Das blutende Land – Im Gespräch mit Klaus N. Frick
Das blutende Land – Im Gespräch mit Klaus N. Frick
Alexandra Trinley: Klaus, im September 2017 hat Droemer Knaur deinen Fantasy-Roman Das blutende Land veröffentlicht – überraschend für die breite Öffentlichkeit, die dich vor allem als Chefredakteur von Perry Rhodan kennt.
Klaus N. Frick: Ich wollte ja eigentlich kein Redakteur werden, sondern Autor. Meine ersten Geschichten schrieb ich – ungelogen! – in der Grundschule, meine ersten Veröffentlichungen hatte ich mit elf, zwölf Jahren in einer Schülerzeitung. Mit 15 Jahren veröffentlichte ich meine ersten Kurzgeschichten, und das waren immer SF- oder Fantasytexte. Vor allem in den 80er-Jahren habe ich sehr viele Kurzgeschichten in Fanzines oder Anthologien untergebracht. Bei den meisten würde ich heute sagen, dass sie nicht gut waren – aber ich lernte viel. Auch »biografisch eingefärbte« Geschichten gab’s früh, die dann immer öfter einen »punkigen« Hintergrund hatten.
Alexandra Trinley: Deine Peter Pank-Romane haben mir gut gefallen – wie der junge Punk freundlich, verwirrt und betrunken durch die deutsche Gesellschaft der 1980er-Jahre stolpert. Die Geschichten schreibst du heute noch im Ox-Fanzine weiter, ja?
Klaus N. Frick: Die »Peter Pank«-Geschichten sind ein längeres Thema, das ich ein wenig abkürzen muss. Anfangs war es ein Fortsetzungsroman, der in der Mitte der 90er-Jahre in der Zeitschrift Zap veröffentlicht wurde. Als diese eingestellt wurde, setzte ich die Serie im Ox fort, das nach wie vor erscheint und unter anderem im gut sortierten Zeitschriftenhandel zu haben ist. Der erste Roman wurde schon 1998 erstmals als Buch veröffentlicht, trägt den Titel Vielen Dank, Peter Pank und spielt im September 1986, mit Rückblenden aber auch in die frühen 80er-Jahre. Der zweite Roman kam 2006 als Buch heraus, er heißt Chaos en France und spielt in Südfrankreich, konkret in Avignon und Perpignan und auf den Straßen dazwischen. Der dritte Roman liegt noch nicht als Buch vor, er heißt Und: Hardcore! und schildert, wie sich Punk um 1987 in Hardcore zu verwandeln schien. Derzeit schreibe ich an einem neuen Roman, der den schönen Titel Der gute Geist des Rock’n’Roll trägt und den Punk des Jahres 1996 zeigt.
Alexandra Trinley: Und deine erste Fantasy-Novelle war Sardev. Die spielte nun nicht in Deutschland.
Klaus N. Frick: Nein. Sardevs Heimat heißt Patloren. Diese Geschichte, die in den 80er-Jahren entstand, spielt auf einer Inselwelt; zu dieser hatte ich immer Ideen gesammelt. Das Rif-Gebirge in Marokko hatte mich 1983 unglaublich fasziniert, auch manche trockene Region im Inneren von Spanien fand ich völlig geheimnisvoll – für einen jungen Menschen, der gewissermaßen aus dem Wald kam, war das natürlich schon mal reine Fantasy. Während solcher Reisen entstanden immer mehr Ideen zu Sardev, der in den ersten Texten schon eher einem Idealbild von mir selbst ähnelte und noch keine gebrochene Figur war.
Nach meiner Bundeswehrzeit setzte ich mich hin und schrieb einen ersten Fantasy-Kurzroman, meinetwegen ist es auch eine Novelle. Ein Krieg geht zu Ende, ein moralisch ruinierter Mann zieht durch ein Land, dessen Bewohner sich auf weiteren Schrecken einstellen. Ich wurde 1986 fertig, ließ den Text lange in der Schublade und veröffentlichte ihn erst 1991: einerseits im Eigenverlag, andererseits als Sonder-Fanzine im ATLAN-Club Deutschland. Als in den Nuller-Jahren der Basilisk-Verlag auf mich zukam und fragte, ob ich nicht etwas hätte, dass sie veröffentlichen könnten – so in etwa … –, bearbeitete ich den Text noch einmal gründlich, und er wurde als kleines Paperback veröffentlicht.
