Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Das Steppenross – Kapitel 18 – Teil 3

Das-SteppenrossEduard Wagner
Das Steppenross
Eine Erzählung aus dem Jahr 1865 zu den Zeiten des amerikanisch-mexikanischen Krieges, nach dem Englischen des Kapitän Mayne Reid

Kapitel 18
Das Comanchen-Lager
Teil 3

Das Ufer, welches sich senkrecht eine halbe Elle über die Oberfläche erhob, reichte aus, mich meiner ganzen Länge nach und auch die Stirn meines Pferdes zu verbergen.

Da die Federn des indianischen Kopfputzes über die Oberfläche des Rasens hervorragten und auffallend erschienen, nahm ich den Zierrat ab und trug ihn in der Hand. Meinen Mantel von Jaguarfell schlug ich um die Schultern, damit er nicht nass werde und aus demselben Grund hielt ich meine Pistolen über dem Wasser.

Nachdem ich mich zweihundert Schritte vom Gebüsch entfernt hatte, blickte ich zurück. Ich wollte mir die Lage des Hügels und den Ort merken, wo meine Kameraden versteckt waren, denn ich durfte mich nicht in der Richtung irren, falls ich schnell verfolgt wurde.

Es ließ sich nicht schnell vorwärtskommen. Das Wasser hatte eine verschiedene Tiefe, reichte mir aber gewöhnlich bis an die Hüften, sodass ich nur langsam waten konnte.

Meine Bewegung wurde noch dadurch langsamer, dass ich genötigt war, den Kopf und den meines Pferdes unterhalb des Ufers zu halten. Oft war ich gezwungen, mit gebogenem Rücken vorwärtszuschreiten und die Nase meines Pferdes auf das Wasser hinunter zu ziehen.

An verschiedenen Stellen hielt ich an, um zu ruhen, denn meine Kräfte waren allmählich erschöpft, und der Atem verging mir. Dies war namentlich der Fall, wenn ich mich bücken musste. Meine Ruheplätze wählte ich daher da, wo das Bett so tief war, dass ich aufrecht stehen konnte.

Gern hätte ich mich fortwährend aufrecht gehalten und das Lager im Auge behalten. Ich wollte die Entfernung und das Lager genau schätzen, aber ich durfte es nicht wagen, den Kopf über das Ufer zu erheben. Der Uferrasen war so glatt wie eine gemähte Wiese und hatte einen ebenen Rand. Hätte ich auch nur die Hand darüber erhoben, so würde sie beim klaren Licht zu sehen gewesen sein.

Nachdem ich ein Stück aufs Ungewisse vorwärtsgekommen war, vermutete ich in der Nähe des Lagers zu sein. Ich hatte mich beständig an das linke Ufer gehalten, und Rube hatte recht gehabt. Dasselbe erhob sich eine halbe Elle über die Wasserfläche. Ein zweiter glücklicher Umstand war der, dass der Mond auf der östlichen Seite noch tief stand, und das Ufer daher einen breiten schwarzen Schatten bis über die Hälfte des Baches warf. Durch diesen Schatten konnte ich sowohl mich als auch mein Pferd schützen. In der Hoffnung, aus der zurückgelegten Strecke meinen Aufenthaltsort bestimmen zu können, blickte ich rückwärts, aber meine Beobachtung blieb erfolglos, da sich meine Augen in gleicher Höhe mit der Wasserfläche befanden und die Entfernung sich nicht beurteilen ließ.

Ich blickte stromaufwärts und untersuchte den Rand des Ufers. Da gewahrte ich einen Gegenstand, der mich leiten konnte. Ich sah das Hinterteil und den Schenkel eines Steppenpferdes, welches an Ufer angebunden war und die Hinterschenkel dem Bach zuwandte. Den Kopf und die Schultern des Tieres konnte ich nicht sehen, da es weidete.

Zu meiner Freude bemerkte ich, dass der Mustang sich zweihundert Schritte über meinem Standpunkt befand, und dies musste die äußerste Linie des Lagers sein. Ich befand mich also gerade an dem Ort, wo ich mein Pferd zurücklassen wollte, etwa zweihundert Schritte von der Lagergrenze.

Das wesentlichste Erfordernis eines Steppenreisenden, einen Pflock zum Anbinden des Pferdes, hatte ich wohlweislich mitgenommen. Ich bedurfte nur eines Augenblicks, diesen Pflock am Ufer einzutreiben. Dieses Zeichen genügte meinem Pferd anzudeuten, dass es nicht frei umherstreifen dürfte; und es zerriss nie eine Fessel, mochte sie auch noch so leicht sein.

Nachdem ich das Pferd eilig angebunden hatte, schritt ich gegen den Strom weiter.

