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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 50

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Viertes Buch
Verschwörung und Gegenverschwörung
Sechstes Kapitel

Worin Ugo Harrington in seiner wahren Gestalt erscheint

Während der Admiral, wie man erzählt, sich im Tower befand, hatte Ugo Harrington sich nach Whitehall begeben, um sich daselbst eine Unterredung mit dem Grafen von Warwick zu verschaffen. Dies gelang ihm. In dem Augenblick, wo der Diener ihn aufsuchte, befand sich Warwick, dem als Lordgroßkämmerer eine Reihe von Gemächern in Whitehall angewiesen war, allein in seinem Privatkabinett. Zwischen Ugo und den Dienern schien ein Einverständnis zu herrschen, denn sie hielten ihn nicht erst im Wartesaal auf, sondern führten ihn vor den Grafen.

Warwick, der an einem Tisch saß und schrieb, empfing den Besuch sehr förmlich, aber sie waren kaum allein, als sein Benehmen sich änderte und ganz familiär wurde.

»Ich sehe am Ausdruck Eures Gesichts, dass Ihr mir eine wichtige Mitteilung zu machen habt«, bemerkte er.

»Das habe ich, Mylord«, antwortete Ugo. »Mein Herr hat sich zum Tower begeben und will den Kommandanten dahin zu bringen versuchen, dass er ihm die Festung übergebe.«

»Ha«, rief Warwick, »das hofft er! Aber er wird sich täuschen. Sir John Gage ist fest wie Stahl und wird nimmer Verrat üben. Aber wie stehen die Dinge jetzt! Ist die Zeit zum Losschlagen gekommen?«

»Sie ist nahe, Mylord«, entgegnete Ugo.

»Um so besser!«, rief Warwick, sich froh die Hände reibend. »Der Admiral hat die Sache so lange verzögert, dass ich des Wartens ganz müde geworden bin.«

»Bei aller Ehrerbietung gegen Eure Lordschaft glaube ich, Eure Berechnung ist falsch«, entgegnete Ugo. »Ihr wollt den Aufstand ausbrechen lassen?«

»Das will ich«, antwortete Warwick. »Der Admiral muss sich vollständig kompromittieren, auf dass sein Sturz sicher sei.« »In dieser Beziehung bin ich anderer Ansicht als Eure Lordschaft. Habt Ihr nie bedacht, dass er reuffieren könnte? Seine Leute sind wohl organisiert.«

»Mag sein, aber die Insurrektion wird sofort niedergeschlagen werden.«

»Ich glaube nicht«, sagte Ugo, »und will Euch meine Gründe angeben. Der Lordprotektor hat, wie Ihr wisst, seine Popularität, die ihm der schottische Krieg verschafft hatte, gänzlich eingebüßt. Das ist meinem Herrn sehr günstig. Bei dem Kampf, der wahrscheinlich zwischen ihm und seinem Bruder ausbrechen wird, steht der König ohne Zweifel auf der Seite seines jüngeren Oheims. Das allein gibt ihm einen immensen Vorteil. Aber, wie gesagt, die Pläne meines Herrn sind so wohl organisiert, dass er wahrscheinlich Sieger bleibt. Er selbst baut sicher auf den Erfolg. Er verfügt über eine Macht von zehntausend Mann, die sein Signal zum Aufstand erwarten. Er besitzt Freunde, die jene Zahl verdreifachen werden. Die Führer der deutschen Landsknechte sind bestochen und werden mit ihren Leuten zu ihm stoßen. Ferner hat mein Herr die beiden festen Schlösser, Holt und Sudley, von denen besonders das Erstere wohl bemannt und verproviantiert ist, und dann hat er die Scilly-Inseln, um sich im Falle der Not dorthin zurückzuziehen. Ist er außerdem imstande, sich der Person des Königs zu versichern, so zweifle ich nicht an seinem Erfolg.«

»Ja, wenn er sich der Person des Königs versichern könnte, so gebe ich zu, dass Ihr recht haben könntet«, entgegnete Warwick, »aber das wird er nicht.«

