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Wie der Wallfahrtsort Klausen entstand

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Zweites Bändchen

Wie der Wallfahrtsort Klausen entstand

Der viel besuchte Wallfahrtsort Klausen (südlich von Wittlich) verdankt seine Entstehung einem schlichten Landmann aus dem benachbarten Dorf Esch mit Namen Eberhard. Als Kind armer, aber braver Eltern wurde er im Jahre 1393 geboren. Er zeichnete sich von Jugend auf durch seine Herzensreinheit und seine kindliche Andacht zur Muttergottes aus. Lange sann er darüber nach, wie er ihr einen besonderen Dienst erweisen könne. Da kam ihm der Gedanke, ein kleines Bild der schmerzhaften Muttergottes im Wald in einen ausgehöhlten Baumstamm aufzustellen. Es war an derselben Stelle, wo die Gnadenkapelle steht. Damals war die ganze Gegend noch mit Wald und Wildland bedeckt. Von der bezeichneten Stelle aus konnte Eberhard die umliegenden Dörfer, in denen er als Tagelöhner dem Verdienst nachging, leicht erreichen. Morgens und abends, besonders an Sonn- und Feiertagen, pflegte er vor dem Bild zu beten.

Einst erschien ihm die Muttergottes im Traum in der Gestalt einer ehrwürdigen alten Frau und bat ihn, ihr ein Haus zu bauen. Allein wie sollte er, ein armer Arbeiter, das vollführen? Die Erscheinung aber wiederholte sich öfters. Da weihte er seinen Seelsorger, den Pastor Johann zu Sehlem, in sein Geheimnis ein. Dieser bestärkte und ermunterte ihn zur frommen Tat. Um die erforderlichen Mittel zu erlangen, wandte er sich zunächst an seine Verwandten in Sehlem. Diese aber lachten ihn aus und nannten seinen Plan Torheit und Schwärmerei. Das schmerzte ihn zwar, konnte ihn aber nicht anderen Sinnes machen. Voll Vertrauen auf die Hilfe der Muttergottes suchte er anderwärts Freunde und Unterstützung. Er fand sie. Wohlhabende Bauern ließen sich bereitfinden, ihm hilfreiche Hand zu leisten.

Zunächst galt es, Grund und Boden für den Bau eines Kirchleins zu erwerben. Die Stelle, wohin Eberhard bauen wollte, gehörte den reichen Freiherren Wilhelm und Gottfried von Esch. Sie schenkten Eberhard mit Freuden den Bauplatz, den Gottfried selbst mit einer Schnur abmaß. Als er Eberhard den Rücken zuwandte, schob dieser die Schnur etwas weiter hinaus, um einen größeren Platz zu bekommen. Gottfried bemerkte das und sagte freundlich lächelnd mit mildem Vorwurf: »Lieber Bruder Eberhard, deine Dürftigkeit ist groß, und deine Mittel sind klein. Siehe zu, dass es dir nicht ergehe wie dem Mann im Evangelium, der das Fundament so groß machte, dass er den Bau nicht vollführen konnte.«

Eberhard erwiderte: »Gnädiger Herr, seid darum unbesorgt. Die mir zu bauen befohlen hat, wird mir auch die Mittel bieten, dass ich den Bau vollenden kann.«

Alsbald wurde der Bau begonnen. Die Bewohner der umliegenden Ortschaften gruben die Fundamente und schafften auf ihren Fuhrwerken die Steine herbei, namentlich von einem eingestürzten Haus auf der Höhe des Piesporter Berges, alles um Gotteslohn. Das Häuschen, das so zustande kam, war ungefähr drei Schritte lang und zwei Schritte breit. Es glich den Heiligenhäuschen, die man heute noch vielfach im Freien findet. Es hatte drei Mauern, je eine gegen Süden, Osten und Westen; nach Norden blieb es offen.

Eberhard verkaufte nun alles, was er hatte, um das Häuschen entsprechend ausstatten zu können. Er bestellte in Trier ein neues, größeres Muttergottesbild und kaufte sich eine kleine Glocke und einen hohen Leuchter von Eisen. Das Bild, aus weißem Sandstein verfertigt, ist etwa 1,20 Meter hoch und 0,84 Meter breit. Es zeigt in anmutig schöner, eindrucksvoller Darstellung vier Personen: außer der schmerzhaften Mutter und Jesus auch noch Johannes und Maria Magdalena. Es ist das eigentliche Gnadenbild, das heute noch verehrt wird. Eberhard stellte es in der Nische der Südwand auf. Das war im Jahre 1434. Vor dem Bild stand der Leuchter. Die offene Seite des Häuschens ließ er durch ein Gitter abschließen; auch hängte er die Glocke auf.