Kaum war ich zwölf Schritte weit gegangen, so sah ich den Uferrand durch eine kleine Schlucht unterbrochen, die steil von der Steppe zu dem Flussbett herabführte und sich auf der anderen Seite fortsetzte. Es war eine Furt, die von Büffeln, wilden Pferden und anderen Steppentieren benutzt wurde.

Anfangs erregte diese Furt Besorgnis in mir, denn sie konnte mich dem Feind zeigen. Diese Furcht verschwand aber, als ich näher kam. Der Rand war steil und so hoch, dass ich ebenso wie vorher geschützt war und keine Gefahr lief, wenn ich vorüberging.

Eben als ich weiter gehen wollte, fiel mir ein, dass mir der Hohlweg einen Vorteil gewähren konnte. Ich hatte mein Pferd in einer gefährlichen Lage zurückgelassen. Es stand ungünstig für den Fall, dass ich, scharf verfolgt, zurückkehren musste. Da es sich unter dem Uferrand befand, so konnte ich es zwar leicht besteigen, aber nur mit Schwierigkeit aus dem Bett des Baches herausbringen. Es konnte die Ebene nur durch einen verzweifelten Sprung erreichen. Dieser Sprung konnte möglicherweise misslingen und einen gefährlichen Zeitverlust herbeiführen.

Dieser Gedanke hatte mich mit Besorgnis erfüllt. Dieselbe verschwand jetzt, denn die Furt erleichterte sowohl den Zugang zu dem Bach als auch zu der Ebene.

Unverzüglich benutzte ich diesen Vorteil, indem ich umkehrte, den Zügel löste und mein Pferd leise den Hohlweg hinaufführte.

Ich befestigte es an einer hohen Stelle der Schlucht wie vorher und ließ es dort zurück.

Mit größerer Ruhe und Vertrauen, aber auch mit größerer Vorsicht schritt ich weiter. Ich war jetzt so nahe, dass selbst das leiseste Geräusch, ein einziges Plätschern mich verraten konnte.

Ich wollte in dem Hohlweg bleiben, bis ich an dem Standort der Pferde vorüber sein würde. Dann brauchte ich nicht durch die Pferdewächter, und was noch wichtiger war, nicht durch die Pferde selbst zu gehen. War ich erst mitten unter ihnen, so würden sie mich wahrscheinlich nicht beachtet haben, denn es befanden sich gewiss noch andere Indianer in der Nähe, und meine Verkleidung war gut genug, um die Augen der vierfüßigen Schildwachen zu täuschen.

Ich wollte aber auch nicht zu weit über ihre Linie hinausgehen, weil ich mich sonst dem Feuer und den dort versammelten Gruppen zu weit genähert hätte.

Zwischen dem Ort, wo sich die Männer befanden, und der Stelle, wo die Pferde angebunden waren, hatte ich einen breiten Gürtel bemerkt, der von den Indianern wenig betreten wurde, diesen wollte ich an irgendeiner Stelle betreten.

Es gelang mir nach Wunsch. Indem ich mich genau am Rand des Hohlweges hielt, kam ich dicht an den weidenden Steppenpferden vorüber und glitt ihnen unter der Nase vorbei. Ich hörte, wie sie gerade über mir das Gras abrauften, aber ich schlich so leise, dass sie weder durch ein Schnaufen noch einen Hufschlag meine Annäherung verrieten.

Nach wenigen Minuten war ich so weit von ihnen entfernt, dass ich anhalten konnte. Ich erhob leise den Kopf und blickte über die Oberfläche der Prärie. Es war niemand in der Nähe zu sehen. In einer Entfernung von hundert Schritten sah ich die Indianer um ihre Feuer versammelt. Sie sprangen, schwatzten und lachten, aber keiner lauschte oder blickte zu mir hin.

Ich fasste den Rand des Ufers und zog mich in die Höhe. Langsam und leise stieg ich hinauf, glitt auf den Knien über die Rasenfläche, richtete mich vorsichtig auf und stand wie ein vollständiger Wilder innerhalb des Indianerlagers.

Ein paar Minuten lang hielt ich mich ruhig wie eine Bildsäule. Ich wagte weder Hand noch Fuß zu rühren, um nicht die Aufmerksamkeit der Pferdewachen oder der am Feuer befindlichen Indianer auf mich zu ziehen. Bevor ich aus der Vertiefung kletterte, hatte ich meinen Kopfputz wieder aufgesetzt. Jetzt steckte ich die Pistolen wieder in den Gürtel, ließ vorsichtig und sorgsam das Jaguarfell von meinen Schultern herabfallen. Ich hatte es sorgfältig vor Nässe geschützt und es umhüllte jetzt meine durchnässten Beinkleider und die obere Hälfte meiner Gamaschen, welche ebenso wie meine Wildschuhe mit Wasser angefüllt waren. Ein Indianer konnte seine kupferfarbigen Beine aus verschiedenen Gründen in das Wasser gesteckt haben. Auch lief das Wasser schnell von dem Hirschleder ab, und es musste bald ganz getrocknet sein. Hier war also nicht zu befürchten, dass ich Argwohn erregt hätte.

