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Jack Lloyd Folge 12

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Eine unvorhergesehene Bekanntschaft

Der Hungrige Eber war so voll, dass Jack, Joe und Pablo nur in der hintersten Ecke noch einen Tisch ergattern konnten. Den Rest ihrer Gruppe hatten sie in einer kleinen Herberge am Stadtrand gelassen. Zu dritt war die Gefahr aufzufallen weniger groß.

Die drei Gefährten saßen an ihrem Tisch, die Gesichter dem Schankraum zugewandt, in den Bechern einen ordentlichen Schluck Wein. Zum Abendessen hatte ihnen eine dralle Bedienung einen Eintopf nach Art es Hauses versucht schmackhaft zu machen. Nach kurzem Zögern hatten alle drei eingewilligt und so war die Bedienung zufrieden wieder hinter der Theke verschwunden, um die Bestellung der drei Männer in einen der hinteren Räume weiterzureichen. Es dauerte nicht lange und sie kehrte mit einem Tablett, auf dem drei dampfende Schüsseln standen, und einem kleinen Korb, der mit Brot gefüllt war, zu den drei Gästen zurück. Einem Kerl, der versuchte, sie von hinten anzugrabschen, trat sie gerade schimpfend auf den ausgestreckten Fuß, als in der anderen Ecke der Taverne der Lärm noch mehr zunahm. Jack, der für einen Moment amüsiert beobachtete, wie sich die noch relativ junge und wirklich gut gebaute Frau die teilweise doch recht ungehobelten männlichen Besucher des Hauses vom Leib hielt, wurde von dem Tumult, der entstanden war, vollkommen abgelenkt. Erst als das Essen vor ihnen auf dem Tisch stand und ein schnaufendes »Noch einen weiteren Wunsch?« hinterhergeschickt wurde, sah Jack der jungen Frau noch einmal ins Gesicht. Was er sah, war keine außergewöhnliche Schönheit. Aber seine Gegenüber konnte auch nicht als hässlich bezeichnet werden. In einer anderen Umgebung, mit anderer Kleidung und einer besseren Erziehung … nun, Jack verwarf den Gedanken schnell wieder.

»Was geht dort hinten vor sich?« Jack deutete in die Richtung, aus welcher der Lärm kam. Mehrere Männer hatten sich stehend um eine Hand voll Tische geschart und johlten und grölten, was die Kehlen hergaben.

»Das ist der alte Pedro. Er ist heute den zweiten Abend hier. Und seine Geschichte ist noch immer dieselbe.« Die junge Frau klang gelangweilt. Aber irgendetwas sagte Jack, dass dieser Pedro vielleicht für ihn nicht ganz unwichtig war.

»Was ist das für eine Geschichte?«

»Pedro ist Handelsfahrer. Sein Schiff ist die Jungfrau von Cartagena. Ein schmeichelhafter Name für das alte Wrack, wenn Ihr mich fragt. Auf jeden Fall wurde sein Schiff einen Tag entfernt von hier von einem Piraten angegriffen. Und seine Männer haben den Feind allein in die Flucht geschlagen … sagt er.«

Die Frau schaute einen Moment nachdenklich in die Richtung, in der man Pedro hinter den Männern, die offenbar seine Geschichte zum x-ten Mal hören wollten, nur vermuten konnte. Joe stieß hörbar die Luft aus. Jacks Augen folgten dem Blick der Bedienung. Dann murmelte er leise: »Wie ist Euer Name, Señorita?«

Verwundert schaute die junge Frau ihn an. »Verzeiht, Señor. Aber mein Vater hat mir strickt untersagt … ihm gehört diese Schenke … er will nicht …« Sie stammelte und bemerkte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Sofort senkte sie den Blick.

»Keine Angst, Señorita. Ich habe keinerlei unlautere Absichten. Ich möchte Euch nur um einen Gefallen bitten und ich weiß gern, wie die Menschen heißen, denen ich etwas schuldig bin.«

»Ihr seid mir nichts schuldig, Señor. Sagt nur, was ich für Euch tun kann«, hauchte die Kellnerin, noch immer völlig verlegen.

»Nun gut. Bringt mir bitte einen Bogen Papier, eine Feder, etwas Tinte und ein wenig Sand. Ich möchte einen kleinen Brief schreiben, welchen Ihr dann bitte für mich überbringen mögt. Könnt Ihr diese Dinge für mich auftreiben?«

»Gern, Señor, selbstverständlich. Wir haben, was Ihr benötigt. Ich bin sofort wieder da.«

Jack schaute noch einen Moment nachdenklich auf die zuhörende Menge am anderen Ende des Raumes. Gerade musste der Erzähler, dessen Stimme er nur erahnen konnte, durch den Lärm, der hier in der Luft lag, wieder etwas ganz besonders Amüsantes erzählt haben, denn seine Zuhörer klopften sich vor Lachen auf die Schenkel.