Alexandra Trinley: Auf einer Lesung im Pfälzer Hinterland hast du mir dieses Büchlein signiert mit »Fantasy ohne Herzschmerz – in Münchweiler und Patloren«, und darauf hingewiesen, dass weder Elfen noch Orks drin sind. Warum ist dir das wichtig?
Klaus N. Frick: Ich habe weder etwas gegen Elfen noch Orks, beide Völker haben die Fantasy immer wieder bereichert. Aber ich mag grundsätzlich viel lieber Literatur, die von Menschen handelt. Und ich wollte in diesem Fall eine realistisch anmutende Welt schildern, die zwar phantastische Elemente aufweist, aber eben auch eine Rückkopplung auf unsere Realität zulässt. Da hätten Elfen und Orks nicht gepasst – durch solche Völker wird man sowohl als Autor als auch als Leser immer in eine bestimmte Richtung gelenkt, die ich nicht wollte.
Alexandra Trinley: Dass man sich in einer Art und Weise aus der Realität träumt, die nichts Phantastisches mehr an sich hat, weil man sich betäubt? Ich frage das, weil mir mitten in der Lektüre von Sardev auffiel, dass das Meiste echt ist. Die brennenden Dörfer kann man überall finden, wo Krieg herrscht, und die Hure Kossti ist genauso launisch wie andere junge Mädels aus problematischem Umfeld, die dringend ein wenig Unterstützung bräuchten, um nicht unterzugehen. Das bisschen Magie koloriert eigentlich nur.
Klaus N. Frick: Ich habe nichts gegen Fantasy, die die Leute bewusst in eine fremde Welt entführt und sie nicht mit der Realität konfrontiert. Für solche Bücher gibt es gute Gründe, und es leuchtet auch ein, dass sie erfolgreich sind. Ich wollte aber einen Roman schreiben, der so realitätsnah ist, wie man das schreiben kann. Machen wir uns nichts vor: Was heute in der Welt vorgeht, ist alles schrecklicher und grausiger als alles, was ich in diesem Roman nur andeute. Es hilft, ab und zu mal eine längere Reportage oder ein Sachbuch zu Konflikten in der sogenannten Dritten Welt zu lesen …
Alexandra Trinley: Und die Blutenden Lande erzählen Sardev Örhuns Geschichte weiter.
Klaus N. Frick: Beide Romane spielen im selben Land und mit denselben Figuren – sie hängen also auch inhaltlich zusammen. Wenn man möchte, ist Das blutende Land der erste Teil einer Art Serie, die in oder auf der Inselwelt existiert. Die Sardev-Novelle hängt damit zusammen, entstammt aber auch einer früheren Zeit – so wurden die Namen ja teilweise für Das blutende Land angepasst. Ganz wichtig ist mir aber eines: Man kann beide Texte völlig unabhängig voneinander lesen.
Alexandra Trinley: Die Landschaft von Patloren hast du nach Eindrücken aus deinen Afrikareisen gestaltet. Was beschäftigt dich an dieser Atmosphäre?
Klaus N. Frick: Als ich 1983 zum ersten Mal durch Marokko und damit ein afrikanisches Land fuhr, faszinierte mich der Gegensatz aus karger Erde und teilweise unwirklicher Weite. Ich glaube, das war für mich einfach die Exotik des Gegensatzes: Der Schwarzwald mit seinen Wäldern und den immergrünen Wiesen war dagegen einfach eine ganz andere Welt, und die war ich gewöhnt. Im Rif-Gebirge kam ich mir vor wie auf einem fremden Planeten – viel fremdartiger als die meisten Welten, die in Science-Fiction-Romanen präsentiert wurden …
Alexandra Trinley: Und in Patloren es gibt auch weder den großen Herzschmerz noch Orks und Elfen. Auch keinen Hochadel. Stattdessen gibt es Geisterwölfe, in denen die Seelen Verstorbener sitzen, sodass man sich jede Menge Ärger einfangen kann, wenn man sie tötet. Was bedeutet dir der Wolf?