Der Ort, wo ich die Steppe erreicht hatte, war im ganzen Umkreis des Lagers am wenigsten einzusehen. Ich befand mich zwischen der roten Glut der Lagerfeuer und dem matten Mondlicht. Diese beiden verschiedenen Beleuchtungsarten brachten eine solche Unsicherheit hervor, dass ich vom Lager aus entweder gar nicht oder doch nur ungenügend deutlich gesehen werden konnte. Es war daher nicht wahrscheinlich, dass sich einer der Wilden mir nähern würde. Ich kannte das Indianerleben zu gut und wusste, dass es nicht unwahrscheinlich war, wenn sich einer einem einsamen Spaziergang oder dem Trübsinn hingab.

Ich blieb nur so lange an dem Ort, um mir die wichtigsten Züge des Schauspiels einzuprägen. Es zeigten sich viele Feuer und bei jedem befand sich eine Anzahl stehender oder sitzender Menschengestalten. Es war ein glücklicher Umstand für mich, dass die Nacht so kalt war, die meisten Indianer an die brennenden Holzstämme zu locken.

Eines der Feuer, welches größer war als die übrigen, befand sich gerade zwölf Schritte vor dem Eingang des einzigen Zeltes. Die lodernde Flamme verbreitete eine Flut von rotem Licht, das sogar bis zu meinem Ort hin drang und mir die Augen blendete. Es schien mir sogar, als fühlte ich die Wärme desselben auf meinen Wangen.

Um dieses Feuer waren viele stehende Gestalten versammelt. Die Gesichter jener, die auf der anderen Seite standen, konnte ich erkennen, und zwar so deutlich, als ob ich neben ihnen gestanden hätte. Ich erkannte sogar die gemalten Bilder auf ihrer Brust und ihrer Kleidung. Von den auf der nächsten Seite Befindlichen konnte ich nur die Gestalten sehen.

Die Gesichtszüge, welche ich erblickte, setzten mich fast in Erstaunen. Ich hatte erwartet, rote Krieger mit Gamaschen, Wildschuhen und den kurzen Röcken, mit bloßen oder mit Federn geschmückten Köpfen und mit Mänteln aus braunen Büffelfellen zu sehen. Einige waren allerdings so angetan, aber nicht alle. Ich sah im Gegenteil Wilde mit Tüchern und Tuchröcken, mit bunten Beinkleidern, mit schwarzen mexikanischen Wachstuchhüten, kurz, eine Menge von ihnen war vollständig mexikanisch gekleidet.

Andere trugen Helme oder steife Tschakos, schlecht sitzende Uniformen von rotem oder braunem Tuch, welche gegen das braune Hirschleder ihrer Fußbekleidung seltsam abstach.

Das Erstaunen, womit ich diese Maskerade erblickte, verschwand allmählich, als ich überlegte, dass ich ein Schauspiel aus dem wirklichen Leben vor Augen hatte, dass diese Männer sich die Beute geteilt, die sie den Getöteten abgenommen hatten. Ich hätte daher nicht nötig gehabt, mir so große Mühe mit meinem Anzug zu geben. Ich wäre in keiner Gestalt in dieser bunten Gesellschaft aufgefallen, selbst meine Uniform hätte ich zeigen dürfen – nur nicht meine Hautfarbe.

Glücklicherweise hatten einige von dem Trupp noch ihr Nationalkostüm beibehalten. Hätten sich diese nicht vollständig bemalt und mit Federn geschmückt gezeigt, so würde ich sonderbarerweise allein wie ein Indianer ausgesehen haben.

Natürlicherweise waren alle diese Umstände in der kürzesten Zeit von mir bemerkt worden, während meine Augen Isolina suchten.

Ich forschte mit meinen Blicken nach allen Seiten und betrachtete die Gruppen, welche das Feuer umgaben. Wohl erblickte ich viele andere Mädchen, die sich leicht als Gefangene erkennen ließen, aber nicht die Gesuchte.

Ich dachte mir, sie müsste im Zelt sein.

Ich verließ meinen bisherigen Standort. Meine Augen waren durch die Übung geschärft. Ich richtete sie auf das Gehölz im Hintergrund des Lagers und erkannte sogleich, dass dieses mir einen großen Vorteil gewährte.

Wie schon erwähnt, stand das Zelt, vor welchem das große Feuer brannte, dicht am Eingang des Gehölzes. Es musste hier der Mittelpunkt, der wichtigste Ort für die Bewegung, der Schauplatz für jede wichtige Handlung sein. Auch Isolina war dort im Zelt oder in der Nähe gewiss zu finden. Ich beschloss, sie dort aufzusuchen.