Bald kamen auch andere Leute zu dem Häuschen der Muttergottes, wo viele die Hilfe ihrer Fürbitte erfuhren. Sie opferten Geld, das sie zu dem Gitter hineinwarfen. Da die Opferpfennige einst entwendet wurden, baute Eberhard sich neben die Kapelle zu deren Schutz eine Hütte, in der er fortan wohnte. Das war die Klause Eberhards; daher der Name Eberhardsklausen oder kurzweg Klausen. Eberhard kleidete sich wie ein Ordensmann; er trug einen langen, grauen Rock und darüber einen Mantel mit einer Kapuze. Von nun an weihte er sich ganz dem Dienste Gottes und seiner schmerzhaften Mutter.

Eine große Freude gewährte es ihm, Zeuge sein zu dürfen von mancher wunderbaren Gebetserhörung. Der Erste, der die Macht der Fürbitte der Muttergottes erfuhr, war ein Lahmer, der auf einem Pferd herbeikam und seine Krücken bei sich führte. Er betete voll Vertrauen und verließ die Gnadenstätte völlig geheilt. Zum Andenken an seine Heilung hängte er die Krücken in dem Kapellchen auf und hinterließ sein Pferd als Opfergabe. Er verkündigte voll Freuden überall die große Gnade, deren er gewürdigt worden war, und bald sah man große Scharen frommer Beter und Hilfe suchender Menschen nach Eberhardsklausen ziehen.

Eberhard musste bald eine schwere Prüfung bestehen. Der Pfarrer und Dechant Johannes Ordonis von Piesport, in dessen Pfarrbezirk die Klause Eberhards lag, wurde auf die darin verrichteten Gebete und Andachten aufmerksam. Er war der Ansicht, dass dadurch der Pfarrgottesdienst beeinträchtigt werden könne, weshalb er sie nicht weiter dulden dürfe. Einen Grund, bei der geistlichen Obrigkeit gegen Eberhard klagbar werden zu können, fand er in dem Vorgehen des Hauskaplans der Freiherren von Esch. Gottfrieds Gemahlin war schwer erkrankt und nahm ihre Zuflucht zur Muttergottes. Sie beauftragte ihren Kaplan, auf einem tragbaren Altar in der Kapelle zu Klausen das heilige Messopfer nach ihrer Meinung darzubringen. Das tat er, ohne die notwendige Erlaubnis des Dechanten von Piesport eingeholt zu haben. Er wurde daraufhin bei der erzbischöflichen Behörde verklagt, und diese ordnete an, dass das Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes von Eberhardsklausen in die Piesporter Pfarrkirche zu St. Michael gebracht werden müsse. Es war ein großer Schmerz für Eberhard, das zulassen zu müssen. Damit aber war es noch nicht genug. Als der Freiherr Wilhelm von Esch erfuhr, was vorgefallen war, wurde er zornig und ließ den armen Eberhard zu Grames festsetzen und bewachen, weil er ihn von dem Vorgang nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt habe. Unter der Bevölkerung entstand eine große Bewegung, und man verwandte sich bei der geistlichen Obrigkeit um Rückgabe des Gnadenbildes. Das wurde gestattet, und der Dechant von Piesport lieferte es ohne Zögern an den aus seiner Haft entlassenen Eberhard wieder aus. Welche Freude war das für ihn! Es kam wieder auf seinen alten Platz, und die Andacht zu dem Gnadenbilde lebte von Neuem auf. Da die Opfergaben immer reichlicher flossen, konnte Eberhard bereits im Jahre 145 daran gehen, die bisherige Kapelle abzubrechen und an deren Stelle eine größere zu bauen. Wiederum fand er von allen Seiten tatkräftige Unterstützung, und bald war die neue Kapelle, die fünf Schritte lang und ebenso breit war, vollendet. Es wurde ein Altar darin aufgestellt, und in der Mauer dahinter befand sich das Gnadenbild. Von nun an wurde auch das heilige Messopfer in der Kapelle dargebracht.