Pablo riss Jack aus seinen Gedanken, als er leise fragte: »Wo habt Ihr so gut Spanisch gelernt, Kapitän?«

»Das ist eine lange Geschichte, mein Freund. Ich werde sie dir ein andermal erzählen.«

Joe lächelte leicht. Er kannte die Vergangenheit seines Freundes und ihm war klar, dass es zwei Gründe für Jack gegeben hatte, das Angebot, ein Freibeuter zu werden, anzunehmen. Und nur eines davon hatte mit Wills Tod und der Swallow zu tun. Doch er beschloss, die Angelegenheit weiterhin auf sich beruhen zu lassen. Es würde der Tag kommen, an dem sich die Gelegenheit bot, dies alles anzusprechen.

Wenige Augenblicke später kehrte die Tochter des Wirts zurück und brachte Jack die erbetenen Utensilien. Fasziniert schaute die junge Frau zu, wie Jack das Papier auseinander faltete, das kleine Tintenfässchen öffnete, die Feder eintauchte und zu schreiben begann. Schon nach dem ersten Wort bedachte er seine Zuschauerin mit einem vorwurfsvollen Blick, woraufhin diese sofort das Weite suchte. Dann vollendete Jack seinen Brief, warf ein wenig Sand auf die Tinte, damit diese trocknete und faltete das Papier zusammen. Auf dem Bogen stand in fein leserlicher Schrift geschrieben:

»Ich kenne die wahre Geschichte, mein Freund. Wenn Ihr nicht wollt, dass ich sie Euren Verehrern erzähle, sollten wir uns treffen.

Ein Freund«

Auf ein kurzes Handzeichen war die Bedienung sofort wieder zur Stelle. Jack drückte ihr den Brief in die Hand mit der Bitte, ihn dem Händler Pedro zu überreichen. Dann lehnten Jack und seine beiden Begleiter sich zurück und begannen ihre Abendmahlzeit zu sich zu nehmen.

Erst als die Taverne sich erheblich geleert hatte, kehrte die Bedienung an den Tisch der drei Freibeuter zurück. Sie überbrachte ebenfalls einen Brief. In diesem Stand eine Ortsbeschreibung und die Aufforderung, zur ersten Stunde nach Mitternacht dreimal an die Tür eines bestimmten Hauses zu klopfen.

Jack zahlte die Schuld der drei und verließ mit seinen Männern den Schankraum, nicht ohne noch einen schmachtenden Blick der jungen Bedienung aufzufangen. Lächelnd schüttelte er den Kopf, als die Tür sich hinter ihnen schloss und sie auf die Straße in die Finsternis und Ruhe der Nacht entlassen waren.

»Das ging leichter als ich dachte«, brummte Jack leise.

»Wenn das mal keine Falle ist.« Es war klar, dass der Einwand von Joe kommen musste. Er war nicht nur von vorn herein gegen den Ausflug nach Santiago gewesen, er hätte am liebsten den ganzen Auftrag schlichtweg abgelehnt.

»Wir werden Vorsorge treffen müssen. Es sind keine zwei Stunden mehr bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt. Wir müssen das gewiesene Haus finden und unsere Männer im Umfeld des Hauses in Stellung bringen.«

»Dann sollten wir uns beeilen. Ich habe keine Lust, um diese Zeit noch einer Wache in die Arme zu laufen.«

Die drei machten sich auf die Suche nach der Adresse, die ihnen der Händler in seinem Schreiben genannt hatte. Sie fanden das Haus schnell. Es war das letzte in einer kleinen Nebenstraße, nicht leicht einzusehen, aber im Bedarfsfall mit Sicherheit gut zu verteidigen. Jack schickte Pablo los, um den Rest der Mannschaft zu holen. Etwa eine halbe Stunde vor der Zeit hatten die Männer sich rund um das Haus verteilt. Egal in welche Richtung, der Kaufmann würde keine Gelegenheit haben zu fliehen. Jack und Joe würden an die Tür klopfen und zuerst die Lage auskundschaften. Dann sollte der Rest der Crew nachrücken.

Endlich war es soweit. Jack klopfte dreimal laut gegen die Tür. Aus dem Inneren des Hauses waren keine Geräusche zu vernehmen. Das Haus konnte man eher als Holzbaracke bezeichnen. Die Steinhäuser, in denen die reiche und gehobene Gesellschaft der Stadt wohnte, waren mit dieser windschiefen Behausung nicht zu vergleichen. Jack wiederholte das Klopfzeichen, doch zuerst tat sich noch immer nichts. In dem jungen Kapitän wuchs das Gefühl, betrogen worden zu sein. Langsam kochte Wut in ihm hoch. Mit einem leisen Klirren zog er sein Rapier aus der Scheide und hob die Hand, um noch einmal an die Tür zu klopfen. Da öffnete sich der hölzerne Verschlag langsam und zaghaft. Was Jack sah, ließ ihm einen Augenblick den Atem stocken.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters