuschaufeln.

»Ich hab’s!«, rief sie triumphierend. »Da, sieh doch, Jim!«

Der junge Mann ging auf die Knie. Im scharf gebündelten Strahl der Lampe sah er den Eisenring, der in einem Haken in einer Steinplatte hing. Haken und Ring waren gleichermaßen stark verrostet und schienen schon eine Ewigkeit lang nicht mehr benutzt worden zu sein.

»Hilf mir mal, Jim!«

Gemeinsam packten die jungen Leute den Ring und zogen mit aller
Kraft daran.

Langsam, unendlich langsam bewegte sich die Steinplatte. Der feine Sand in den Ritzen knirschte, als der Stein aus seiner waagerechten Lage nach oben gehievt wurde.

Schließlich war es geschafft. Mit einem dumpfen Laut kippte der Stein nach hinten.

Ein gähnendes Loch starrte die beiden jungen Leute an. Jim leuchtete mit der Taschenlampe in die Tiefe.

»Das ist eine Steintreppe, Jim! Los, die müssen wir runter!«

»Ist das nicht gefährlich?«

Laura lächelte verächtlich. »Wer wollte denn unbedingt das Grab der Hexe sehen?«

»Ich natürlich. Aber …«

»Kein Aber. Komm jetzt! Und du willst Reporter sein? Dass ich nicht lache.«

Während der letzten Worte hatte sich Laura schon an den Abstieg gemacht.

Vorsichtig setzte sie Fuß für Fuß auf die schmalen Steinstufen. Spinnweben streiften Lauras Gesicht. Eine fette Ratte huschte quiekend davon.

Jim Cody folgte Laura nur zögernd. Der junge Mann hatte tatsächlich Angst. Angst vor der eigenen Courage.

Die Treppe mündete in einen Felsengang. Gemauerte Rundbögen stützten in Abständen die Erdmassen oberhalb des Gangs. Auf dem Boden lag knöcheltiefer Staub. Kriechtiere huschten in die Ritzen und Spalten der Felswände.

Jim Cody ging vor. Der scharf gebündelte Lampenstrahl zerschnitt die Dunkelheit wie ein Messer.

»Wie weit ist es denn noch?«, fragte Jim.

»Laut Plan müssten wir gleich an eine Tür kommen. Und dahinter liegt das Grab der Hexe.« Laura wies mit der Hand nach vorn. »Da! Sieh doch, Jim. Die Tür!«

Tatsächlich. Aus der Dunkelheit schälten sich die Umrisse einer Holztür, die nach oben hin spitz zulief.

Jim Cody leuchtete die Tür genau ab. Sie hatte eine rostige Eisenklinke und war mit Metallbeschlägen verziert. Natürlich war alles im Laufe der Jahre vom Rost zerfressen worden.

Jim drückte probehalber auf die Klinke. Zu seinem Erstaunen schwang die Tür auf. Sie quietschte in den Angeln.

»Ob schon vor uns einer hier war?«, fragte Laura leise.

Jim zuckte nur die Schultern und schob sich in den darunterliegenden
Raum.

»Gräfin Barthonys Grabkammer«, flüsterte Laura fast ehrfürchtig.

Die Grabkammer war ein viereckiges Verlies, in deren Mitte ein steinerner
Sarkophag stand.

Langsam traten die beiden jungen Leute näher. Sie gingen auf Zehenspitzen, so als hätten sie Angst, die Ruhe der Gräfin Barthony zu stören.

»Ob wir den Sarg öffnen können?«, wisperte Laura.

»Ich weiß nicht.« Jim zögerte. »Das ist doch verboten.«

»Unsinn. Niemand weiß, dass wir hier sind. Komm, fass mal mit an!«
Laura ging an das Fußende des Sarkophags und fasste nach dem Deckel.

Jim klemmte sich die Taschenlampe
zwischen die Zähne und tat es dem jungen Mädchen gleich.

Gemeinsam begannen sie, den Deckel hochzuheben. Er war verhältnismäßig leicht.

»Komisch. Mir ist, als wenn man uns erwartet hätte«, sagte Laura.

Vorsichtig legten sie den steinernen Deckel auf den Boden.

Dann erst leuchtete Jim Cody in den Sarkophag.

Ein grässlicher Totenschädel starrte ihn an.
»Jim!«

Laura presste beide Arme um den jungen Mann. Der Anblick war doch nichts für sie.

Jim ließ den Strahl der Lampe weiterwandern.

Von der Gräfin war nur noch ein bleiches Skelett übrig.

Jim Cody sah Laura an. »Ist das alles, was du sehen wolltest?«

»Ja. Jetzt setzen wir den Deckel wieder auf.«

»Warum? Hier kommt sowieso keiner mehr hin.«

»Meinetwegen. Wäre auch nur unnötige Arbeit.«

Laura hatte ihren Schreck überwunden. Sie trat noch einmal dicht an den
Sarkophag heran und beugte sich über das Skelett. Als sie sich abwendete, stieß sie mit dem Handballen gegen eine scharfe Kante des Sarkophags.

»Au!«, schrie sie auf.

»Was ist denn?«, fragte Jim, der schon fast an der Tür war.

»Ich habe mich geritzt.« Laura hielt ihre Hand hoch. Das Blut lief wie ein
kleines Rinnsal an ihrer Hand hinab sammelte sich und tropfte nach unten.

Keiner der beiden jungen Leute bemerkte, dass einige Blutstropfen genau in den halb geöffneten Mund des Totenschädels fielen.

 

 

Der Mond hing als bleiche Scheibe an Himmel und versuchte vergeblich, die
Dunkelheit zu durchdringen.

Es war eine kühle Nacht. Bodennebel kroch schlangengleich zwischen Büschen und Sträuchern umher.

Eine schwarzgekleidete Gestalt schlich durch den verwilderten Park, der die Abtei umgab. Die Gestalt kannte sich aus. Zielstrebig umging sie natürliche Hindernisse und gelangte schließlich auf den Weg, der zum Grab der Gräfin führte.

Die Gestalt blieb stehen, als sie den offenen Einstieg sah. Ein lautloses Lachen schüttelte ihren Körper.

Es war erreicht! Endlich! Bald würde die Gräfin wiederkommen und ihren blutigen Terror fortsetzen, so wie sie es vor über zweihundert Jahren versprochen hatte.

Die Gestalt bückte sich und packte den Stein. Mit übermenschlicher Anstrengung schob sie ihn wieder in die alte Lage.

Den Grabschändern war der Rückweg abgeschnitten.

 

 

»Ich bin froh, dass wir hier wegkommen, Jim. Es ist doch unheimlich«, sagte Laura leise.

Jim Cody grinste. »Du hast es nicht anders gewollt.«

Seine Forschheit war nur gespielt. Aber was tut man nicht alles, um einer jungen Frau zu imponieren?

»Da ist schon die Treppe.« Jim deutete mit der freien Hand nach vorn. »Gleich haben wir es geschafft.«

Laura ging an dem jungen Reporter vorbei und nahm die ersten Stufen.

Plötzlich schrie sie auf. »Jim! Der Stein! Wir können nicht mehr raus! Die Öffnung ist zu!«

»Red keinen Quatsch!«

Jim Cody leuchtete nach oben.

Tatsächlich! Laura hatte recht. Der Stein war wieder in seine alte Lage geschoben worden.

Laura wandte Jim Cody ihr bleiches Gesicht zu.

»Wer hat das getan?«, flüsterte sie.

»Ich weiß es nicht«, gab Jim mit belegter Stimme zurück.

»Jetzt kommen wir nie mehr hier raus!«, rief Laura.

»Nun verlier nicht die Nerven, Mädchen«, beruhigte sie der Reporter. »Lass mich mal vorbei. Vielleicht kann ich den verdammten Stein hochstemmen.«

Jim nahm die Stufen und drückte sich oben mit beiden Schultern gegen den Stein.

Vergebens. Er bewegte sich keinen Millimeter.

»Jetzt müssen wir für immer hierbleiben, Jim, nicht wahr?«, fragte Laura mit flatternder Stimme.

»Unsinn!«, keuchte Jim vor Anstrengung. »Es gibt bestimmt noch einen anderen Ausgang.«

»Aber wo?«

»Den müssen wir eben finden.«
»Sollen wir es nicht doch lieber noch mal versuchen? Warte, ich helfe dir.«

Gemeinsam stemmten sich Laura und Jim gegen den Stein.

Sie schafften es nicht.
Laura begann zu weinen.
»Hätte ich doch nur nicht mitgemacht!«, schluchzte sie.

Jim gab keine Antwort. Er überlegte fieberhaft, wie sie aus diesem Labyrinth entkommen konnten.

Plötzlich hörten sie ein Geräusch. Es klang wie das Knarren einer Tür.

»Jim, was ist das?«

»Weiß ich auch nicht.«

Laura klammerte sich ängstlich an ihren Begleiter.

»Ich geh nach unten«, sagte Jim.

»Nein, Jim. Bitte nicht. Lass mich nicht auf der Treppe allein!«

»Gut, dann komm mit.«

Die beiden jungen Leute schlichen wieder die Stufen hinunter.

Schlurfende Schritte drangen an ihre Ohren. Sie kamen von der Grabkammer
der Gräfin her. Jim hielt die Taschenlampe gesenkt. Er wagte nicht, sie zu
heben und in den Gang zu leuchten. Die Angst lähmte seine Bewegungen.

Die Schritte wurden lauter. Gleichzeitig klang ein grässliches Stöhnen auf.

Lauras Fingernägel bohrten sich in Jims Arm. Er spürte es nicht.

Das unheimliche Stöhnen wurde lauter, drang fast schmerzhaft in die Ohren der beiden jungen Menschen.

Da hielt es Jim Cody nicht mehr länger aus. Er riss die Lampe hoch.

Der Strahl schnitt durch die Finsternis und traf eine grauenhafte Gestalt. Es war die Gräfin Barthony!

Personen:

  • Laura Patton
  • Jim Cody, Reporter
  • Lord Cheldham
  • Carter Broomfield, Bürgermeister
  • Lady Mary Cheldham, geborene Barthony
  • Konstabler
  • Bill Conolly, Reporter
  • Sheila Conolly, Bills Ehefrau
  • Gilda Moore, Stubenmädchen
  • John Sinclair, Inspektor bei Scotland Yard
  • Danie, Diener von Lord Cheldham
  • Elizabeth, Gräfin Barthony, Untote
  • Sam
  • Sergeant Percy Probster
  • Portier des King Hotels
  • Hathaway, Hotelier
  • Mrs. Appleton, Sekretärin des Bürgermeisters
  • Al, Irrer
  • Hausmädchen der Cheldhams
  • Mr. Davenport, Hotelier
  • Hugh O’Hara, Autofahrer
  • Evelyn, Hughs junge Frau

Orte:

  • Longford
  • Cheldham Castle

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 7. Bastei Verlag. Köln. 05. 12. 2017
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog.Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000

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