»Eure Lordschaft unterschätzt seine Macht. Ihr werdet finden, dass er ein viel fruchtbarerer Feind ist, als Ihr denkt. Sollte er siegen, so wird er sich nicht damit begnügen, den Lordprotektor zu verdrängen, sondern er wird das ganze Gouvernement stürzen. Wie dann, wenn er imstande wäre, das Testament des verstorbenen Königs zu annullieren, auf den Grund hin, dass Seine Majestät sterbend und der Rede nicht mehr mächtig war. Werden nicht alle späteren Akte dadurch ungesetzlich, alle Ernennungen null und nichtig?«

»Unzweifelhaft. Aber das kann er nicht beweisen.«

»Er besitzt Doktor Butts’ Bekenntnis, und macht er davon Gebrauch, so ist der Lordprotektor dem Henkerblock verfallen, und alle Anhänger des Herzogs, Eure Lordschaft eingeschossen, werden in seinen Sturz verwickelt werden.«

»Verflucht!«, rief Warwick aus, indem er vom Stuhl aufstand und hastig auf- und abging. »Ihr habt recht. Der Ausbruch darf nicht stattfinden. Ich dachte, die Mine sprengen zu lassen, in der Meinung, dass die Explosion ihn und den Lordprotektor vielleicht ebenfalls vernichten würde. Aber jetzt sehe ich ein, dass sie mir selbst gefährlich werden würde.«

»Ich war überzeugt, dass Eure Lordschaft sich zu meiner Ansicht bekennen würde. Dieses Bekenntnis ist eine fürchterliche Waffe und es ist bereits mit gutem Erfolg Gebrauch davon gemacht worden. Eure Lordschaft wird erraten, bei welcher Gelegenheit.«

»Ah, ich verstehe!«, rief Warwick. »Bringt mir das Dokument, wenn Ihr könnt, Ugo, und fordert jeden Preis. Es müssen sofort Maßregeln ergriffen werden. Ich will mit meinen Kollegen darüber beraten. Er muss verhaftet, seine Papiere müssen mit Beschlag belegt werden.«

»Aber das bewusste Dokument könnte in die verkehrten Hände fallen«, sagte Ugo. »Eure Lordschaft muss mit der äußersten Vorsicht zu Werke gehen. Mein Herr ist wachsam und auf seiner Hut. es ist nicht leicht, seiner habhaft zu werden. Er geht nie ohne Wache aus und hat in Seymour House mehr als dreihundert bewaffnete Diener, die ihn aufs Äußerste verteidigen werden. Wenn er entwischt und nach Sudley oder Holt flieht, so bricht die Insurrektion aus und das ganze Land ist in Aufruhr. Ein Bürgerkrieg ist die Folge. Seine Verhaftung müsste ihn ganz unvorbereitet treffen.«

»Es soll so sein«, entgegnete Warwick. »Doch wenn er jetzt verhaftet würde, welchen Beweis seiner Schuld können wir dann beibringen? Wollt Ihr gegen ihn zeugen?«

»Wenn das Conseil mich befragt, so muss ich antworten. Am Besten aber wäre es, Sir William Sharington, den Münzmeister von Bristol, zu verhaften und ihn über die Art der Geschäfte, die er mit meinem Herrn gemacht hat, zu befragen. Zeigt er sich verstockt, so wird ihn die Folter zum Reden bringen, und dann habt Ihr genügenden Grund, den Admiral zu verhaften. Sharington hat Gold und Silber veruntreut, falsches Geld geprägt und sich auf Befehl und zugunsten meines Herrn noch anderer Betrügereien schuldig gemacht.«

»Ihr habt recht, Ugo. Wir wollen mit Sharington anfangen. Sogleich sollen Leute nach Bristol abgehen, um ihn zu verhaften, dann soll er in den Tower gesperrt werden.«

»Hütet Euch, dass mein Herr nicht Wind bekommt, oder Euer Plan wird vereitelt. Ich muss mich jetzt verabschieden, oder ich selbst könnte Argwohn erregen. Vertraut meiner Wachsamkeit! Wenn ich Doktor Butts’ Bekenntnis entwenden kann, so soll Eure Lordschaft es haben.«

Darauf ging Ugo fort.