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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 11

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Ein Stadtbesuch

Jack, Joe, Pablo und acht weitere Männer hatten sich am Morgen des nächsten Tages auf den Weg gemacht, um Santiago von der Landseite aus zu erreichen. Bereits zur Mittagszeit sahen sie die Stadt in der Ferne. Einige Zeit später erreichten sie eine von Soldaten bewachte Straßensperre. Offenbar sollte niemand Santiago betreten oder verlassen, ohne von den Männern der spanischen Armee untersucht zu werden.

»Sie erwarten uns«, brummte Joe missmutig.

»Sie wären dumm, täten sie es nicht«, erwiderte Jack lächelnd.

»Wenn das mal keine himmelschreiende Dummheit ist.«

»Lass Pablo die Sache regeln, Joe. Er wird uns schon nach Santiago reinbringen.«

Jack machte deutlich, dass er in dieser Angelegenheit keine weitere Widerrede hören wollte. Joe versuchte seit dem Vortag, als Jack das weitere Vorgehen festgelegt hatte, seinen Kapitän davon zu überzeugen, dass seine Pläne eher an ein Selbstmordkommando denn an einen ausgeklügelten Schachzug erinnerten. Allein Jacks Ohren waren für Joes Argumente völlig verschlossen und so musste der Maat schließlich einsehen, dass sein junger Kapitän vor allen Dingen eines war, ein ausgewachsener Dickkopf. Seufzend fügte Joe sich in sein Schicksal und wartete, bis sie an der Reihe waren, von den Wachen angesprochen zu werden. Jack, Joe und Pablo saßen vorne auf dem Kutschbock eines alten Fuhrwerkes, das sie einem Bauern weiter die Küste entlang abgenommen hatten. Auf der Ladefläche saßen vier Männer. Vier weitere hielten sich in unmittelbarer Nähe des Wagens auf. Jack wusste genau, dass seine Männer zur Stelle sein würden, sollte es notwendig sein. Aber das würde die Durchführung seines Planes erschweren, wenn nicht gar völlig vereiteln. Also hoffte er auf Pablo. Mit dem Portugiesen war genau abgesprochen, was er sagen sollte. Jack konnte nur beten, dass die Soldaten ihnen ihre Geschichte abnahmen.

Jack betrachtete die vier Spanier, die an der Straßensperre Wache schoben. Die Männer wirkten grob und ungehobelt. Ihre in der Sonne gegerbten Gesichter machten einen müden und mürrischen Eindruck. Wahrscheinlich standen sie schon seit dem frühen Morgen hier und eine Ablösung war nicht in Sicht. Jack überlegte, ob es sinnvoll wäre, den Männern direkt ein Bestechungsgeld anzubieten. Dagegen sprach, dass die Straße viel benutzt wurde. Ein offener Bestechungsversuch wäre in der Schlange von Passanten aufgefallen und hätte Jack und seiner Crew kaum das Wohlwollen der Soldaten eingebracht, geschweige denn das der anderen Passanten.

Endlich waren die Männer mit dem Bauern, der vor Jack und den Seinen die Sperre passieren wollte, fertig. Dem armen Mann war ein hoher Wegzoll abgepresst worden, viel zu hoch, wenn es nach Jacks Geschmack ging. Aber immerhin hatten sie ihn und seinen Wagen durchgewunken, ohne das Fuhrwerk zu durchsuchen. Das ließ Jack Hoffnung schöpfen. Auf den ersten Blick wirkten Jack und seine Männer tatsächlich wie Kubaner, doch wenn die Soldaten auf die Idee kommen sollten, die Männer näher zu untersuchen, würde der Schwindel schnell auffliegen.

»Woher und wohin?«, fragte der Wachtposten in einer Tonlage, die Jack deutlich machte, dass die Soldaten den kleinsten Grund nutzen würden, um einen handfesten Streit anzufangen. Eine Gruppe von elf Männern kam ihnen da offenbar gerade recht. Ein sanfter Ellenbogenstoß in Pablos Rippen sollte dem Portugiesen zeigen, dass er vorsichtig mit seiner Wortwahl sein sollte.

»Aus einem kleinen Dorf, etwas mehr als zwölf Wegstunden vor hier. Wir wollen uns der spanischen Armee anschließen und zur See fahren.«

»Landratten wie ihr? Bauerngesindel? Was glaubt ihr, wie man euch empfangen wird?«, fragte der Soldat spöttisch. Doch Jack sah an den sich entspannenden Gesichtszügen der anderen Spanier, dass Pablo den richtigen Ton getroffen hatte.

»Wir sind mit dem Meer aufgewachsen, Senior. Man wird unsere Hilfe gebrauchen können.«

Jack beobachtete noch immer die Gefährten des Spaniers, der mit Pablo sprach. Die Veränderung auf den Zügen des Einen gefiel dem Kapitän ganz und gar nicht. Noch bevor Jack Pablo eine Warnung zuraunen konnte, mischte der Mann sich bereits in das Gespräch ein.

»Wie heißt das Dorf, aus welchem ihr stammt, mein Freund?«

Pablo war geistesgegenwärtig genug, um schnell zu antworten. Jack wunderte sich, wie leutselig sein Gefährte klang. Das Lügen schien eine von Pablos Stärken zu sein. Jack sollte es recht sein, solange Pablo auf seiner Seite stand.

»Dorf kann man es nicht nennen, Senior. Es ist eher eine Ansammlung ärmlicher Hütten, in denen unsere Familien hausen, seitdem Piraten uns vor Jahren das Lebensnotwendige genommen haben.«

»Sertigo wurde vor drei Jahren von Piraten überfallen. Das würde passen«, brummte der Wachmann, der zuerst mit ihnen gesprochen hatte, was ihm einen finsteren Seitenblick seines Gefährten einbrachte.

»Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr unsere bescheidene Heimat kennt, Senior«, setzte Pablo sofort nach.

Ein fieses Grinsen zog über die Züge des anderen Spaniers.

»Wenn ihr Männer aus Sertigo stammt, werdet Ihr mir doch mit Sicherheit auch sagen können, wie es der Tochter des Dorfvorstehers, Esmeralda, seit meinem letzten Besuch vor drei Monaten ergangen ist.«

Jacks Hand wanderte zu dem Dolch, den er unter seinem Mantel versteckt hatte. Die Situation war kurz davor zu eskalieren. Die vier Wachmänner waren im Laufe des Gesprächs immer näher an den Wagen herangerückt, woraufhin sich auch Jacks Männer immer dichter um das Fuhrwerk geschart hatten. Jack spürte, dass es nur eines kleinen Anstoßes bedurfte und es würde ein Kampf entbrennen. Sie waren noch weit genug von Santiago entfernt, um die vier Wachen von den Soldaten im Inneren des kleinen Forts in der Stadt unbemerkt auszuschalten und wieder zu verschwinden. Doch die anwesenden Passanten würden das Erlebte überall in der Stadt erzählen und dann wäre es nahezu unmöglich, unbemerkt bis zu dem gesuchten Kaufmann zu gelangen. Während Jack noch seine Möglichkeiten abwog, verzog Pablo das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Lächelnd erklärte er: »Eine Esmeralda gibt es in unserem Dorf nicht. Und ich bezweifle, dass Ihr jemals dort gewesen seid, Senior. Der Dorfvorsteher hat nur einen Sohn und das ist der junge Mann hier zu meiner Linken.« Bei diesen Worten zeigte er auf Jack. Dann fuhr er, noch immer lächelnd, fort: »Wenn ihr mir allerdings nicht glauben wollt, dann sendet einen der Euren nach Sertigo und erkundigt Euch nach uns. Wenn Euch dieser kleine Spaß eine mehrstündige Wanderung wert ist, soll es uns recht sein, Senior.«

Der Soldat nickte langsam. Der erste Wachmann fragte, zu seinem Gefährten gewandt: »Und? Haben diese Bauernburschen deinen Test bestanden?«

»Ich denke schon. Ich habe zwar keine Ahnung, ob es in Sertigo eine Esmeralda gibt, aber jemand, der nicht aus diesem Ort wäre, hätte mit Sicherheit anders reagiert«, erklärte der Spanier voller Überzeugung. Jack spürte, wie sein Herzschlag sich allmählich beruhigte. Er nahm sich vor, Pablo für seine Geistesgegenwart zu loben. Der Portugiese hatte es sich redlich verdient.

»Dann wollen wir euch nicht aufhalten. Den Einschreiber findet ihr in der Taverne Zum hungrigen Eber, wenn er nicht gerade eine einsame Dame in ihrem verlassenen Heim beglückt.«

»Habt Dank für den Hinweis, Senior«, entgegnete Pablo und zog die Zügel an, damit das Zugtier den Wagen möglichst schnell an der Straßensperre vorbeimanövrierte, bevor die Wachen es sich möglicherweise noch anders überlegten.

»Das hat dann wohl erst mal geklappt«, brummte Jack vor sich hin.

»Wunderbar«, erwiderte Joe ironisch. »Und kaum gefährlich. Sei es drum, wir sind in Santiago. Und jetzt? Hast du irgendeine Ahnung, wo wir diesen Kaufmann finden könnten, den wir suchen?«

»Nein, Joe. Aber ich weiß, wo wir mit der Suche anfangen können.«

»Und wo, Käpt´n?«

»Wie wäre es mit dem Hungrigen Eber?« Während über Jacks Züge ein fröhliches Lächeln glitt, schüttelte Joe nur den Kopf. Leise brummte er: »Verdammter Dickkopf.«

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters