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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Dreißigste Erzählung

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil

Dreißigste Erzählung

Von einer Wöchnerin, welche unmittelbar nach ihrem Tod spukte, um einen bösen Mann, der sie im Leben viel geängstigt hatte, zu erschrecken

Zu Rengerschlag, einem altmärkischen Dorf unweit Werben in der sogenannten Wische, lebte um das Jahr 1730 eine reiche Bauersfrau mit Namen Falken, die das Unglück hatte, einen sehr bösen und geizigen Falk zum Ehemann zu haben. Dieser war beständig mit ihr unzufrieden, ohne eine andere Veranlassung dazu zu haben, als dass sie, wenn sie hoch schwanger war, die sonst verrichteten schweren Arbeiten nicht gut übernehmen konnte, und doch dabei aß und trank wie ein gesunder Mensch. Ungeachtet ein jeder diese Frau als eine arbeitsame, unverdrossene und sehr rechtschaffene Hausfrau kannte, so glaubte doch er allein, dass sie bloß aus Faulheit in ihrem hochschwangeren Zustand nicht so arbeite, wie sonst. Seine Seele dachte an nichts mehr als an das Wuchern und Zusammenscharren. Zuletzt gönnte er weder seinen kleinen Kindern, die noch nicht arbeiten konnten, noch seiner guten Ehehälfte den Bissen Brot, den sie zur Erhaltung ihres Lebens täglich in den Mund steckten.

Der Frau war daher immer vor nichts so bange, wie vor den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft. Er hingegen ärgerte sich immer schon beinahe neun Monate zuvor, dass ihm die Wöchnerin in dem bevorstehenden Kindbett allerlei Kosten verursachen werde, ohne sie abverdienen zu können. Dies war nun auch besonders wieder der Fall während der letzten Schwangerschaft der Frau Falken. Oft wünschte sie sich den Tod, um der durch einen solchen Unmenschen ihr zugefügten Qualen endlich auf immer überhoben zu sein, und er stimmte in diesen ihren Wunsch mit ein, um die Kosten des Wochenbettes zu ersparen. Beiden wurde dieser Wunsch diesmal gewährt. Die arme Dulderin starb, nicht beweint von ihrem teuflischen Mann, in Kindesnöten, ohne dass das Kind, welches sie unter ihrem Herzen trug, das Licht der Welt erblickte.

Kaum hatte sie den Geist aufgegeben, so warf Bauer Falk sie in eine finstere, dumpfige Kammer, die er verschloss, und ging hin, um ihr einen Sarg zu bestellen. Alle im Dorf, bloß ihr Mann nicht, betrauerten im Herzen den frühen und geschwinden Tod einer so guten Frau. Viele meinten auch, sie würde nun gewiss spuken, um ihren hinterlassenen, gottlosen Mann dadurch zu bestrafen, und alle Mädchen und Frauen in Rengerschlag vor diesem Unmenschen zu warnen.

Wie gedacht, so geschehen! Sie lag kaum eine Stunde in der verschlossenen Kammer, so hörte man ein gewaltiges Poltern in derselben. Allen, die anwesend waren, grauste die Haut über dieses wundersame Geräusch. Die Furchtsamen und die Kinder liefen davon und mieden ein Haus, in welchem die kaum verschiedene Wirtin schon spukte, da sie noch nicht einmal begraben war. Wenn das heute schon anfängt, dachten sie, was wird nicht erst künftig noch geschehen! Auch die einfältige Geburtshelferin stimmte in diese Bemerkung mit ein und ging davon.

Bloß die damalige Dienstmagd im Falk’schen Haus, die erst kürzlich in Sandau verstorbene Witwe Heuer, wusste nichts von Furcht vor dem Spuken ihrer verstorbenen Hausfrau, die im Leben so gut und so schätzenswert gewesen war. Und obwohl auch ihr bei dem Anhören des noch immer fortdauernden Polterns der Angstschweiß ausbrach, so geschah es doch keineswegs vor Furcht und Graulichkeit, sondern allein aus Liebe zu der Verstorbenen und aus geheimer Besorgnis, dass diese vielleicht noch nicht völlig tot gewesen sei, da der Hausherr sie in die Kammer warf. Sie äußerte ihm sogleich diese Gedanken und bat ihn inständigst, die Tür zur spukenden Kammer geschwind zu öffnen, um sich zu überzeugen, dass ihre gute Hausfrau wirklich gestorben sei. Allein der Unmensch weigerte sich nicht nur, ihr den Schlüssel zur Kammer zu geben, sondern schalt ihr noch obendrei und bedrohte sie mit Misshandlungen, wenn sie nicht sogleich das Maul halten und aufhören würde, dergleichen unnütze Bedenklichkeiten, törichte Zweifel und naseweise Wünsche zu äußern.