Schon nach zwei Jahren war Eberhard imstande, an die Kapelle eine größere Kirche anzubauen, die auch einen Turm erhalten sollte. Der Erzbischof von Trier, Jakob I. (von Sierck 1439 bis 1456), gab ihm einen tüchtigen Baumeister, Peter von Clüsserath, an die Hand, der den Bau leitete. Ein eigentümliches Vorkommnis sollte den raschen Fortgang des Unternehmens stören und seinen Fortbestand vorübergehend ernstlich infrage stellen.

Der berühmte Kardinal Nikolaus von Cues war um diese Zeit vom Papst nach Deutschland geschickt worden, um etwaige kirchliche Missbräuche zu beseitigen. Manche Erfahrungen hatten ihn gegen neue Wallfahrten misstrauisch gemacht, und er machte dem Erzbischof Vorhaltungen darüber, dass er den Bau der Kapelle in Klausen und die Wallfahrten dorthin geduldet habe. Er wollte die Sache an Ort und Stelle persönlich untersuchen. Als Eberhard erfuhr, dass ihm so hoher Besuch in Aussicht stehe, gab er sich Mühe, den berühmten Mann recht ehrenvoll zu empfangen. In seiner Einfalt stellte er, ohne etwas Schlimmes zu ahnen, in der Mitte der Kapelle – sonst hatte er keinen geeigneten Platz – einen Tisch mit Brot und Käse auf, damit sich der Kardinal stärken könne. Der Kirchenfürst aber erzürnte darüber so sehr, dass er befahl, den Bau einzustellen. Dann begab sich jener nach Cues. Am anderen Morgen reiste ihm Eberhard dahin nach und bat ihn um Aufhebung des Verbotes; aber er fand kein Gehör und kehrte sehr betrübt und schweren Herzens nach Klausen zurück, sein Herzeleid der Muttergottes klagend.

Der Kardinal begab sich inzwischen weiter nach Aachen. Dort erkrankte er sehr bedenklich, sodass seine Schwester zur Pflege herbeieilte. Die bedeutete ihm, die Krankheit sei eine Strafe des Himmels für die dem frommen Eberhard erwiesene Behandlung. In ihrem Diener habe er die Muttergottes selber beleidigt. Diese Vorstellungen machten Eindruck auf den Kranken, und er erkannte, dass er in übertriebenem Eifer gehandelt habe. Alsbald sandte er einen Boten nach Klausen mit dem Auftrag, das erlassene Verbot wieder aufzuheben und Eberhard zum Weiterbau zu ermuntern sowie seiner Unterstützung zu versichern. Kurze Zeit nachher war der Kardinal wieder vollkommen gesund.

Der Bau der Kirche wurde nun rasch weitergeführt, und schon im Jahre 1449, am Fest Mariä Verkündigung, konnte sie eingeweiht werden. Erzbischof Jakob I. kam selbst nach Klausen, um die Einweihung der Kirche persönlich vorzunehmen. Große Volksmassen waren zu dieser Feier herbeigeeilt. Schon am ersten Tag war alles vorrätige Brot aufgezehrt worden. Der Erzbischof musste Nahrungsmittel von Pfalzel, Bernkastel und Wittlich kommen lassen.

Eberhard überlebte diese glänzende Feierlichkeit nicht lange. Am 3. September 1451 starb er im Alter von 58 Jahren. Sein Leichnam wurde in einem bleiernen Sarg vor dem Altar in der Kapelle beigesetzt. Der Sarg trug die Inschrift Frater Eberhardus hic nudos collocat artus (d. i.: Hier ruhen die müden Gebeine des Bruders Eberhard).

Nach dem Tod Eberhards galt es, seine aufblühende Stiftung würdigen Händen anzuvertrauen. Der Erzbischof berief deshalb Mönche der regulierten Chorherren vom heiligen Augustinus aus dem Kloster Windesheim, die durch ihren erbaulichen Lebenswandel weithin berühmt waren, nach Klausen. Sie hatten Wohnungen, Ställe und Scheunen zu bauen. Später wurde der ganze Klosterbering mit einer Mauer umgeben. Der Prior erbaute, da die bisherige nicht mehr genügte, die jetzt noch stehende große Klosterkirche, die 1502 eingeweiht wurde. Auch vollendete er die übrigen Klostergebäude und erwarb dem Stift einen ansehnlichen Grundbesitz. 1802 wurde das Kloster aufgehoben. Die Kirche dient jetzt als Pfarrkirche.