Klaus N. Frick: Der Wolf an sich bedeutet mir nichts, ich habe keine besondere Beziehung zu Wölfen, halte sie in Deutschland vor allem für mythologische Tiere. Das steckt offenbar in vielen Menschen ähnlich tief drin. Für mich war verwirrend, dass offenbar einige Leser eine Gestaltwandler-Geschichte erwartet haben – und nicht das, was im Buch steht. Bei einem Wolf assoziieren manche Leute offenbar gleich einen Werwolf und sonst nichts anderes; das fand ich echt seltsam. Daran hatte ich nicht einmal auch nur ansatzweise gedacht. Dass Sardev von einem Geisterwolf befallen wird, stand in der allerersten Fassung der Sardev-Geschichten schon fest. Ich fand die Vorstellung spannend, dass ein Mensch von einem vorgeblich primitiven Bewusstsein übernommen wird und sich dann so etwas wie eine Gemeinschaftsexistenz ausbilden könnte …
Alexandra Trinley: Eine vorgeblich primitive Gemeinschaftsexistenz statt der Hierarchie der Hohen Fantasy. Weder Adelige, Elfen noch Orks … welches Personal hast du denn nun?
Klaus N. Frick: Die Hauptfiguren in Das blutende Land sind schlicht Menschen, nicht mehr und nicht weniger. Im Prinzip erzähle ich die Geschichte aus der Sicht von vier sehr unterschiedlichen Menschen. Die Hauptperson ist Sardev, ein 16 Jahre alter Junge, der noch ein wenig töricht ist und allerlei Flausen im Kopf hat, der aber vor allem auch an Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit glaubt. Sein eigentlicher Gegenspieler ist Shorrn Mekeis, ein Raureiter, also ein Angehöriger der Sicherheitskräfte im Land Patloren, ein ziemlich brutaler Kerl, der aber komplett ins System passt. Als Angehöriger des »Herrschervolkes« der Eskoher ist der Verwalter Nesh-Tilan ebenfalls ein Gegenspieler, aber einer, der sich eigentlich gar nicht um die Kämpfe zwischen Bauern und Raureitern kümmern möchte. Undurchsichtig ist Zarg-Nolesa, eine junge Frau, die mit einer ganz eigenen Agenda im Land unterwegs ist, die gebildet ist und schreiben kann, die aber eigentlich alle anderen Menschen verachtet.
Alexandra Trinley: Du lässt das Ganze auf die soziale Frage hinauslaufen – die »Großkopferten«, wie man in Süddeutschland die Mächtigen nennt, verheizen die Leute, und jeder sucht seinen Weg nach oben, um dabei nicht draufzugehen.
Klaus N. Frick: Das ist in gewisser Weise eine Folge meiner Weltsicht und meines Blicks auf die Geschichte. Was hat sich durch viele Revolutionen und Befreiungskriege denn wirklich für die Betroffenen geändert? Die Bauern blieben arm, die mussten das Land ernähren; der Adel war reich und wurde reicher, irgendwann trat das Bürgertum an seine Stelle. Ausnahmen bestätigen die Regel – aber die meisten Kriege halfen nur der Oberschicht, wenn überhaupt, während die armen Leute nie davon profitierten. Höchstens, wenn sie in der siegreichen Armee waren und entsprechend morden und plündern »durften«. Ich finde in dieser Frage einen Teil der Fantasy immer höchst verlogen: Die positiven Helden sind letztlich ja oftmals nichts anderes als kriegstreibende Monstren, und auf ihrer Seite gibt es natürlich nie irgendwelche Verbrechen … Ganz ehrlich: Ich halte das für höchst unglaubwürdig.
Alexandra Trinley: Was sich nach einem durchaus ungewöhnlichen Fantasyroman anhört. Wo kann man mal reinlesen?
Klaus N. Frick: Wer sich für den Roman interessiert und nicht so richtig weiß, ob das etwas für ihn oder sie ist, schaue sich die Leseprobe an, die es kostenlos im Netz zu lesen gibt. Es sind die ersten Szenen des Romans, und sie geben meiner Ansicht einen guten Einblick.
Hier ist alles zu finden.
Alexandra Trinley: Vielen Dank für die Auskünfte.
Klaus N. Frick: Danke für die Fragen und die Möglichkeit, mich hier auszubreiten …