Was sollte nun die gute Magd machen? Ihr blieb weiter nichts übrig, als das noch immer nicht ganz aufhörende Poltern mit angstvollen Besorgnissen anzuhören, in aller Geschwindigkeit den Nachbarsleuten davon zu erzählen und ihnen ihre Vermutungen mitzuteilen. Hätte nur die fatale finstere Kammer wenigstens ein Fenster gehabt, so würde sie durch diese Lichtöffnung hinein gesehen und sich so zu überzeugen gesucht haben, ob die Verstorbene tot sei oder lebe. Endlich brachte sie es doch durch ihr fortgesetztes Jammern dahin, dass die Verwandten des Hauses selbst anfingen, zu glauben, dass das bisher mit Furcht und Entsetzen angehörte spukhafte Poltern vielleicht doch wohl seine natürlichen Ursachen haben könne. Und obwohl dieses rätselhafte Geräusch bereits gänzlich aufgehört hatte, so drangen sie doch endlich mit Ernst darauf, dass der Hausherr die Kammertür aufschließen sollte, um zu sehen, ob etwa die in Kindesnöten Verstorbene sich wunderbarerweise wieder erholt habe und ins Leben zurückgekehrt sei.

Zu eben dieser Zeit brachte man auch den bereits fertig gewesenen Sarg. Bauer Falk schloss nun die Kammer auf, nicht sowohl, um das dringende Verlangen seiner Verwandten zu erfüllen, als vielmehr, um mit deren Hilfe die so ganz nach seinen Wünschen verschiedene Frau in den angekommenen Sarg zu legen.

Kaum war die Tür aufgemacht, so verschwand bei einem jeden der Glaube an ein hier zugegen gewesenes Gespenst. Wer gespukt und jenes Poltern allein hervorgebracht hatte, das lag jetzt einem jeden klar vor Augen. Man schlug mit Entsetzen die Hände über den Kopf zusammen. Man verwünschte die dumme Hebamme. Man fluchte dem eigensinnigen Hausherrn. Denn sie erblickten die Wöchnerin in ihrem Blut und ein in dieser Kammer erst geborenes totes Kind an ihrer Seite. Die Mutter in diesem ihrem hilflosen Zustand schien soeben erst wirklich gestorben zu sein. Man fand sie in einer veränderten Lage, und das rechte Knie hatte sie, wahrscheinlich unter den Schmerzen des Todeskampfes, an den Unterleib herangezogen; ein sicherer Beweis, dass sie bei der Entbindung noch lebte.

Wer hat nun hier Frau und Kind ums Leben gebracht? Wer hat hier zwei Menschen zugleich ermordet? Etwa der teuflische Falk, der es seiner Magd, der guten Frau Heuer, abschlug, die Kammer zu öffnen, da es vielleicht noch Zeit war, der Gebärenden zu Hilfe zu kommen? Nein! Die Dummheit, die Gespensterfurcht, die Meinung, dass die Verstorbene in ihrer Kammer spuke – also der Aberglaube – der hat gemordet. Denn hätten die Verwandten bes Hauses den vernünftigen Bemerkungen der Frau Heuer früher Gehör gegeben, und früher bedacht, dass jenes Geräusch in der Kammer gewiss nicht von einem spukenden Poltergeist, sondern von der nur scheinbar toten Hausfrau herrühre. Wer hätte sie dann hindern wollen, schleunigst und selbst mit Gewalt auf die Öffnung der Kammer zu dringen und der Dulderin und ihrem Kind die schuldigen Hilfeleistungen angedeihen zu lassen?

Wehe den Abergläubigen, welche Gelegenheit haben, sich eines Besseren belehren zu lassen, aber aus Eigensinn oder Trägheit ihre gefährlichen Meinungen und schädlichen Vorurteile nicht fahren lassen wollen!